Lazard: „Die Bekämpfung der Inflation wird nicht einfach, sondern qualvoll“

drei Gruene 100 Euro Scheine loesen sich in Luft auf, Wertverlust von Geld, Finanzkrise FOTOMONTAGE
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Werner Krämer, Lazard: "Problematisch ist, dass die Zentralbanken das Inflationsmonster noch nicht wirklich zähmen konnten und weitere Zinsschritte erforderlich sind."

Auf den ersten Blick scheint es, als sei die Weltwirtschaft mit nur wenigen Blessuren davongekommen. Werner Krämer, Senior Economic Analyst, und Desiree Sauer, Investment-Strategin bei Lazard Asset Management, mahnen jedoch zur Vorsicht.

Angesichts der weiterhin hohen Kerninflation, die weitere Zinsschritte nötig machen dürfte, seien viele Aktieninvestoren derzeit zu optimistisch. Chancen sehen sie im zweiten Halbjahr insbesondere auf der Rentenseite.

„Problematisch ist, dass die Zentralbanken das Inflationsmonster noch nicht wirklich zähmen konnten und weitere Zinsschritte erforderlich sind“, sagt Werner Krämer. Die Gesamtinflation gehe zwar zurück und die Konjunktur habe sich als recht widerstandsfähig erwiesen. Obwohl sich die Eurozone technisch gesehen in einer Rezession befinde, gebe es bisher kaum Anzeichen einer harten Landung – und dies trotz des noch nie dagewesenen Zinserhöhungszyklus. Auch in den USA sei von Rezession nichts zu spüren. 

Allerdings halte sich die Kerninflation hartnäckig bei über fünf Prozent und werde zunehmend durch strukturelle Effekte genährt. Dazu gehören aus Sicht des Ökonomen unter anderem die zunehmenden Kosten für die Energiewende sowie die Kosten der Deglobalisierung. Darüber hinaus bestehe Lohndruck und das Angstgespenst der Lohn-Preis-Spirale gehe um. „Keine leichte Aufgabe also für die Zentralbanken, die weiter beteuern, dass sie alle Anstrengungen unternehmen werden, um ihr Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen“, sagt Krämer. Dieses Ziel habe seinen Preis: „Die Bekämpfung der Inflation wird nicht einfach, sondern qualvoll“, so der Experte.

Vorsicht an den Aktienmärkten

Der Optimismus vieler Aktienanleger sei trotz allem ungebrochen. Viele würden immer noch hoffen, dass die Zentralbanken die Inflation wieder auf ihr Zielniveau bringen könne, und dies, ohne eine tiefe Rezession auszulösen. Krämer geht jedoch davon aus, dass die Inflation für längere Zeit auf einem höheren Niveau, als es das Ziel der Zentralbanken vorgibt, liegen wird. „Das lässt die Zentralbanken mit zwei Optionen zurück: Entweder sie setzen ihren aggressiven Zinserhöhungszyklus fort, mit der Gefahr einer harten und schmerzhaften Landung in Form von Rezession und wankender Finanzstabilität, oder sie akzeptieren eine etwas höhere Inflation von 3 oder 4 Prozent“, erklärt Krämer. Letzteres erscheint ihm realistischer: „Wir gehen zwar davon aus, dass die Zentralbanken weitere zinspolitische Interventionen vornehmen. Sie dürften dies aber sehr maßvoll tun, um keine tiefgreifenden Konjunktureinbrüche und schlimme Marktreaktionen auszulösen.“ Auch Marktteilnehmer, welche zuvor von Zinssenkungen noch in diesem Jahr ausgegangen seien, würden mittlerweile weitere Erhöhungen einpreisen.

Chancen auf der Rentenseite

Alles in allem bleibe das makroökonomische Umfeld schwierig. Die Zinsvolatilität werde aufgrund des unsicheren makroökonomischen Klimas wahrscheinlich noch einige Zeit erhöht bleiben. „Positiv zu vermerken ist jedoch, dass europäische Anleger jetzt mit relativ risikoarmen festverzinslichen Anlagen wie Investment-Grade-Anleihen mit kurzer Laufzeit attraktive Renditen erzielen können“, sagt Desiree Sauer. Bei risikoreicheren festverzinslichen Anlagen bleibt die Investmentstrategin jedoch vorsichtig, da die strengeren Finanzierungsbedingungen für einige Emittenten von Hochzinsanleihen schwerwiegende Probleme verursachen könnten. Sauer sieht jedoch eine Ausnahme: den nordischen High Yield-Markt. Denn dieser biete Anlegern ein deutlich höheres Renditeniveau gegenüber europäischen High Yields und zudem einen Risikopuffer selbst im Falle einer tieferen Rezession, kaum Zinsänderungsrisiken durch eine Duration von weniger als einem Jahr und Diversifizierungsvorteile über Sektoren, Länder und Währungen. 

Aktieninvestoren sollten auf Qualität setzen

„Generell haben die steigenden Zinsen dazu geführt, dass Anleihen gegenüber Aktien an relativer Attraktivität zugenommen haben“, betont die Anlageexpertin. „Die Aktienmärkte sind unserer Meinung nach angesichts des makroökonomischen Hintergrunds und der verzögerten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung zu sonnig gestimmt.“ Aktienanleger sollten sich vielmehr in den nächsten Quartalen auf härtere Zeiten einstellen. Ein Fokus auf hochqualitative Aktien ist aus Sicht Sauers deshalb unabdingbar. Der Hype um US-Techaktien dürfte noch einige Zeit andauern, so die Expertin, denn viele Anleger hätten Angst, zu früh auszusteigen und diese Chance zu verpassen. 

Sauer resümiert: „Der Rest des Jahres dürfte aufgrund der makroökonomischen Risiken eine Herausforderung darstellen. Dennoch wird es höchstwahrscheinlich einige attraktive Anlagemöglichkeiten geben, insbesondere im Rentenbereich.“

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