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„Viele Chancen bleiben nicht“: Martin Klein über die Rentenpolitik der Bundesregierung

Martin Klein, Votum
Foto: Votum
Votum-Chef Martin Klein

Die Koalition aus Union und SPD ist seit rund 100 Tagen im Amt. Wie fällt das erste Fazit aus Sicht des Finanzvertriebs aus? Drei Fragen an Votum-Chef Martin Klein.

Die neue Bundesregierung hat einige Themen auf der Agenda, die auch den Finanzvertrieb direkt oder indirekt betreffen, zum Beispiel die Frühstart-Rente oder eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Die 100-Tage-„Schonfrist“ für Schwarz-Rot ist mittlerweile vorbei: Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Klein: Die Beurteilung der zurückliegenden Regierungszeit fällt tatsächlich durchwachsen aus. Während Deutschland international endlich wieder Präsenz zeigt, verläuft das Tagesgeschäft holprig und es droht, dass der erste hoffnungsvolle Schwung verloren geht. In den für unsere Branche wichtigen Einzelthemen zeigt sich noch kein greifbarer Fortschritt. Wie zu erwarten, wurde hier vom SPD-geführten Bundesarbeitsministerium mit dem Rentenpaket 2025 ein Gesetz beschlossen, das zu Recht vielfach auf Kritik gestoßen ist. Wenn die Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzende angesichts dieses Gesetzes zu dem Ergebnis kommt, dass „davon besonders die Jüngeren profitieren“, muss man sich über den Realitätsbezug von Teilen dieser Regierung Gedanken machen. Entscheidend wird jetzt sein, dass der Kanzler sein Verständnis einer neuen aktiven Außenpolitik auch in Europa umsetzt. Es muss ein klarer Einsatz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union erfolgen, der mit einer Kehrtwende bei der ständig wachsenden Regulierung einhergehen muss. Hier brauchen wir ein Regulierungsmoratorium und ein Zurückziehen unnötiger Projekte. Im Herbst muss die Bundesregierung dann durch einen überzeugenden Vorschlag für die Riester-Reform im Zusammenspiel mit der Frühstartrente zeigen, dass sie tatsächlich reformfähig ist. Viele Chancen hierzu hat sie nicht mehr.


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Auch zielführende Vorschläge zur Verbesserung der Finanzbildung in der deutschen Bevölkerung gibt es von Schwarz-Rot bisher nicht. Was hätten Sie sich gewünscht?

Klein: Bildungspolitik bleibt in Deutschland Ländersache, was Reformen kompliziert. Finanzbildung ist hierbei nur ein kleiner Teil der aktuellen Herausforderungen. Die durch die fortschreitende Entwicklung der Künstlichen Intelligenz ausgelöste Frage, wie Lernkompetenz und Bildungserwerb zukünftig zu gestalten sind, überschattet alles. Hier braucht es einen gesellschaftlichen Diskurs und eine Neuorientierung. Grundsätzlich soll die Schule auf das Leben vorbereiten.

Was halten Sie vom Vorschlag Ihres AfW-Kollegen Norman Wirth, dass Vermittlerinnen und Vermittler gelegentlich und ehrenamtlich das Schulfach „Finanzbildung“ unterrichten könnten?

Klein: Ich würde mir für meine 16- und 14-jährigen Kinder wünschen, dass es ein Kursangebot gäbe, in dem ihnen praktisches finanzielles Basiswissen vermittelt wird. Hierbei geht es nicht nur um die Erläuterung etwa dessen, wie Investmentfonds und der Kapitalmarkt funktionieren bzw. die Grundfunktionen von Versicherungen, sondern auch um Fragestellungen, zum Beispiel zur Funktion der Lohn- und Einkommenssteuer, Miete, Mobilfunktarife, Ratenkredite und vieles mehr. Verbände können hier unterstützen und Basisinformationen bereitstellen. Die Übernahme von Lehrveranstaltungen durch Vermittler sehe ich nicht, diese sollten aber dafür eintreten, in regionalen Projekten Schülern Einblicke in ihren beruflichen Alltag zu geben.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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