EXKLUSIV

„Mit bAV, bKV & Gruppenunfall“ – so wollen SDK und Stuttgarter Vorsorge neu denken

Herr Kannenberg, Fondspolicen gelten als Hoffnungsträger in der privaten Altersvorsorge und in der bAV. Die Stuttgarter zählt in diesem Bereich zu den führenden Anbietern. Wie wollen Sie den Absatz weiter steigern? Planen Sie neue Produkte oder eine Anpassung der Tarifstruktur?

Kannenberg: Unsere Strategie hat sich bewährt – genau wie Sie sagen. Die Fondsrente Performance+ steht inzwischen für rund 85 Prozent unseres Neugeschäfts – ein klares Markt-Votum. Genau dort setzen wir an. Flexibilität, Nachhaltigkeit und Performance machen den Tarif stark: wählbare Garantien, eine nachhaltige Variante mit der „Grünen Rente“ und kickbackfreie Fonds ohne versteckte Provisionen. Ab Januar 2026 ergänzen wir das Angebot um eine fondsgebundene Lösung ohne Garantien. Auch in der bAV sehen wir keinen Rückkehrtrend zur Vollgarantie. Hybridmodelle haben sich etabliert, der Ruf nach 100-Prozent-Garantie bleibt aus. Wir bleiben daher konsequent auf Kurs.

Welche Rolle spielt künftig die bAV im neuen Vertriebsverbund? Und wie möchten Sie gerade kleinere und mittlere Unternehmen – Ihre Kernzielgruppe – besser erreichen?

Kannenberg: Die Zahlen sprechen für sich: Je größer das Unternehmen, desto höher die bAV-Durchdringung. In kleinen und mittleren Betrieben liegt sie dagegen oft unter 50 Prozent. Genau dort liegt unser Fokus. Politisch sehen wir aktuell wenig Bewegung – in der GKV wie in der Altersvorsorge. Statt Reformen gab es zuletzt vor allem Wahlgeschenke für die Babyboomer. Für die nächsten Generationen wird Eigenverantwortung umso wichtiger. Deshalb setzen wir bewusst auf den Arbeitgeber als Vertrauensperson und Multiplikator. Die bAV bleibt für uns ein strategisches Wachstumsfeld, das wir auch im neuen gemeinsamen Unternehmen gezielt ausbauen wollen.

Der bAV-Markt stagniert. Wie möchten Sie Vermittlerinnen und Vermittler motivieren, sich diesem Geschäft wieder stärker zu widmen? Wird die betriebliche Krankenversicherung zum Türöffner für die bAV – oder ist es umgekehrt?

Kannenberg: Von Stagnation kann bei uns keine Rede sein – im Gegenteil: Die bAV zählt bei der Stuttgarter Leben zu den wachstumsstärksten Geschäftsfeldern. Das verdanken wir gezielter Zusammenarbeit mit Partnern, die Zugang zu relevanten Zielgruppen haben, einfachen Prozessen, starken Produkten – und unserer fachlichen Expertise im Vertrieb. Denn klar ist: Wer Vermittler in der bAV alleinlässt, wird scheitern. Die Anforderungen sind hoch, rechtlich wie organisatorisch. Deshalb begleiten wir unsere Partner – vom Arbeitgeber bis zum Makler – individuell und fundiert. Und wir gehen weiter: Mit unserer Akademie bieten wir die Zertifizierung zum bAV-Fachexperten an. So sichern wir rechtlich sauberes und gleichzeitig vertrieblich starkes Handeln. Deshalb sagen wir selbstbewusst: Wir übernehmen gern Marktanteile, die andere liegen lassen.

Herr Engemann, Sie sagten eben, dass bAV und bKV sich gegenseitig als Türöffner dienen können. Wie nutzen Sie diese Wechselwirkung im Vertrieb?

