Die Private Krankenversicherung (PKV) steht im Fokus – nicht nur wegen politischer Diskussionen um eine mögliche Reform des Gesundheitssystems, sondern auch aufgrund anhaltender Herausforderungen innerhalb der Branche selbst. Steigende Leistungsausgaben, medizinischer Fortschritt, Regulatorik, Digitalisierung und eine alternde Gesellschaft fordern Versicherer, Vertriebe und Berater gleichermaßen. Zugleich zeigt sich, dass die PKV für viele Kunden attraktiver denn je ist. So stieg die Zahl der privaten Krankenversicherungen trotz eines schwierigen Umfelds im vergangenen Jahr um 1,36 Millionen auf 39,9 Millionen Verträge.
„Fast jeder zweite Deutsche ist inzwischen privat krankenversichert. Dieses Wachstum belegt erneut, dass die Menschen auf die Leistungsfähigkeit und Stabilität der PKV vertrauen“, jubiliert Thomas Brahm, der Vorsitzende des PKV-Verbands, auf der diesjährigen Jahrestagung in Berlin. Besonders dynamisch entwickelte sich die Nachfrage nach privaten Zusatzversicherungen. Hier stieg die Zahl der Versicherten um 1,3 Millionen auf insgesamt 31,2 Millionen – ein Plus von 4,5 Prozent. „Immer mehr Versicherte setzen auf die private Vorsorge, um das Leistungsniveau der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzustocken“, sagte Brahm. Der Trend dort sei ungebremst. Ähnlich erfreulich ist die Entwicklung in der Vollversicherung. „Die Versicherten schätzen neben dem hohen Niveau der medizinischen Versorgung auch die lebenslange Leistungsgarantie in der PKV“, hob Brahm hervor.
„Die PKV ist für viele Menschen attraktiv“
Nach Aussage von Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der Kölner Ratingagentur Assekurata, überschritten die gesamten Beitragseinnahmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung 2024 erstmals die Marke von 50 Milliarden Euro. Laut Assekurata verbuchte die Branche insgesamt ein Plus bei den Beitragseinnahmen von 3,4 Prozent. „Die PKV zeigt erneut, dass sie für viele Menschen attraktiv ist“, betont Will. Neben dem bisherigen Wachstumstreiber, den privaten Zusatzversicherungen, beobachtet das Analysehaus aber auch wieder einen stärkeren Zulauf in die Vollversicherung.
Die Recherchen im Rahmen dieses Beitrags bestätigen die Aussagen. „Die Nachfrage nach unseren Produkten ist ungebrochen, und wir erwarten weiteres Wachstum. Nicht zuletzt durch die Pandemie ist das Bewusstsein für hochwertige Gesundheitsabsicherung gestiegen“, sagt etwa Jan Esser, CEO der Allianz Private Krankenversicherung (APKV). 2023 hatte die APKV das beste vertriebliche Ergebnis seit ihrem Bestehen. 2024 wurde das nochmals um 25 Prozent übertroffen. Ähnlich positiv sind die Entwicklungen bei der Hanse Merkur privaten Krankenversicherung. Nach Angaben des Unternehmens waren 2024 insgesamt 313.661 Personen dort versichert. Gegenüber 2023 verzeichnete der in Hamburg ansässige Versicherer einen Zuwachs von 13.172 Netto-Neukunden – laut Vertriebsvorstand Eric Bussert ein Plus von 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch 2023 sei der Netto-Neukundenzuwachs deutlich über dem Marktdurchschnitt gewesen, betont Bussert.
Auch Hallesche-Vertriebsleiter Lars Hertwig spricht von Rekordwerten – sowohl im Neugeschäft als auch im Bestand. „Das Neugeschäft hat sich besser entwickelt als erwartet. Noch bedeutender: Es ist uns gelungen, den langjährigen Bestandsabrieb in der Vollversicherung zu stoppen und wieder in einen echten Wachstumsmodus überzugehen. 2024 ist die Zahl unserer Vollversicherten von 223.084 auf 225.190 gestiegen – ein bemerkenswerter Erfolg in einem anspruchsvollen Marktumfeld. Auch im Gesamtkundenbestand zeigt sich das deutlich: Die Zahl aller bei der Hallesche versicherten Personen stieg 2024 auf 916.310 – gegenüber 887.220 im Vorjahr ein deutlicher Zuwachs“, bilanziert Hertwig.
