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Pensionszusagen im Mittelstand: Wie Unternehmer Risiken jetzt entschärfen können

Pascal Zerwas, Rechtsanwalt und bAV-Experte, EMBA, LLM., B.Sc. Senior Partner Zerwas & Associate
Foto: Zerwas & Associates
Pascal Zerwas: "Wer jetzt handelt, kann Pensionszusagen von der Bürde zu einer betrieblichen Chance entwickeln."

Was einst als attraktive Altersvorsorge galt, wird zunehmend zur bilanziellen Hypothek – mit Folgen für Finanzierung, Nachfolge und Unternehmenswert. Pensionszusagen entwickeln sich zum Risikofaktor für viele Mittelständler. Doch es gibt Möglichkeiten, die Gefahren zu entschärfen. Von PASCAL ZERWAS

Energiepreise, hohe Steuerlast und Fachkräftemangel sind derzeit die scheinbar größten Sorgen von deutschen Unternehmen. Zumindest auf den ersten Blick. Denn ein weiteres Problem wächst im Schatten heran – häufig unterschätzt, aber mit massiven Auswirkungen: Pensionszusagen. Diese oft vernachlässigte Altlast in den Bilanzen von Firmen, entwickelt sich zunehmend zum Deal-Breaker bei Finanzierung, Nachfolge und Wachstum.


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Würden Geschäftsführer morgen einen Konkurrenz-Klon ihres Unternehmens schaffen, identisch in Umsatz, Maschinenpark und Belegschaft, nur ohne Pensionslasten, lägen die Vorteile klar auf der Hand: Den besseren Kredit, den höheren Kaufpreis und die schnellere ESG-Rating-Freigabe bekäme der Klon.
2025 wird daher zum Jahr der Weichenstellung: Wer jetzt handelt, kann Pensionszusagen von der Bürde zur betriebswirtschaftlichen Chance entwickeln.

Ein unterschätztes, kleingeredetes Milliardenproblem

Die Handelsbilanzen weisen heute mehr als 600 Milliarden Euro Pensionsverpflichtungen aus, Tendenz steigend. Besonders kritisch: Je nach Branche sind nur 34 bis 65 Prozent dieser Verpflichtungen durch Finanzmittel gedeckt. Damit sind nicht nur zukünftige Zahlungsverpflichtungen unklar abgesichert – auch die Gegenwart leidet: Schlechtere Bonitätsbewertungen, eingeschränkte Kreditvergaben und sinkende Unternehmenswerte sind die Folge. Der Investitionsspielraum schrumpft, während die bilanziellen Risiken steigen. Besonders betroffen ist der deutsche Mittelstand. Viele der heute gültigen Pensionszusagen wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren vereinbart. Oft mit sozialen Absichten, aber unter ganz anderen ökonomischen Rahmenbedingungen.

Deal-Breaker bei Nachfolge und Verkauf

Die nächsten Entscheidungen in den betroffenen Unternehmen entscheiden darüber, ob Pensionszusagen Unternehmen dauerhaft belasten – oder strukturell entlasten. Das liegt zum einen an der verstärkten Aufmerksamkeit von Betriebsprüfern, Banken und Ratingagenturen. Zum anderen gibt es deutschlandweit eine schier endlos große Zahl an Cases, in denen Pensionszusagen bei Unternehmensnachfolgen oder -verkäufen als Showstopper wirken. Ein schlecht bilanziertes System kann eine ganze Transaktion verhindern.

Hinzu kommt: Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist der Rechnungszins gesunken – was in der Handelsbilanz zu höheren Rückstellungen führt, ohne steuerlich wirksam zu sein. Die Diskrepanz zwischen Handels- und Steuerbilanz wächst, während Rückdeckungsversicherungen nur magere Erträge liefern. Bei laufender Verzinsung (durchschnittlich 2,5 Prozent), belaufen sich die Zahlen ab 2025 zwischen 1,0 und 1,87 Prozent.
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt: Seit 2009 bringt dieser „Gap“ extrem viele Nebeneffekt für Unternehmen mit sich. Spätestens seit 2022 und dem damit einhergehenden Anstieg der Kapitalmarktzinsen, besteht dieser Gap weiterhin. In der Folge bleibt die Steuerbilanz künstlich mit circa sechs Prozent hoch.

Checkliste für Steuerberater im Umgang mit Pensionszusagen

Viele Steuerberater stoßen bei Pensionszusagen an fachliche und haftungsrechtliche Grenzen. Doch gerade hier sind fundierte Kenntnisse essenziell, um Mandanten nicht nur steuerlich abzusichern, sondern auch betriebswirtschaftlich zu entlasten. Die Berater sollten dabei nie als strategischer Gegenspieler gesehen werden. Sie sind für externe Spezialisten ein strategischer Partner, mit dem gemeinsam die übergeordneten Ziele des Kunden bewerkstelligt werden.

Analyse & Dokumentation

Welche Zusagen bestehen? Wie hoch sind die bilanziellen Verpflichtungen? Wie ist die Finanzierungslage? Eine fundierte Analyse ist der erste Schritt zu struktureller Entlastung – idealerweise gemeinsam mit externen Spezialisten. So entstehen Faktenbasis und Haftungsschutz.

Regel- & Risikokonform gestalten

Gerade bei Gesellschafter-Geschäftsführern drohen steuerliche Risiken, wenn die Zusage nicht fremdüblich ist. Die Faustregel: Mindestens 10 Jahre bis zum Rentenalter und klar dokumentierte Entscheidungsprozesse. Nur die Einbindung multidisziplinärer Spezialisten für steuerliche, bilanzielle und juristische Fragen gibt 100% Sicherheit. Spezialisierte Beratungshäusern entlasten nicht nur Steuerberater. Reduzierte Betriebsprüfungs- sowie Beraterhaftungsrisiken repräsentieren ein „Must-Have“ im Umgang mit Pensionszusagen.