Engemann: Wenn wir bei einem Kunden bereits eine bAV platziert haben, versuchen wir im nächsten Schritt, auch die bKV ins Spiel zu bringen – und umgekehrt. Der große Vorteil ist, dass wir jetzt über zwei starke Produktschienen Zugang zum Firmenkundengeschäft haben. Das verschafft uns eine deutlich breitere Marktpräsenz. Zudem sind wir auf Produktseite in beiden Unternehmen hervorragend aufgestellt – das können wir ohne Abstriche in den Markt tragen. Jetzt geht es darum, auch die Prozesse übergreifend auf ein gemeinsames Niveau zu bringen. Am Ende sind es aber unsere Menschen draußen vor Ort, die den Unterschied machen. Deshalb werden wir weiterhin gezielt in Vertrieb und Fachkompetenz investieren, damit unser Team auch künftig auf höchstem Niveau arbeitet.

Kannenberg: Daran anknüpfend: Es wird künftig natürlich auch einfacher, bestimmte Dinge nur noch einmal machen zu müssen – was Investitionen wesentlich effizienter macht. Wenn wir beispielsweise nicht mehr zwei Arbeitgeberportale oder zwei Online-Plattformen betreiben, sondern gemeinsame Lösungen schaffen, können wir Ressourcen gezielter einsetzen und zugleich die Qualität erhöhen.

Wird es dann künftig ein gemeinsames Firmenkompetenzzentrum geben?

Engemann: Genau das ist unser Ziel – und darauf freuen wir uns sehr. Es wird ein zentrales Firmenkompetenzzentrum geben, das sämtliche Bereiche bündelt: betriebliche Krankenversicherung, Gruppenunfallversicherung, Gruppenpflege. Auch unsere Gesundwerker – mit ihren ergänzenden Gesundheitsdienstleistungen – werden hier eine wichtige Rolle spielen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, läuft das künftig unter dem Dach einer umfassenden betrieblichen Vorsorge?

Engemann: Ja, exakt. Das ist unser strategischer Ansatz.

Arbeiten Sie bereits an neuen Kombiprodukten für diesen Bereich? Gibt es erste Ideen?

Engemann: Eine naheliegende Synergie liegt in der Kombination von BU- und Krankentagegeldversicherung. Die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Berufsunfähigkeit führt in der Praxis oft zu Streitfällen – für Versicherte sehr belastend. Kommen beide Leistungen aus einer Hand, lässt sich diese Unsicherheit vermeiden. Das macht das Angebot auch für Vermittler attraktiv. Darüber hinaus denken wir weiter: Die SDK ist mit Assistance-Tarifen und modularen bKV-Bausteinen stark aufgestellt. Diese lassen sich ideal in Servicekonzepte einbinden – besonders in Kooperation mit Arbeitgebern. So eröffnen sich neue Optionen im Leistungsbereich und beim Serviceversprechen gegenüber Unternehmen und Mitarbeitenden.

Kommen wir noch einmal zur Digitalisierung. Sie sagten bereits, sie ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Kunden wie dem Vertrieb helfen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine im Service, in der Beratung und im Neugeschäftsprozess?

Engemann: Wenn wir zunächst auf den Maklervertrieb blicken, spielt das Thema BIPRO eine zentrale Rolle. Die Stuttgarter ist hier schon seit Jahren intensiv engagiert und auch im BIPRO-Beirat vertreten. Das bleibt auch künftig ein strategischer Schwerpunkt. Uns geht es darum, an der Kundenschnittstelle effizient und intelligent aufzutreten. Dazu gehören unter anderem Überlegungen zu einem gemeinsamen CRM-System, das den Zugang zu Beständen und Kundendaten erleichtert. Wir planen außerdem, ein einheitliches Steuerungstool für den Maklervertrieb einzuführen. Natürlich schauen wir auch auf klassische Prozesse wie Angebotsstrecken oder Vergleichsrechner. Hier geht es um schlanke, anwenderfreundliche Lösungen, die die tägliche Arbeit der Vermittler erleichtern. Aber klar ist auch: Digitalisierung passiert nicht im luftleeren Raum, wir müssen sie neben vielen anderen Transformationsaufgaben stemmen. Glücklicherweise sind beide Unternehmen technisch und personell gut aufgestellt.