Nun ist zum Jahresbeginn die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) deutlich angestiegen – von 69.300 auf nunmehr 73.800 Euro. Damit liegt die Hürde für den Wechsel in die PKV wieder höher – und für viele schlicht zu hoch. Für Hertwig ist es das falsche Signal, den Zugang zur PKV weiter zu erschweren. Dennoch: Selbst angesichts dieser neuen Zugangsvoraussetzung glaubt Hanse Merkur-Vertriebsvorstand Bussert nicht daran, dass das die Attraktivität der Privaten Krankenvollversicherung schmälert.

„Parallel steigt auch die Beitragsbemessungsgrenze, sodass Gutverdiener in der gesetzlichen Krankenversicherung jährlich höhere Beiträge zahlen müssen, was die PKV preislich attraktiver macht“, argumentiert er. Zudem erhöhe sich für Angestellte mit steigendem Einkommen auch der maximale Arbeitgeberzuschuss – auch in der PKV. Ähnlich sieht es auch Christine Schönteich, Geschäftsführerin des Münchener Maklerpools Fonds Finanz. „Trotz der erneuten Anhebung der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) halten wir das Wachstumspotenzial in der PKV weiterhin für sehr hoch und erkennen teilweise sogar eine steigende Nachfrage. Zwar wird der Zugang für einen Teil der gesetzlich versicherten Arbeitnehmer durch die neue Grenze erschwert, jedoch bleibt die PKV insbesondere für Selbstständige, Beamte sowie Arbeitnehmer mit einem Einkommen oberhalb der JAEG eine äußerst attraktive Option“, sagt die Vertriebsexpertin.
Darüber hinaus führen insbesondere die – teils mehrfachen – Erhöhungen der Zusatzbeiträge einzelner gesetzlicher Kassen zu einer spürbaren Mehrbelastung gesetzlich Versicherter. So hatten zum 1. Juli neun Innungs- und Betriebskrankenkassen die Zusatzbeiträge angehoben. „Der Höchstbeitrag in der GKV liegt mittlerweile bei rund 1.150 Euro monatlich. Die jüngsten politischen Überlegungen, die Beitragsbemessungsgrenze möglicherweise sogar weiter anzuheben, verstärken die Attraktivität der PKV zusätzlich“, argumentiert Schönteich. Hinzu kämen qualitative Aspekte wie lange Wartezeiten in der GKV – sowohl bei Haus- als auch bei Fachärzten. „Das alles führt zu einer höheren Nachfrage nach PKV-Tarifen. Diese Entwicklungen spiegeln sich deutlich in den Rückmeldungen unserer Vertriebspartner wider“, sagt Schönteich.
Spannend sei, dass man nun auch ein wachsendes Interesse von Vermittlern beobachte, die bislang wenig im PKV-Segment aktiv waren. „Insgesamt zeigt sich die PKV als ein zukunftsfähiges Geschäftsfeld mit hohem Beratungsbedarf und großem Potenzial – sowohl für Makler als auch für Kunden“, zeigt sich die Fonds-Finanz-Geschäftsführerin überzeugt. Auch Vema-Vorstand Dr. Johannes Neder will im neuerlichen Anstieg der JAEG keinen Hemmschuh für die private Krankenvollversicherung erkennen: „Wir haben etwa 46 Millionen Erwerbstätige im Land. Davon sind rund zwei Millionen Beamte, Richter und Soldaten. Selbstständige sind es 3,8 Millionen, und Angestellte und Arbeiter über BBG machen nochmal 1,6 Millionen aus.“ Unter den möglichen Zielgruppen für die PKV habe sich also nur an der schon immer kleinsten Gruppe etwas an den Zugangsvoraussetzungen verschärft. „Nur“ etwa 30 Prozent der Privatversicherten stammen aus dieser Zielgruppe, so Neder.
„Speziell in dieser bestand wohl auch schon immer die größte Hürde im Kopf, den Systemwechsel aus der GKV in die PKV zu vollziehen – sei es die Angst vor hohen Beiträgen im Alter, dann separat zu versichernden Kindern und Ehegatten. In der Summe wird die Anhebung der BBG daher wohl weniger Auswirkungen auf das Gesamtneugeschäft haben, als man im ersten Moment annehmen möchte. Wachstumspotenzial ist weiter vorhanden – wenn auch voraussichtlich vor allem im öffentlichen Dienst“, sagt der Vertriebsmann.
Teil 2 erscheint am 3. September bei Cash. Online: Premiumwettlauf in der PKV: Mehr Top-Leistungen bei Zahnersatz und Psychotherapie