EXKLUSIV

„Mit bAV, bKV & Gruppenunfall“ – so wollen SDK und Stuttgarter Vorsorge neu denken

Foto: Cash./Frank Seifert
Foto: Cash./Frank Seifert
Jesko Kannenberg (li.) und Olaf Engemann

Die Fusion von SDK und Stuttgarter bringt zwei starke Versicherer zusammen. Im Interview mit Cash. sprechen Jesko Kannenberg und Olaf Engemann über Vertriebsstrategien, die Rolle digitaler Prozesse und Gesundheitsdienstleistungen sowie darüber, warum persönlicher Kontakt trotz aller Technologie unverzichtbar bleibt.

Herr Kannenberg, Herr Engemann, Sie haben vor wenigen Wochen die Fusion der Stuttgarter Lebensversicherung und der SDK vollzogen. Können Sie uns bitte die künftige Aufgabenteilung im gemeinsamen Vorstand skizzieren?

Kannenberg: Ich verantworte weiterhin den klassischen Maklervertrieb der Stuttgarter und bin zudem für den Maklervertrieb bei der SDK zuständig. Olaf Engemann übernimmt die Verantwortung für die Ausschließlichkeitsorganisation, Banken- und Direktvertrieb. Diese Aufgabenteilung schafft klare Strukturen, bedeutet aber keine strikte Trennung. Wir arbeiten eng abgestimmt und entwickeln gemeinsame Strategien – denn ein Multikanalunternehmen lässt sich nur im Miteinander führen. Die formale Zuordnung sorgt für Transparenz und hilft, operative Abläufe effizient zu gestalten.

Engemann: Auch die anderen Vorstandsressorts sind übergreifend besetzt: Ulrich Mitzlaff ist stellvertretender CEO der Stuttgarter, Guido Bader bei der SDK. Gleiches gilt für IT, Betrieb und Organisation. Jesko und ich verantworten jeweils weiterhin unsere vertriebsnahen Einheiten wie Marketing und Vertriebsmanagement. Diese bleiben derzeit noch eigenständig, aber genau hier liegt eine zentrale Aufgabe für das kommende Jahr: Wir wollen diese Strukturen schrittweise zusammenführen und Synergien heben – auf dem Weg zur „One Company“.

Herr Kannenberg, Sie haben die Nachfolge von Ralf Berndt angetreten, der über Jahrzehnte hinweg den Vertrieb der Stuttgarter maßgeblich geprägt hat. Was möchten Sie bewahren und wo wollen Sie neue Impulse setzen?

Kannenberg: Ralf Berndt hat die Stuttgarter über 23 Jahre stark geprägt – vor allem mit seiner klaren Ausrichtung auf den Vertrieb. Diese Kultur ist im ganzen Unternehmen spürbar und bleibt eine wichtige Grundlage. Auch seine fachliche Tiefe als Lebensversicherungsexperte hat der Stuttgarter eine klare Identität als Personenversicherer gegeben. Und schließlich die starke Position im Maklermarkt – dort sind wir heute führend. All das gilt es zu bewahren. Zugleich verändern wir uns: Die Stuttgarter wird im neuen Verbund mit der SDK Teil eines integrierten Vorsorgeversicherers. Wir denken künftig breiter, multikanalfähig, datengestützt. Neue Impulse entstehen durch Technologie, Produktentwicklung und eine stärkere Ausrichtung auf sich wandelnde Kundenerwartungen. Genau hier setzen wir an.

Sie kommen von Ottonova, einem Unternehmen, das in der PKV als digitaler Vorreiter gilt. Welche digitalen Ansätze und Denkweisen bringen Sie mit in die Vertriebsarbeit?

Kannenberg: Ein zentrales Thema ist für mich der datenbasierte Entscheidungsweg. Hier gibt es gute Ansätze, aber wir können noch deutlich mehr herausholen. Vertriebsprozesse müssen durchgängig gedacht sein. Teilprozesse mit technologischen Altlasten bringen langfristig keine Effizienz. Auch die Produktentwicklung muss schneller werden. Die Time-to-Market ist verkürzbar, das hat Ottonova gezeigt. Wichtig ist auch die enge, mehrwertorientierte Verbindung von Kunde und Vermittler mit hoher Kontaktfrequenz. Und: Technologie und Mensch müssen zusammenwirken. Beides allein reicht nicht.


Das könnte Sie auch interessieren:

Glauben Sie, dass sich diese Konzepte auch wirklich in der neuen gemeinsamen Struktur umsetzen lassen?