Herr Kannenberg, Sie kommen von einem digitalen Krankenversicherer. Dennoch wissen Sie, dass Digitalisierung nicht alles ersetzen kann. Wo verläuft für Sie die Grenze zwischen digitaler Effizienz und menschlicher Beratung, mit Blick auf PKV und bAV?

Kannenberg: Der GDV zeigt: Digitale Abschlüsse boomen bei einfachen, transparenten Produkten wie Kfz-, Hausrat- oder Privathaftpflichtversicherungen. Hier ist das Risiko einer Fehlentscheidung gering. In komplexen Bereichen wie PKV oder Altersvorsorge ist das anders – hier bleibt der persönliche Berater unverzichtbar. Doch er allein genügt nicht: Er braucht digitale Werkzeuge zur Bedarfsanalyse, Rentenauskunft oder Versorgungslückenberechnung. Nur so gelingt eine Beratung, die individuell, effizient und regulatorisch sauber ist. Wir brauchen beides: einen gut ausgebildeten Menschen – und eine digitale Infrastruktur, die ihn befähigt, fundiert zu beraten. Der Mensch bleibt zentral – aber er muss smart unterstützt werden.

Engemann: Ich möchte das aus Kundensicht ergänzen. Der Einstieg erfolgt oft digital: Der Interessent informiert sich online, klickt sich durchs Angebot oder stellt Anfragen. Wünscht er persönliche Beratung, muss der Vertrieb genau dort weitermachen, wo der Kunde aufgehört hat. Der Berater greift auf übermittelte Daten zu – der Prozess läuft nahtlos weiter. Diesen Weg verfolgen wir. Unsere Kunden-App haben wir konsequent ausgebaut. Die Stuttgarter hat derzeit noch keine eigene App, das wird sich mittelfristig ändern. Die Akzeptanz ist hoch: In der Krankenvollversicherung etwa ist die App Standard, etwa zur Beleg-Einreichung und Leistungsabrechnung. Und ja, Szenarien wie – der Kunde reicht digital eine Zahnarztrechnung ein, sieht die Erstattung und stockt per Klick auf – werden Realität. Solche smarten Zusatzangebote braucht es. Daran arbeiten wir.

Kannenberg: Deshalb müssen wir die Customer Journey ganzheitlich betrachten, vom ersten Impuls über Angebot, Antrag und Vertrag bis hin zur Leistungsbearbeitung. Je weiter wir in dieser Reise voranschreiten, insbesondere in Richtung Leistungsfall, desto stärker müssen die Prozesse digitalisiert und automatisiert sein. In unserem zukünftigen Multikanal-Modell gewinnen dabei auch bestimmte Produkte an Bedeutung. Wir haben klassische Produkte wie Zahnzusatzversicherungen, Haftpflicht- oder Hausrat-Tarife. Diese sind prädestiniert für digitale Abschlussstrecken. In der bisherigen Welt der Stuttgarter gibt es bislang keine konsequente Endkundenausrichtung auf solche Produkte, also kein klassisches B2C-Modell. Das wird sich mit dem gemeinsamen Unternehmen ändern. Allerdings sollte man die Erwartungen realistisch halten. Solche Direktkanäle sind wichtig, aber nicht die Lösung für alles.

Olaf Engemann & Jesko Kannenberg, SDK / Foto: Cash.-Frank Seifert

Sie haben vorhin die digitale Rentenauskunft erwähnt. Im Markt gibt es dazu unterschiedliche Meinungen – manche sehen darin wenig Nutzen. Wie bewerten Sie dieses Instrument und welchen Stellenwert hat es aktuell bei der Stuttgarter?

Kannenberg: Im Zentrum steht für uns eine bedarfsorientierte Beratung. Dafür muss ich zunächst herausfinden, was mein Kunde tatsächlich braucht. Und genau da setzen wir auf Werkzeuge wie die digitale Rentenauskunft. Oft erleben wir in der Praxis, dass Kundinnen und Kunden gar nicht genau wissen, welche Versorgungslücken bestehen oder wo sie überhaupt stehen. Das führt zu Medienbrüchen im Beratungsgespräch: Es müssen Unterlagen nachgereicht, Rückfragen geklärt oder Prozesse unterbrochen werden. Das kostet Zeit. Wenn ich in der Lage bin, on demand auf zusätzliche Informationen zurückzugreifen, wird der Prozess nicht nur effizienter, sondern auch qualitativ besser. Die Rentenauskunft ist kein Muss, aber sie kann ein wertvoller Bestandteil einer schlanken, fundierten Beratung sein.

