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Roundtable Arbeitskraftabsicherung: „Entscheidend ist, dass Kunden eine passgenaue Absicherung erhalten“

Fotos: Continentale, Swiss Life, HDI, Panthermedia
(von links) Marko Ressel, Continentale Lebensversicherung, Sebastian Weigelt, Swiss Life und Carsten Kock, HDI

Cash. sprach mit Carsten Kock, Leiter Maklervertrieb HDI Leben, Sebastian Weigelt, Leiter Intermediärvertrieb Swiss Life und Marko Ressel, Leiter Produktentwicklung Leben bei der Continentale Versicherung über AKS 2025: Warum die BU trotz geringer Durchdringung die Benchmark bleibt, wie bAV den Zugang öffnet, welche Rolle Grundfähigkeit als Ergänzung spielt, und weshalb Digitalisierung, klare Prozesse und Nachversicherungen heute über den Abschluss – und die Loyalität – entscheiden.

Wie schätzen Sie die aktuelle Sensibilität der Kundinnen und Kunden ein, ihre Arbeitskraft finanziell abzusichern – gerade im Jahr 2025, angesichts der nach wie vor niedrigen Durchdringungsquoten?

Ressel: Die Sensibilität in der Bevölkerung nimmt zu. Erfahrungen aus der Pandemie, die anhaltende Inflation, geopolitische Unsicherheiten und nicht zuletzt die steigenden Lebenshaltungskosten machen vielen Menschen stärker bewusst, welche finanziellen Risiken sie tragen. Wir haben vor zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, in der vor allem junge Familien ihre größte Sorge darin sahen, die eigene Familie im Ernstfall nicht mehr finanziell absichern zu können. Das zeigt: Das Risiko der Berufsunfähigkeit gilt als existenzielle Bedrohung. Interessant ist, dass sich das kaum in den Abschlusszahlen am Markt widerspiegelt. Die Durchdringungsquote stagniert bei rund 30 Prozent. Gründe sind hohe Fixkosten und die Tendenz, die BU nach hinten zu priorisieren – nach dem Motto „Mir passiert schon nichts“. Zudem fehlt vielen das volle Bewusstsein für das Risiko: Jeder vierte Deutsche wird berufsunfähig, 40 Prozent davon dauerhaft. Genau hier müssen wir ansetzen – besonders bei jungen Familien, die die Gefahr sehen, den entscheidenden Schritt aber oft nicht gehen.

Weigelt: Man darf nicht vergessen: Berufsunfähigkeit ist kein Thema, mit dem jemand morgens aufwacht und denkt, „darum kümmere ich mich jetzt“. Kfz oder Hausrat sind im Alltag viel präsenter. Deshalb liegt es stark an Beraterinnen und Beratern, den Bedarf sichtbar zu machen – und genau darin steckt eine große Chance für gute Beratung. Gleichzeitig gibt es Hürden, gerade bei körperlichen Berufen, wo Absicherung oft schwieriger ist. Spannend sind auch betriebliche Modelle. Die Branche steckt hier noch in den Kinderschuhen, aber das Potenzial ist groß: Wenn Arbeitgeber Verantwortung übernehmen und Beschäftigten Optionen bieten, kann eine neue Dynamik entstehen. Wir sehen also klaren Bedarf und Potenzial, auch wenn die Durchdringung seit Jahren stagniert. Die Produkte sind längst ausgereift – die Frage ist, wie wir neue Zugangswege schaffen.


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Kock: Die Durchdringungsquote ist tatsächlich niedrig, aber die Sensibilität steigt. Nur führt Bewusstsein nicht automatisch zum Abschluss einer BU-Rente. Wie Herr Weigelt sagte: Niemand wacht am Samstagmorgen auf und möchte heute eine BU abschließen. Man muss es plastisch sagen: wir haben es in unserer Branche schnell damit zu tun, dass sich abzusichern auch eine Art von Konsumverzicht bedeutet. Es macht weniger Spaß als Urlaub planen, ein Auto kaufen oder Essen gehen. Genau hier liegt die Herausforderung – und zugleich die Chance. Wer es schafft, den Wert der eigenen Arbeitskraft überzeugend zu vermitteln, hat sehr gute Karten, Kundinnen und Kunden von der Notwendigkeit der Absicherung zu überzeugen.

Ein Problem ist die Spreizung im Markt: Gerade für Büro- und Akademikerjobs werden verhältnismäßige günstige Prämien aufgerufen, während das Produkt für viele körperlich Tätige schnell unbezahlbar ist. Analysehäuser wie Franke und Bornberg kritisieren die Entwicklung und sehen die BU in ihrer heutigen Form für den breiten Vertrieb eigentlich nur noch eingeschränkt geeignet.