Kannenberg: Eins zu eins kann man es natürlich nicht übertragen, weil die technologische Basis eine andere ist. Aber grundsätzlich ist das möglich, und es hängt vor allem von Kultur und Mindset ab. Ich bin überzeugt: Produktentwicklungsprozesse kann man deutlich dynamischer gestalten, als es in der Branche häufig noch der Fall ist. Es braucht Mut, Tempo und das klare Bekenntnis, Dinge anders zu denken. Diese Haltung bringe ich mit, und ich sehe auch bei unseren Teams die Bereitschaft dazu

Sie sprachen eben schon Schnelligkeit beim Time-to-Market. Was heißt Schnelligkeit? Wie schnell ist Time-to-Market dann im Zweifelsfalle im Best Case?

Kannenberg: Deutlich unter einem Jahr.

Herr Engemann, wie kann die bisherige SDK von den Erfahrungen profitieren, die Ihr Kollege Jesko Kannenberg mitbringt?

Engemann: Ich freue mich sehr, dass ich den Vertrieb gemeinsam mit Jesko Kannenberg verantworte. Er hat bei Ottonova nicht nur viele wertvolle Erfahrungen gesammelt, sondern  auch Innovationen vorangetrieben. Und diese Impulse kommen bei uns zu 100 Prozent an. Besonders im Direktvertrieb, in der Ausschließlichkeitsorganisation und im Bankvertrieb. Gerade dort ist seine analytische Stärke ein echter Gewinn. Die Fähigkeit, Daten gezielt auszuwerten und daraus Handlungsoptionen abzuleiten, ist extrem hilfreich. Gerade im Direktvertrieb sind wir viel näher am Kunden. Da ist es umso wichtiger, zu wissen: Wie generiere ich Leads? Wie durchdringe ich Bestände erfolgreich? Wie spreche ich die richtigen Kundensegmente an? Genau da liefert Jesko wertvolle Impulse. Das gilt ebenso für unsere AO, die ein wichtiger Baustein für uns ist, mit großem Potenzial bei unseren Produkten? Ich bin überzeugt, dass wir uns hier hervorragend ergänzen und Jeskos Erfahrungen bei uns konkret Wirkung entfalten werden.

Die Fusion zwischen SDK und Stuttgarter ist ein bedeutender Schritt in der deutschen Versicherungsbranche. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell und welchen Mehrwert erwarten Sie am Ende für Kunden und Vertriebspartner?

Engemann: Die Herausforderungen für Versicherer sind bekannt: Regulatorik, Demografie, Digitalisierung und Kostendruck. Sowohl SDK als auch Stuttgarter hätten diese Themen einzeln stemmen können. Doch wenn wir wachsen, näher am Kunden agieren und im Vertrieb stärker werden wollen, ist der gemeinsame Weg der bessere. Darin liegt der strategische Vorteil dieser Fusion, die wir als echten Gewinn sehen. Mit dem operativen Konzern (GOK) haben wir einen zentralen Meilenstein erreicht. Beide Unternehmen befinden sich zudem mitten in der Transformation, sei es bei Beständen, Leistungen oder IT. Parallel müssen wir unsere Prozesse noch konsequenter an Kunden und Vermittler ausrichten. End-to-End-Denken ist dabei zentral. Am Ende zählt, dass wir liefern, was wir versprechen. Genau daran werden wir uns messen lassen.

Herr Kannenberg, welche Herausforderungen sehen Sie aus Marktsicht für das fusionierte Unternehmen?

Kannenberg: Aus Marktsicht sehe ich die Herausforderungen nicht als zu groß. Die Kombination aus SDK und Stuttgarter ist in meinen Augen ein echtes „Perfect Match“. Wir bringen starke Monoliner zusammen: Kranken bei der SDK, Leben bei der Stuttgarter, ergänzt um Sachversicherung. Diese klare Ausrichtung hat zu einer sauberen Vertriebsstruktur geführt. Das bedeutet keine Reibungsverluste, sondern sinnvolle Ergänzungen. Daher bin ich überzeugt, dass vieles effizient zusammengeführt werden kann. Die größeren Herausforderungen liegen im Detail der internen Umsetzung. Schon das Ändern von Unternehmensangaben in Bestandsdokumenten bindet erhebliche Ressourcen, oft bei denselben Teams, die auch große Transformationsprojekte vorantreiben. Deshalb müssen wir priorisieren. Einige Themen haben höchste Dringlichkeit und werden angepackt. Andere können auch später umgesetzt werden. Strukturierte Etappen sind hier der richtige Weg.

Wie verändert sich durch die neue Struktur der gemeinsame Auftritt im Maklermarkt – und was planen Sie in Sachen einheitliche Vertriebsstrategie?

