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Solvency II und „Value for Money“: Wenn Regulierung Strategie wird

Joachim Kaeß, Morgen & Morgen
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Joachim Kaeß, Morgen & Morgen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat Anfang Juli 2025 ihre Erwartungen an Versicherungsunternehmen nochmals deutlich geschärft und dazu einen Fachartikel auf ihrer Website veröffentlicht. Eine zentrale Erkenntnis für die Gesellschaften: Solvency II und „Value for Money“ sind keine getrennten Stränge mehr – sie verschränken sich. Von Joachim Kaeß

Beide Regulierungsansätze zielen darauf, Versicherungsprodukte sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch konsumentenfreundlich zu gestalten. Das hat weitreichende Folgen für die Governance-Strukturen von Versicherern, denn erstmals wird die Unternehmensstrategie aus beiden Perspektiven vernetzt betrachtet und bewertet – Solvenz und Kundennutzen.

Was Governance heute leisten muss

Die Governance-Funktion eines Versicherers muss heute weit mehr leisten als die formale Überwachung von Prozessen. Gefordert ist eine strategische Steuerung des gesamten Produktportfolios, das sowohl zur Kapitalanlagestrategie als auch zu den Zielmarktanforderungen passen muss. Die Erfüllung von Solvenzanforderungen, die Ertragsstärke der Kapitalanlagen mit Blick auf die Risiken und die Leistungsstärke der Produkte im Einzelnen und des Produktportfolios im Gesamten sind im Zusammenhang zu sehen und in all ihren Wechselwirkungen der neue Gegenstand der aufsichtlichen Überwachung.

Im Fokus stehen dabei besonders dynamische Hybridprodukte, die eine neue Komplexität in die Governance bringen. Denn diese beeinflussen auch die nicht fondsgebundenen Lebensversicherungen. Der Fachartikel der BaFin vom Juli 2025 unterstreicht, dass die Kapitalanlagestrategie unmittelbar mit der Produktausgestaltung verwoben ist. Die Governance ist daher gefordert, eine konsolidierte Sicht auf das gesamte Geschäftsmodell zu entwickeln – von der Risiko- bis zur Zielmarktbetrachtung, von der Kapitalausstattung bis zum tatsächlichen Nutzen für die Versicherten.


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Einen wesentlichen blinden Fleck in der strategischen Governance vieler Lebensversicherer sieht die BaFin derzeit in der vorausschauenden Analyse der Auswirkungen dynamischer Hybridprodukte auf den Gesamtbestand. Es zeichnet sich bereits ab, dass diese Produkte mittelfristig einen substanziellen Teil des Portfolios ausmachen werden. Das liegt nahe, da sie einen großen Mehrwert bieten: Sie vereinen Ertragschancen mit Sicherheitskomponenten und schaffen so ein besonders attraktives Chance-Risiko-Profil. Die BaFin weist jedoch darauf hin, dass viele Versicherer bislang keine hinreichend langfristigen Analysen darüber vornehmen, wann Schwellenwerte erreicht werden, die Maßnahmen mit Blick auf den Bestand erfordern. Eine aktive Governance ist also gefordert, um diese Entwicklung frühzeitig zu antizipieren und die dynamischen Hybridprodukte im Gesamtportfolio entsprechend zu managen.

Wo Governance jetzt ansetzen muss

Das verändert auch den Blick auf die Qualität der Produkte. Governance muss nicht nur auf die Einhaltung formaler Anforderungen achten, sondern sich mit der realen Leistungsfähigkeit jedes Produkts und dessen Bedeutung im Portfoliokontext befassen. Welche Rolle spielt ein Tarif für das Gesamtrisiko? Trägt er zur Kapitalbindung bei? Governance wird damit zum Scharnier zwischen Produktsteuerung, Risikomanagement und Marktverantwortung.

Dabei bleibt der Blick auf das einzelne Produkt wesentlich. Denn weder Abstriche beim Kundennutzen noch zielmarktrelevante Produktänderungen werden im Management dieser Gesamtherausforderung akzeptiert. Der Kunde steht im Zentrum aller aufsichtlichen Ansätze. Und entscheidend für den Kunden ist die Qualität und Verlässlichkeit seines Produkts. Der belegte Kundennutzen des einzelnen Produkts ist somit der Startpunkt der Erfüllung aller aufsichtlicher Vorgaben.