    Bilanz-Entlastung umsetzen

    Eine durchdachte Finanzierungsstrategie – etwa durch Rückdeckungsversicherungen oder Auslagerung – erhöht die Sichtbarkeit der wirtschaftlichen Mehrwerte, entlastet die Bilanz, verbessert die Eigenkapitalquote und steigert die Attraktivität des Unternehmens bei Banken und Investoren.
    Eigenkapitalquote gezielt wie verbessern? Pensionsverpflichtungen wirken direkt auf das handelsrechtliche Eigenkapital. Wer diese Belastung reduziert oder eliminiert, verbessert seine Finanzkennzahlen und steigert die unternehmerische Handlungsfreiheit.

    Drei erprobte Ansätze

    Auslagerung als „Past-/Future-Service“

    Dieses Modell erlaubt es, bestehende Pensionszusagen an externe Versorgungsträger auszulagern. Das Unternehmen löst die anteilige Rückstellung ergebnisneutral auf, der gezahlte Betrag wird als Betriebsausgabe anerkannt – mit positivem Effekt auf Eigenkapitalquote und Steuerlast.
    Die Versorgung der Berechtigten bleibt erhalten, aber vom wirtschaftlichen Schicksal des Unternehmens entkoppelt. Struktur, Bonität und geltendes Recht (Jurisdiktion) von Unterstützungskassen und Pensionsfonds sind aufmerksam zu prüfen.

    Kombination mit Rückdeckungsversicherungen

    Werden Pensionsverpflichtungen vollständig durch Versicherungen gedeckt, kann das Risiko minimiert und der Aufwand planbar gemacht werden. Verpfändete Rückdeckungen werden von Banken teilweise als Sicherheit akzeptiert und können die Kreditwürdigkeit verbessern. Rückdeckungsversicherungen sind bei genauer Berechnung jedoch teuer. Zum einen sind die Ursachen aufsichtsrechtlicher Natur, zum anderen sind die hohen Verwaltungskosten der Versicherer selbst verantwortlich.

    Auslagerung als CTA

    Das ist liquiditätsfreundlich und steuerlich vorteilhaft. Ein Contractual Trust Arrangement (CTA) ist eine spezielle Treuhandstruktur, die von Unternehmen zur Absicherung von Pensionsverpflichtungen gegenüber Mitarbeitern, Geschäftsführern und deren Hinterbliebenen genutzt wird. Das CTA dient primär dazu, Vermögensgegenstände der Gesellschaft treuhänderisch auf einen Trust zu übertragen. Dies bietet eine insolvenzgeschützte Sicherheit für betriebliche Pensionsverpflichtungen. Die Versorgung wird endgültig aus der Bilanz des Trägerunternehmens ausgelagert.

    Warum 2025 bei Pensionszusagen gehandelt werden muss

    Die Zinsen des Handelsgesetzbuches steigen moderat, bevor der 10-Jahres-Durchschnitt die jetzigen Höchststände vollständig einpreist. Wer jetzt auslagert, bilanziert zum vergleichsweise niedrigen Barwert. Je mehr gezögert wird, desto schlimmer.

    So gilt ab dem Geschäftsjahr 2025 eine neue CSRD/ESRS-Pflicht. So müssen etwa große, bisher Non-Financial Reporting Directive (NFRD)-freie Unternehmen Nachhaltigkeits-Kennzahlen berichten. Pensionslasten fallen direkt unter „Social Capital“. 2025 ist das letzte volle Vorbereitungsjahr.
    Ein weiterer Punkt sind Basel IV und neue Rating-Modelle: Banken hinterlegen ab 1. Januar 2025 höhere Risikogewichte für nicht gedeckte Versorgungsverpflichtungen. Die Bilanz-Entlastung schlägt unmittelbar auf Kreditlinien durch. Basel IV sorgt indirekt dafür, dass bilanzlastige Pensionen benachteiligt werden.

    Und dann wäre da noch die Nachfolgewelle: Die Baby-Boomer-Generation deutscher Mittelständer erreicht den 63. Geburtstag. Das historisch höchste Verkaufsvolumen wird zwischen 2025-29 erwartet. In der Unternehmensnachfolge zeigt sich die Relevanz klar: Hohe Pensionsverpflichtungen senken den Unternehmenswert enorm, schrecken Käufer ab und erschweren die Finanzierung.
    Eine gezielte Auslagerung der Pensionszusagen hingegen erhöht die Transparenz, schafft Vertrauen und macht die Firma übergabefähig. Das Ziel muss daher lauten: Altlasten beseitigen, Werte sichern und finanzielle Sicherheit für Unternehmer und Nachfolger schaffen. Das ist ein erfolgsentscheidender Faktor für die wirtschaftliche Dynamik.

    Unternehmerisches Wachstum möglich machen

    Pensionszusagen sind kein Relikt der Vergangenheit – sondern ein mächtiges betriebswirtschaftliches Werkzeug. Das Management ist jedoch ausdrücklich Sache von Profis. Wer jetzt handelt, kann Pensionsverpflichtungen rechtssicher restrukturieren, die Eigenkapitalquote verbessern und so seine wirtschaftliche Zukunft aktiv gestalten. Dazu braucht es Spezialwissen, strategisches Denken und eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und unabhängigen Experten. Gemeinsam lassen sich Lösungen schaffen, die nicht nur kurzfristig entlasten, sondern langfristig stärken.

    Autor Pascal Zerwas, EMBA, LL.M.,B.Sc. Senior Partner Zerwas & Associates

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