Kannenberg: Ich skizziere gern unseren Ansatz, den wir aus der Stuttgarter einbringen. Im Bereich Leben arbeiten wir seit Jahren erfolgreich mit einem Best-Practice-Modell. Kern ist unser One-Face-to-the-Customer-Prinzip: Unsere Maklerbetreuer sind persönlich in der Region präsent, kennen die Bedürfnisse der Vermittler und werden durch digitale Tools wie Maklerportal, Abschluss- und Arbeitgeberportale unterstützt. Hinzu kommt unser Firmenkompetenzcenter, das fachlich fundierte Unterstützung leistet und in seiner Struktur mit dem der SDK vergleichbar ist. Dieses Zusammenspiel aus persönlicher Nähe, digitaler Unterstützung und fachlicher Tiefe bildet unsere Grundlage für die Zukunft. Ziel ist es, Kranken, Leben und Unfall perspektivisch aus einer Hand anzubieten und auch im Bereich Kranken dieselbe Marktrelevanz zu erreichen wie im Leben. Daran wollen wir uns messen lassen – und genau so soll uns der Makler künftig erleben.

Sie haben vorhin das Thema Best Practices angesprochen. Gibt es bereits konkrete Beispiele aus dem laufenden Integrationsprozess?

Kannenberg: Wir stehen noch am Anfang. Aus regulatorischen Gründen war vieles bisher nicht möglich. Seit dem offiziellen Start im Juli gibt es aber bereits zwei erste Akquisen aus dem neuen Setup. Auch in Gesprächen mit Vertriebspartnern seit Mai spüre ich großes Interesse, vor allem an der betrieblichen Krankenversicherung. Die Nachfrage im Firmenkundengeschäft ist hoch, und die SDK genießt hier einen starken Ruf. Unser Ziel ist es, diese Themen zügig und praxisnah umzusetzen.

Lassen Sie uns über Zielgruppen sprechen. Sie haben betriebliche Kranken- und Altersvorsorge bereits erwähnt. Welche Zielgruppen haben Sie künftig im Fokus – und wie differenzieren sich Ihre Angebote im Vergleich zum Wettbewerb, sowohl in der Lebens- als auch in der Krankenversicherung?

Engemann: Das Schöne ist: Mit der Kombination aus SDK und Stuttgarter decken wir Leben, Kranken und Unfall nun ganzheitlich ab – für Privat- wie Firmenkunden. Seit dem 1. Juli bieten wir integrierte Lösungen aus einer Hand. Besonders viel Potenzial sehen wir bei kleinen und mittleren Unternehmen. Mit bAV, bKV und Gruppenunfall verfügen wir über ein breites Portfolio. Ein echter Mehrwert entsteht durch unsere Firmenkompetenzcenter – ergänzt durch die Gesundwerker, unsere Genossenschaft für betriebliche Gesundheitsdienstleistungen. Diese Angebote gehen über klassische Versicherungen hinaus und lassen sich kombinieren. Das verschafft uns einen klaren Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig setzen wir auf gezielte Zielgruppenansprache, etwa bei Humanmedizinern oder jungen Menschen mit Einstiegslösungen zur Absicherung von Einkommen und Gesundheit. Unser Konzept ist praxisnah, marktstark und überzeugt Maklerschaft, Bankenvertrieb und AO.

Welche Rolle spielen aktuell Gesundheitsdienstleister wie Ihre „Gesundwerker“ im Markt? Sie hatten sie gerade bereits erwähnt – registrieren Sie eine steigende Nachfrage?

Engemann: Absolut. Als wir 2018 begonnen haben, betriebliche Gesundheitsdienstleistungen auszubauen, wurden wir teils noch belächelt. Unser Ansatz war von Anfang an dreiteilig: neben der betrieblichen Krankenversicherung auch betriebliches Gesundheitsmanagement und Services zur Mitarbeitergesundheit. Heute zeigt sich, wie zukunftsweisend das war. Mittlerweile erhalten wir sogar gezielte Anfragen nur zu den Dienstleistungen – unabhängig von einer Versicherungslösung. Das eröffnet neue Zugänge, wo wir früher gar nicht in Gespräche gekommen wären. Oft folgt später doch noch ein Abschluss, etwa in der bKV oder bAV. Unser Facharzt-Terminservice wird zum Beispiel als eigenständiger Baustein genutzt, ebenso unsere Pflege-Assistance, die Angehörige aktiv unterstützt. Solche Angebote kommen bei Mitarbeitenden wie Arbeitgebern sehr gut an – weil sie spürbar entlasten und die Produktivität sichern. Kurz: Das Thema ist en vogue.

Seite 2: „Wir übernehmen gerne Anteile die andere liegen lassen“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

1 2 3Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments