2026 soll sie kommen: die Aktivrente. Bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei für diejenigen, die nach dem regulären Renteneintritt weiterarbeiten. Die Idee klingt zunächst charmant: Sie riecht nach Flexibilität, Fachkräftesicherung, Wissenserhalt und finanzieller Eigenverantwortung.
Gleichzeitig soll die Aktivrente die gesetzliche Rentenversicherung entlasten und das Rentensystem mitstabilisieren. Wer länger arbeitet, zahlt länger Beiträge ein und bezieht später Rente. Dadurch stehen der Rentenversicherung mehr Mittel zur Verfügung, während die Zahl der Leistungsbezieher:innen kurzfristig langsamer wächst. Doch wie so oft im deutschen Rentenrecht gilt: Die Umsetzung bleibt hinter dem Anspruch zurück.
Denn bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Bundesregierung mit politischem Kleingeld tatsächlich einen Systemumbau finanzieren will. Was als Anreiz für längeres Arbeiten verkauft wird, ist in Wahrheit ein verkappter Versuch, die Rente mit 70 durch die Hintertür einzuführen.
Und machen wir uns nichts vor: Wer die Menschen mit Steuererleichterungen zum Weiterarbeiten animieren will, statt sich ehrlich zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu bekennen, betreibt Symbolpolitik statt echter Strukturreform. Der Staat verzichtet auf Milliarden an Steuereinahmen – geschätzte 2,5 Milliarden jährlich – und kaschiert damit die eigentlichen Herausforderungen der umlagefinanzierten Rentenversicherung. Das Rentenniveau wird per Gesetz bis 2031 auf 48 Prozent zementiert, als ob 2032 und die Jahre danach nicht existieren würden. Nachhaltigkeit im Sinne der Bevölkerung sieht anders aus.
Und was hat das Ganze mit der bAV zu tun?
Während die neue Bundesregierung auf der einen Seite mit den Plänen zur Aktivrente Flexibilität in puncto Altersversorgung predigt, herrscht auf der anderen Seite absolute Gesetzesstarre. So wird die betriebliche Altersversorgung in dieser Diskussion fast völlig ignoriert. Was in Anbetracht der Tatsache, dass die bAV ein zentrales Instrument und eine essenzielle Säule der ganzheitlichen, zusätzlichen Alterssicherung ist, nahezu einer Frechheit gleichkommt. Dabei könnte die bAV, klug eingebunden, der entscheidende Hebel für einen selbstbestimmten, finanziell planbaren Rentenübergang sein.
Was derzeit fehlt, ist ein verbindendes Konzept
Wer über Aktivrente spricht, muss auch die bAV mitdenken – und zwar nicht nur am Rand, sondern im Zentrum der Diskussion. Denn: Viele Arbeitnehmer:innen möchten im Alter weder komplett von jetzt auf gleich aussteigen noch auf eine angemessene Versorgung verzichten. Aber der Gesetzgeber zwingt sie faktisch dazu. Der Paragrad 6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) erlaubt bislang nur die Auszahlung der bAV bei Bezug der Vollrente – also exakt dem Modell, das durch die Aktivrente aufgelockert werden soll.
Dieses Regelwerk ist nicht nur widersprüchlich, sondern aus der Zeit gefallen. Ein flexibler Übergang in den Ruhestand wird damit blockiert, obwohl politisch angeblich genau dieser gefördert werden soll. Die bAV müsste daher nicht nur mitgedacht, sondern aktiv reformiert werden: Gesetzesänderungen, steuerrechtliche Klarstellungen, Anpassungen im Arbeitsrecht und vor allem eine Entlastung der Unternehmen durch einfache, digitale Umsetzungsmechanismen. Denn wenn niemand die gesetzlichen Regelungen versteht, wie sollen diese dann im Interesse von Unternehmen und Arbeitnehmer:innen verstanden sowie auch förderlich umgesetzt werden?
Mein Appell: Aktivrente und bAV sind keine Gegensätze. Sie könnten sich ergänzen. Sie könnten gemeinsam eine neue Rentenkultur einleiten – gleiten statt kappen. Planen statt ausscheiden. Aber dafür braucht es Mut. Mut, alte Zöpfe abzuschneiden und ein System zu bauen, das nicht mehr zwischen gesetzlich und betrieblich trennt, sondern das Alter in seiner Vielfalt ernst nimmt. Und in Zeiten des demografischen Wandels sowie eines sich immer mehr verschärfenden Fachkräftemangels können wir es uns nicht leisten, die Potenziale und nutzbaren Wechselwirkungen aus bAV und Aktivrente zu verschlafen.
Wenn die neue Bundesregierung mit ihrer geplanten Rentenpolitik wirklich etwas verändern will, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, muss sie aufhören, Symptombekämpfung mit Zukunftsgestaltung zu verwechseln.
Alexander Siegmund ist Experte für betriebliche Altersversorgung. Er ist Gründer und Geschäftsführer der KPM Pension & Benefits GmbH.