Pflegereform: PKV-Verband präsentiert Zehn-Punkte-Plan

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Pflege wird immer teuerer: Die Pflegeversicherung braucht eine Reform

Der PKV-Verband fordert in einem Zehn-Punkte-Plan einen Systemwechsel in der Pflegeversicherung. Statt eines Flickenteppichs aus Zuschüssen und Einzelleistungen, künftig klare Zuständigkeiten, mehr Prävention und eigenverantwortliche Vorsorge. Ob Politik und Gesellschaft diesen Weg mitgehen? Fakt ist, der Reformdruck steigt, nicht zuletzt durch den demografischen Wandel.

Pflege ist in Deutschland längst zum gesellschaftlichen Megathema geworden. Die Alterung der Bevölkerung, steigende Kosten und der Mangel an Fachpersonal bringen das bestehende System an seine Grenzen. Vor diesem Hintergrund hat der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) einen umfassenden Reformvorschlag vorgelegt, der auf langfristige Finanzierbarkeit und strukturelle Modernisierung der Pflegeversicherung zielt.

„Pflege+ Versicherung“ – ein neuer Vollkaskotarif

Kern des Konzepts ist die sogenannte „Pflege+ Versicherung“, ein verpflichtendes, kapitalgedecktes Zusatzangebot, das die Eigenanteile in Pflegeheimen bis auf einen Selbstbehalt von zehn Prozent abdecken soll. Anders als die bestehende gesetzliche Pflegeversicherung funktioniert dieses Modell nicht im Umlageverfahren, sondern sorgt über individuelle Beiträge vor. Vorgesehen ist ein solidarischer Ausgleich: Kinder sind beitragsfrei versichert, Rentner zahlen nur die Hälfte, bei Hilfebedürftigkeit greift die soziale Absicherung. Für junge Menschen beginnt der Beitrag bei rund 44 Euro pro Monat, mit steigendem Einstiegsalter erhöht sich der Satz. Auch eine betriebliche Ausgestaltung ist laut PKV-Verband denkbar. Auf eine obligatorische Absicherung für den ambulanten Bereich will man hingegen verzichten – die dortige Sozialhilfequote sei gering, die Finanzierung durch Einkommen und Vermögen zumeist gesichert.


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Auch jenseits eines Pflichtsystems fordert der PKV-Verband mehr Engagement für private Vorsorge. Schon heute könnten Pflegezusatzversicherungen helfen, pflegebedingte Kosten mit vergleichsweise niedrigen Beiträgen abzusichern – vor allem, wenn sie frühzeitig abgeschlossen werden. Um diese Vorsorgeoptionen attraktiver zu machen, spricht sich der PKV-Verband für steuerliche Förderung aus. Besonders wirksam sei die Einbindung über den Arbeitgeber, wie das Modell „Careflex Chemie“ zeige. Unternehmen wie Henkel hätten mit arbeitgeberfinanzierter Pflegevorsorge positive Erfahrungen gemacht. Künftig sollten solche Angebote steuerlich wie Kranken- und Rentenversicherungen behandelt und nicht länger mit Sachleistungen wie Tankgutscheinen verrechnet werden.

Abgrenzung von Leistungen

Ein weiteres Anliegen betrifft die Abgrenzung von Aufgaben: Leistungen, die nicht unmittelbar der Pflege dienen – etwa Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, Zuschüsse für Ehrenamt und Digitalisierung oder der Corona-Rettungsschirm – sollten nicht über die Pflegeversicherung, sondern aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden. Eine Entlastung der Versicherten sei hier dringend erforderlich, um das System zukunftsfest zu machen.

Besondere Kritik übt der Verband an der jüngsten Leistungsausweitung nach § 43c SGB XI. Durch Zuschüsse zu den Eigenanteilen bei stationärer Pflege wurden massive Mehrkosten verursacht, ohne die soziale Treffsicherheit zu verbessern. In der Praxis profitieren auch Haushalte mit hohem Vermögen – eine Maßnahme, die nach Ansicht von Experten vor allem der Vermögenswahrung dient, nicht der Armutsvermeidung. Der PKV-Verband schlägt deshalb vor, die Dynamik dieser Zuschüsse zu dämpfen, indem ein Durchschnittswert je Bundesland als Grundlage dient. Die Rückkehr zum Teilleistungsprinzip der Pflegeversicherung sei langfristig unumgänglich.