Diese neue Komplexität ist mit klassischen Methoden nicht zu bewältigen. Es braucht valide, simulationsbasierte Steuerungsansätze, die beide Welten – Solvabilität und Verbraucherschutz – gemeinsam abbilden können. Hier kommen externe Werkzeuge und Partner ins Spiel.
Morgen & Morgen bietet mit dem etablierten Simulationsmodell Volatium eine Lösung, die seit 15 Jahren zuverlässig regulatorisch belastbare Aussagen zu Altersvorsorgeprodukten liefert. Volatium ermöglicht es, Produkte unter realistischen Kapitalmarktszenarien stochastisch zu simulieren, die Wirkung von Garantien und Umschichtungen zu bewerten und den zu erwartenden Kundennutzen transparent darzustellen.

Unter Berücksichtigung interner Daten der Versicherungsgesellschaften werden die für die Kapitalstärke aussagekräftigsten Faktoren – Reservesituation, Garantiebelastung und Kapitalanlagestrategie – analysiert und im Simulationsmodell in den richtigen Zusammenhang gebracht. Somit ist eine ausgewogene Kapitalstärkebewertung Bestandteil des Modells. Dieser gezielt für die Bewertung von Altersvorsorgeprodukten entwickelte Standard ist exakt das Instrument, das Governance heute benötigt, um Produktentscheidungen fundiert treffen zu können.

Auch die BaFin verweist in ihren Veröffentlichungen zunehmend auf den Bedarf an robusten, marktnahen Modellen, die auch in Stressszenarien valide Aussagen liefern können. Governance-Verantwortliche müssen künftig nachvollziehbar dokumentieren können, wie sie zu ihren Entscheidungen kommen – und mit welchen Szenarien sie die Produkttauglichkeit geprüft haben. Standardannahmen genügen nicht mehr.

Warum externe Partner den Unterschied machen

Wer das Governance-Thema in dieser Tiefe ernst nimmt, wird schnell erkennen, dass es sich hierbei um eine komplexe Aufgabenstellung handelt. Die nötige Rechenkapazität, Modellierungs- und Regulierungskenntnis sowie prozessuale Verankerung verlangen nach spezialisiertem Know-how. Partnerschaften mit erfahrenen Dienstleistern können hier den Unterschied machen – sowohl als technischer Dienstleister, als auch als strategischer Sparringspartner. Morgen & Morgen liefert mit stochastischen Simulationen von Altersvorsorgeprodukten eine fundierte Grundlage für die Bewertung und strategische Ausrichtung einzelner Tarife – und damit des gesamten Produktportfolios.

Volatium ist ein hochleistungsfähiger Simulator, der die gezielte Justierung von Produktmechanismen ermöglicht – sowohl im Hinblick auf Chancen, Risiken, Zielmarktzuordnung und Kundennutzen eines Produkts als auch in Bezug auf dessen Wirkung im Gesamtkontext von Portfolio und Kapitalanlage. Diese Modellierungsbasis unterstützt Versicherer dabei, regulatorische Anforderungen im Produktfreigabeprozess zu erfüllen: Nutzenstiftende Produkte gestalten, zielmarktgerecht vertreiben und deren Rolle im Gesamtportfolio ausgewogen steuern. Gerade für das strategische Management stellt sie daher einen erheblichen Mehrwert dar.

Versicherungsgesellschaften wie auch unterstützende Dienstleister nutzen diese regulatorisch belastbare Grundlage, um Produktentwicklung, Vertrieb und Management mit simulationsgestützten Daten, Analysen und IT-Lösungen zu stärken. Morgen & Morgen bringt seine Expertise gezielt auch in Kooperationen ein. In Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers bündeln beide Unternehmen ihre Stärken: Sie verfügen über exzellente aktuarielle, technologische, regulatorische und strategische Kompetenz. Gemeinsam bieten sie Versicherern bei Bedarf eine umfassende Beratung – orientiert an aufsichtsrechtlichen Anforderungen und den daraus resultierenden strategischen Potenzialen.

Governance als strategische Chance

Am Ende wird sich zeigen: Die Vereinigung von Solvency II und „Value for Money“ in der Governance ist zwar mit zusätzlichem Aufwand verbunden, bietet aber eine große Chance. Sie ermöglicht es Versicherern, ihre Produkte konsequent auf Nutzen und Stabilität auszurichten – und sich zugleich regelkonform und zukunftsfähig im Wettbewerb zu positionieren. In einer Welt wachsender Unsicherheit gewinnt gerade das Vertrauen der Kunden an Bedeutung. Governance, die sich dieser Verantwortung stellt, wird zum echten Wettbewerbsvorteil.

Autor Joachim Kaeß ist Fachreferent Mathematische Finanzmodell bei Morgen & Morgen

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