Das Thema Nachhaltigkeit hat zuletzt etwas an Aufmerksamkeit verloren. Wie sensibel sind Kundinnen und Kunden noch für dieses Thema? Und wie wird es im Vertrieb verankert, vor allem mit Blick auf den neuen Konzern?

Kannenberg: Im Vermittlermarkt sehen wir zwei große Herausforderungen. Erstens: Unsicherheit bei der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen. Seit der EU-Taxonomie sind Vermittler verpflichtet, diese zu ermitteln. Doch die Vorgaben sind komplex und in der Praxis schwer umzusetzen. Zweitens: Wissenslücken. Nachhaltige Beratung erfordert Know-how zu ESG-Kriterien, Produkten und Argumentation. Dieses Wissen fehlt oft – und damit bleiben Chancen ungenutzt. SDK und Stuttgarter stehen klar für nachhaltige Versicherung. In der Lebensversicherung lassen sich ESG-Kriterien gut umsetzen, etwa über Kapitalanlagen – wie bei unserer „Grünen Rente“. Dazu bieten wir gezielte Qualifizierungen mit Zertifikat. Unsere Erfahrung zeigt: Wer das Thema beherrscht, stößt auf echte Nachfrage. Aussagen wie „Das fragt niemand“ zeigen meist, dass man es selbst noch nicht aktiv angegangen ist. Und: Gerade im Lebensbereich arbeiten wir mit vielen Maklern zusammen, die sich ganz auf nachhaltige Beratung spezialisiert haben – sowohl im Firmen- als auch im Privatkundengeschäft. Dort sind wir mit unserer klaren Ausrichtung ein gefragter Partner. Engemann: Ich möchte das noch ergänzen, auch aus Sicht der anderen Vertriebswege. Wir haben ein Projekt gestartet, das Nachhaltigkeit gezielt in unsere Ausschließlichkeitsorganisation und den Bankenvertrieb integriert – inklusive Zertifizierung. Nachhaltigkeit heißt für uns nicht nur Kapitalanlage, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung. Über Gesundheitsangebote wie betriebliche Prävention oder Ernährungsberatung gehen wir über das Übliche hinaus. Persönlich bedauere ich, wie das Thema politisch und regulatorisch behandelt wurde: komplexe EU-Vorgaben, übereifrige Umsetzung hierzulande – und nun der öffentliche Rückzug. Dabei geht es um Generationengerechtigkeit. Als Versicherer tragen wir Verantwortung für große Kapitalmengen. Wir sollten uns stärker fragen, welche Impulse wir selbst setzen. Bei uns ist das Thema angekommen und es bleibt auch fest auf der Agenda.

Das heißt, Sie werden Nachhaltigkeit auch im Vertrieb weiter offensiv thematisieren?

Kannenberg: Unbedingt. Das Thema geht nicht wieder weg, im Gegenteil. Es wird langfristig an Bedeutung gewinnen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch ein weiteres Thema nennen, das eng damit verbunden ist: die zielgruppenspezifische Ansprache von Frauen, vor allem im Kontext Altersvorsorge. Frauen werden im Beratungsgespräch häufig nicht gezielt angesprochen – obwohl sie andere Prioritäten, Lebensverläufe und Bedürfnisse haben. Das liegt auch daran, dass unser Vertrieb nach wie vor sehr männerdominiert ist. Genau hier sehen wir eine große Chance: Nachhaltigkeit und Frauenberatung sind zwei wichtige Hebel, um neue Zielgruppen zu erschließen und gleichzeitig gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Seite 3: Eine der größten Herausforderungen ist es, den persönlichen Kontakt in der Beratung zu halten“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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