Um Pflegebedürftige besser zu unterstützen, soll das System künftig auf individuelle Budgets umgestellt werden. Statt fester Leistungen für ambulante oder stationäre Pflege könnten Versicherte je nach Bedarf über ein flexibles Gesamtbudget verfügen. Nicht genutzte Mittel würden anteilig ausgezahlt – auch für informelle Pflege durch Angehörige oder qualifizierte Nachbarn. Ziel ist eine einfachere, verständlichere und gerechtere Leistungsstruktur, die individuelle Lebensrealitäten stärker berücksichtigt.

Pflegegrad 1: Prävention im Fokus

Im Bereich des Pflegegrads 1 will der Verband den Fokus klar auf Prävention lenken. Die bisherigen Leistungen hätten ihr Ziel, Pflegebedürftigkeit zu verzögern, nicht erreicht. Statt pauschaler Geldleistungen sollten Beratung, Pflegekurse, Hilfsmittel und Maßnahmen zur Wohnraumanpassung gefördert werden. Einsparungen in anderen Bereichen könnten gezielt in Präventionsangebote fließen.

Auch die Pflegeberatung soll neu ausgerichtet werden. Der bisherige, starr am Pflegegrad orientierte Beratungsrhythmus führe zu unnötigem Aufwand und bürokratischer Überfrachtung. Künftig sollte jede pflegebedürftige Person zu Beginn eine umfassende Beratung erhalten, um den Bedarf frühzeitig zu erkennen. Ergänzende Checks im Halbjahrestakt könnten dann per Hausbesuch oder Videotermin erfolgen. Bei erkennbaren Versorgungslücken wäre erneut eine intensive Beratung vor Ort vorgesehen.

Ein weiterer Reformbereich betrifft die Bürokratie. Pflegekräfte sollen sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Überflüssige Dokumentation, mehrfach erhobene Daten und analoge Prozesse seien ein Hindernis. Der Verband plädiert für eine bundesweit einheitliche digitale Plattform, die Kommunikation, Qualitätsprüfungen und Datenmanagement bündelt und Doppelstrukturen abbaut.

Darüber hinaus soll Prävention zum Leitprinzip der Pflege werden – nicht nur im frühen Alter, sondern auch im Pflegefall selbst. Der 2017 reformierte Pflegebedürftigkeitsbegriff enthält bereits entsprechende Ansätze, werde in der Praxis aber zu wenig genutzt, so der PKV-Verband. Dabei gebe es gute Beispiele: präventive Pflegeberatung, individuelles Pflegetraining zu Hause, digitale Ratgeber oder wissenschaftlich gestützte Instrumente zur Früherkennung von Belastung bei Angehörigen. Solche Angebote müssten bekannter gemacht und systematisch in die Pflegepraxis integriert werden.

Nicht zuletzt müsse auch die Qualitätssicherung weiterentwickelt werden. Prüfberichte seien oft unverständlich, die Mitwirkung der Einrichtungen nicht immer gegeben. Transparente Ergebnisse, laiengerechte Informationen für Betroffene und eine Pflicht zur Zusammenarbeit bei Prüfungen könnten helfen, die Pflegequalität nachhaltig zu sichern.

Pflege neu denken, nicht nur aus finanziellen Gründen

Am Ende steht der Appell, Pflege strukturell neu zu denken, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um die Selbstständigkeit, Würde und Teilhabe pflegebedürftiger Menschen zu stärken. Der Reformdruck wächst, und mit ihm die Dringlichkeit für konkrete, tragfähige Lösungen. Der vorgelegte Plan ist ein umfassender Vorschlag mit dem der Verband einen Beitrag zu einer überfälligen Debatte leisten will.

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