Während viele Unternehmen das laufende Geschäftsjahr abschließen, richten sich Finanzvorstände bereits auf 2026 aus. Fast die Hälfte von ihnen sieht neue regulatorische Anforderungen als größte Belastung, insbesondere vor dem Hintergrund veralteter Finanzsoftware. Häufig fehlen Budgets und IT-Fachkräfte, zudem erschweren historisch gewachsene Systemlandschaften notwendige Modernisierungsschritte.
Im kommenden Jahr beginnen auf EU-Ebene die Diskussionen rund um die dritte Zahlungsdiensterichtlinie PSD3 sowie die neue Zahlungsdienstleister-Verordnung PSR. Ziel ist es, Anforderungen an Sicherheit, Transparenz und digitale Zahlungsprozesse weiter zu verschärfen. Die konkrete Umsetzung wird sich über die folgenden Jahre erstrecken, doch der Handlungsdruck für Unternehmen steigt bereits jetzt.
Parallel gewinnt künstliche Intelligenz in Finanzfunktionen an Gewicht. Laut aktuellen Erhebungen haben 63 Prozent der CFOs KI bereits umfassend implementiert. „Entscheidend wird sein, wie KI gezielt eingesetzt wird, um Routineaufgaben zu automatisieren, Prozesse effizienter zu gestalten und die Zahlungsabwicklung zu optimieren“, sagt Jonas Suijkerbuijk, Gründer und CEO des schwedischen Fintechs Billogram.
KI als Treiber effizienterer Finanzprozesse
Aus Sicht von Suijkerbuijk markiert die Digitalisierung zugleich den nächsten Entwicklungsschritt für KI-Anwendungen. Automatisierte Arbeitsabläufe können weiter ausgebaut werden, Mahnprozesse entwickeln sich von reaktiven zu vorausschauenden Systemen, die Zahlungsströme stabilisieren. Das eröffnet Einsparpotenziale bei Zeit- und Personalkosten und erhöht zugleich die Planbarkeit.
Schon heute setzen viele Unternehmen verstärkt auf sogenannte Agentic AI, die definierte Routineaufgaben selbstständig übernimmt. Dennoch haben bislang nur 14 Prozent der Unternehmen einen KI-Assistenten vollständig integriert. Besonders im Rechnungswesen bestehen Vorbehalte, etwa mit Blick auf Risiken und Compliance.
„Die KI sollte nur innerhalb klar definierter Unternehmensrichtlinien arbeiten und sensible Aktionen wie das Löschen von Rechnungen nicht eigenständig ausführen. Alle Entscheidungen müssen protokolliert werden“, sagt Suijkerbuijk. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, lassen sich Analysen und Prognosen präzisieren und der Aufwand im Kundenservice deutlich reduzieren.
Chatbots im Rechnungswesen gewinnen an Bedeutung
KI-Chatbots, die direkt in digitale Rechnungen eingebunden sind, beantworten bereits heute Fragen zu Beträgen, Fälligkeiten, Zahlungsmethoden oder Rechnungshistorien. Die Antworten erfolgen automatisiert in der Sprache des Kunden, komplexere Anliegen werden an Mitarbeitende weitergeleitet. Das entlastet Support-Teams und verbessert die Erreichbarkeit.
„Moderne generative KI interpretiert Kundenanfragen viel besser als frühere Chatbots, sodass Routineanfragen fast vollständig automatisch bearbeitet werden können“, sagt Suijkerbuijk. Auf Basis definierter Regeln kann der Chatbot bei Bedarf bereits jetzt Zahlungsaufschübe gewähren.
Künftig sollen weitere Funktionen hinzukommen, etwa die Anpassung von Mahngebühren, die Erstellung von Support-Tickets oder Hinweise auf effizientere Zahlungsmethoden. Langfristig sieht Suijkerbuijk großes Potenzial in der Vernetzung mehrerer KI-Agenten über offene Schnittstellen. „Die Kombination aus MCP-Servern und offenen APIs wird es ermöglichen, Daten aus CRM-Systemen, Buchhaltungstools oder externen Quellen zu verknüpfen und Zahlungsprozesse flexibel zu steuern“, sagt er.
Rechnung wird zum interaktiven Datenobjekt
Mit Blick auf die kommenden Jahre verändert sich auch der Charakter der Rechnung. Statt einer reinen Zahlungsaufforderung entwickelt sie sich zu einem interaktiven Datenobjekt mit unmittelbaren Handlungsmöglichkeiten für Kunden. Automatisierte Präferenzen helfen, den optimalen Zahlungszeitpunkt zu wählen, während intelligente Systeme Finanzprozesse auf Basis prädiktiver Analysen steuern.
Unternehmen gewinnen dadurch mehr Transparenz über Cashflow und Zahlungsstatus und können Kundeninteraktionen gezielter gestalten. „Wer jetzt die Digitalisierung seiner Zahlungs- und Rechnungsprozesse vorantreibt, legt den Grundstein, um künftig effizienter zu arbeiten und strategische Entscheidungen auf belastbaren Daten zu treffen“, sagt Suijkerbuijk.














