Studie zur Zukunft der PKV: Hürdenreicher Weg zum Gesundheitsdienstleister

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Digitalisierung, Regulatorik, steigenden Kosten im Gesundheitswesen, unsichere politische Rahmenbedingungen, aber auch der Fachkräftemangel und Kunden, die vor dem Hintergrund immer höherer Lebenshaltungskosten deutlich zurückhaltender agieren. Eine neue Studie zur Zukunft der privaten Krankenversicherer liefert spannende Erkenntnisse über Status Quo, Markttrends und Zukunftspotenziale in der PKV.

84 Prozent der befragten Krankenversicherer sind mit der der Geschäftsentwicklung in der Krankenvollversicherung zufrieden. „Gute Neugeschäftsentwicklungen, der Erfolg neuer Produkte und akzeptable Gesamtbestandsentwicklungen lassen die Branche positiv auf das Geschäftsjahr 2021 zurückblicken“, resümiert Nils Dennstedt, Partner und Insurance Sector Lead bei Deloitte.

Großes Sorgenkind der Anbieter ist und bleibt die Pflegezusatzversicherung. Hier zeigen sich 79 Prozent der privaten Krankenversicherer mit den Entwicklungen unzufrieden.

Pflegezusatzversicherung deutlich hinter den Erwartungen 

Gründe hierfür sind nach Angaben der Gesellschaften schlechte Absatzzahlen, hohe Beitragsanpassungen und unsichere politische Rahmenbedingungen.

Das große Wachstumsfeld sehen die Gesellschaften in den Krankenzusatzprodukten. Immerhin 90 Prozent der Versicherer sehen hier nach wie vor das Wachstumsfeld. Großes Potenzial verspricht zudem die betriebliche Krankenversicherung (bKV) und die dort angebotenen Produkte.

Wettbewerb in der bKV steigt

47 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzten zwei Jahren bereits neue Produkte in der betrieblichen Krankenversicherung eingeführt – der Wettbewerb in diesem Marktsegment steigt. Im Pflegebereich hingegen sind die Krankenversicherer zurückhaltender. Individuelle und geförderte Pflegezusatzversicherungen werden aufgrund der politischen Unsicherheit verhaltener eingeschätzt als noch bei der vorherigen Deloitte-Befragung im Jahr 2020.

PKV bei Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel gefordert

Zwei gesellschaftliche Entwicklungen gewinnen in der Branche an Relevanz: Einerseits die wachsende Nachhaltigkeitsorientierung, mit der vor allem der Umweltaspekt von Kapitalanlagen und Prozessen sowie die soziale Komponente der Produkte ins Rampenlicht rücken.

Andererseits der Fachkräftemangel, der inzwischen auch in der PKV-Branche angekommen ist: 94 Prozent der befragten Gesellschaften befürchten, dass die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften in den kommenden Jahren zur Herausforderung wird. Immerhin dreiviertel der Gesellschaften befürchten, dass der Fachkräftemangel starke bis sehr starke Auswirkungen auf das Geschäft in den kommenden fünf Jahren haben dürften.

„Kostenerstatter“- Das Image hält sich hartnäckig

„Viele der Befragten fühlen sich von ihren Kundinnen und Kunden nach wie vor als „Kostenerstatter“ wahrgenommen. Diese vertrauen in Gesundheitsfragen auf Ärztinnen und Ärzte und binden ihren Krankenversicherer erst spät in den Prozess ein“, erläutert Stefanie Kampmann, Partnerin und Sektor-Leiterin Insurance Consulting bei Deloitte.

Um sich erfolgreich als Gesundheitspartner zu positionieren, müssten Krankenversicherer hingegen frühzeitig das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden gewinnen. „Präventive Serviceangebote können ein Weg sein, langfristige Bindungen aufzubauen und nicht erst im Moment des Leistungsfalls in Erscheinung zu treten“, so die Expertin.

Spannend ist die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Service-Angeboten und deren Nutzung. Laut Deloitte-Umfrage würden bereits angebotene Gesundheitsservices von Kundinnen und Kunden zwar häufig als wichtig erachtet, aber dennoch bislang wenig genutzt.

Dabei variiert die Annahme der Angebote je nach Krankenversicherer. Die Erfolgsmessung der Gesundheitsmanagementaktivitäten beschränkt sich meist auf Befragungen (63 Prozent) und die Auswertung von Nutzerzahlen (47 Prozent). 

Zu wenig Daten für valide Prognosen

Knapp 80 Prozent der Befragten planen „Predictive Analytics“ einzusetzen, um auf Basis von Leistungsdaten ihre Services zu verbessern. Doch erst 21 Prozent haben bereits erste Maßnahmen umgesetzt. Die Datenverfügbarkeit und -qualität sind hierbei die größten Herausforderungen: Bestandsgrößen und Datenmengen einzelner Krankenversicherer sind häufig zu klein, um valide Vorhersagen zu treffen. Regulatorische Vorgaben, wie BaFin-Auflagen oder Datenschutzbestimmungen, stellen zusätzliche Hürden dar.

„Fragt ein Krankenversicherer immer wieder nach der Datenfreigabe, mischt er sich zu sehr bei Behandlungen ein oder werden sogar falsche Prognosen erstellt, kann dies zu geringerer Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden führen“, warnt Kampmann. „Hier sind kundenfreundliche und systematische Ansätze gefragt.“ 

In der Deloitte-Studie wird außerdem deutlich: Die Digitalisierung von Prozessen, IT und Kundenschnittstellen bleibt im Fokus der Versicherer. Vor allem im Leistungsmanagement sehen die Befragten noch digitales Optimierungspotenzial. So planen die Krankenversicherer ihre Dunkelverarbeitung in den nächsten fünf Jahren stark zu erhöhen – auf Zielquoten zwischen 60 und 80 Prozent. Nicht zuletzt in Anbetracht neuer Herausforderungen, wie dem verschärften Fachkräftemangel, bleibt die Digitalisierung eines der zentralen Handlungsfelder für die Zukunft der PKV. 

Deloitte hatte gemeinsam mit dem Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln (IVK) und der Wiesbaden Business School zwischen Mai und August 2022 Entscheidungsträgerinnen und -träger bei 19 privaten Versicherungsunternehmen zu ihrer Positionierung im Geschäftsumfeld befragt. Die Studienteilnehmer repräsentieren 66 Prozent der Bruttoprämien des deutschen PKV-Marktes.

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