Ressel: Das kann ich bestätigen: Viele Wettbewerber fahren eine starke Spreizung der Prämien und fokussieren sich auf enge Zielgruppen, vor allem Akademiker – nicht zuletzt wegen der neuen Sterbetafel. Leidtragende sind körperlich Tätige, für die eine BU oft kaum erschwinglich ist. Bei der Continentale verfolgen wir einen anderen Ansatz: Wir haben die breite Masse im Blick und setzen auf den Grundgedanken der Versicherung – Risikoausgleich im Kollektiv, über alle Berufsgruppen hinweg. Unser Ziel ist es, auch körperlich Tätigen hochwertigen Schutz zu fairen Konditionen zu bieten. Das zeigt sich auch im Markt: In Ratings, etwa von Franke und Bornberg, zählen wir regelmäßig zu den Top fünf im Preis-Leistungs-Verhältnis – und das über alle Berufsgruppen hinweg. Wer umfassend berät, sollte uns hier unbedingt berücksichtigen.

Kock: Da steckt ein wahrer Kern drin, aber die Kritik greift zu kurz. Natürlich gibt es im Markt einen Wettbewerb um Akademiker und Bürojobs. Selbst wer versucht, über alle Berufsgruppen wettbewerbsfähig zu bleiben, stößt auf deutliche Preisunterschiede. Körperlich Tätige tragen nun einmal ein höheres Risiko, das sich in den Beiträgen widerspiegelt. Die entscheidende Frage ist, wie wir künftig offen damit umgehen. Als Branche müssen wir anerkennen: Für manche Berufsgruppen kann es – gemessen am Verhältnis von Beitrag zu Einkommen – keine flächendeckende Voll-BU geben. Auch bei allen Bemühungen bleibt die Belastung für körperlich Tätige höher. Genau deshalb ist die Produktauswahl breiter geworden: Neben der BU geht es um Einkommensschutz insgesamt. Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrenten sind klar zuzuordnen, bei Grundfähigkeiten ist die Abgrenzung schwieriger – doch auch sie leisten einen Beitrag. In der Beratung gilt es, transparent zu machen, was die BU kostet und welche Alternativen bestehen. Nur so gelingt eine wirklich bedarfsgerechte Beratung.

Weigelt: Genau hier zeigt sich der wachsende Bedarf an guter Beratung. Denn die Situation ist nicht neu: Schon früher gab es keine „billigen“ BU-Produkte für körperlich Tätige. Neu ist, dass heute ergänzende Bausteine wie die Grundfähigkeitsversicherung deutlich näher an die BU herangerückt sind. Das eröffnet zusätzliche Möglichkeiten, erfordert aber eine ganzheitliche Beratung. Wir richten uns nicht nur an Akademiker, sondern setzen bewusst auf Zielgruppenlösungen wie MetallRente, KlinikRente oder ChemieRente. So erreichen wir Menschen, die mit der klassischen BU schwer Zugang finden. Für sie gibt es inzwischen deutlich bessere Optionen – sei es über alternative Produkte oder branchenspezifische Modelle. Entscheidend ist, dass diese Lösungen in der Beratung transparent zusammengeführt werden, damit Kunden eine passgenaue Absicherung erhalten.

Ressel: Ich möchte an dieser Stelle noch etwas ergänzen. Es klang eben so, als könnten körperlich Tätige keine BU abschließen oder müssten zwangsläufig auf Alternativen ausweichen. Das sehe ich nicht so. Man muss dabei immer auch nach vorne schauen. Eine Sterbetafel etwa blickt ausschließlich in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft. Aber wir sollten uns fragen: Bleiben körperlich Tätige wirklich dauerhaft körperlich tätig? Oder werden sie künftig durch technische Hilfen und Automatisierung so stark unterstützt, dass körperliche Arbeit gar nicht mehr den gleichen Stellenwert hat wie heute? Ich bin überzeugt: Auch körperlich Tätige können und sollten abgesichert werden.

Kock: Diesen Punkt nehme ich auf. Für mich bleibt klar: Die BU ist die Königsdisziplin der Beratung und sollte immer erster Ansatz sein, weil sie das Risiko am bedarfsgerechtesten absichert. Was ich sagen wollte: Wenn Kundinnen oder Kunden sich das nicht leisten wollen oder können, gibt es inzwischen Alternativen. Sie decken nicht alles ab, schaffen aber finanzielle Lösungen für bestimmte Worst-Case-Szenarien. Und ja: Wenn sich Berufsbilder verändern, verändert sich auch die Risikoeinschätzung. Deshalb gehen unsere Berufskundler regelmäßig in Betriebe, prüfen Arbeitsplätze und bewerten neu. Veränderungen können zu neuen Einstufungen führen. Stand heute gilt jedoch: Körperliche Tätigkeiten bergen deutlich höhere Risiken – und das spiegelt sich in den Beiträgen wider, was dazu führt, dass manche Kundinnen und Kunden sagen: „Nein, das ist mir zu teuer.“

Seite 2: „Die betriebliche Vorsorge kann einen Schlüsselrolle spielen“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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