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Tierversicherungen: Wachsender Markt mit Potenzial

Christian Prachar
Foto: BarmeniaGothaer
Dr. Christian Prachar, Tierarzt und Produktmanager bei der BarmeniaGothaer: „Es ist bereits jetzt schwierig und wird in den kommenden Jahren nicht eben leichter, Tarife mit angemessen hohem Leistungsumfang zu bezahlbaren Beiträgen an den Markt zu bringen."

Hunde- und Katzenhalter setzen verstärkt auf finanzielle Absicherung, um sich vor hohen Tierarztkosten zu schützen. Für Berater, Makler und Vermittler eröffnet sich hier ein wachsendes Geschäftsfeld mit attraktiven Vertriebsmöglichkeiten. Welche Versicherungen sind für Haustierbesitzer relevant sind und worauf Vermittler achten sollten.

Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal“, sagt ein Sprichwort. Seit 2014 sind auch wir Angestellte. Chilli, so heißt die mittlerweile 13-jährige Dame, gehört zur Familie, schnattert fleißig mit und macht – manchmal auch sehr energisch – eindeutig klar, wohin die Reise gehen soll. Katzenbesitzer wissen, wovon ich spreche. Vor gut sechs Jahren haben wir uns, nach reiflicher Überlegung, für eine Tier-OP-Versicherung und gegen eine Krankenversicherung entschieden. Aus Kostengründen.

So schlägt etwa eine Wundnaht bei Katzen bereits mit rund 300 Euro zu Buche, eine Zahnextraktion mit rund 250 Euro, eine Harnsteinentfernung mit rund 400 Euro oder ein Kreuzbandriss mit 1.700 Euro zu Buche. Waren tierärztliche Behandlungen schon vor dem 22. November 2022 kein Schnäppchen, so hat die seither geltende neue Gebührenordnung für Tierärzte die Behandlungskosten auf ein völlig neues Niveau gehoben. Es war die erste umfassende Neugestaltung seit 20 Jahren. Die Anpassungen waren notwendig, denn auch die Tiermedizin hat sich seit dem Jahr 2000 stark verändert. Viele medizinische Verfahren sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten neu hinzugekommen.

Der medizinische Fortschritt macht auch vor Tieren nicht halt

Laut Statista lebten 2023 rund 10,7 Millionen Hunde und 15,2 Millionen Katzen in deutschen Haushalten – Tendenz steigend. Nach einer Umfrage von Nordlight Research, Hilden, vom November 2022, hatten 30 Prozent aller Hundehalter und 23 Prozent aller Katzenbesitzer eine Tierkrankenversicherung abgeschlossen. Vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Kosten für eine Arztbesuch registriert Christine Schönteich, Geschäftsführerin beim Münchener Maklerpool Fonds Finanz inzwischen eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Hunde- und Katzenversicherungen. „Haustierbesitzer wollen sichergehen, dass ihre vierbeinigen Freunde im Ernstfall optimal versorgt und die Kosten nicht zum Hindernis werden.


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Der Markt für Tierkrankenversicherungen hat sich in den letzten drei Jahren fast vervierfacht, während sich die Tierhaftpflichtversicherung auf einem stabilen Niveau entwickelt. Wir beobachten, dass sich immer mehr Tierbesitzer eine Absicherung der Krankheitskosten wünschen“, sagt Schönteich. Auch die Maklergenossenschaft Vema registriert einen merklichen Anstieg der Nachfrage nach Krankenversicherung für Hunde und Katzen. „Alleine über unsere eigenen Tarifrechner werden Jahr für Jahr mehrere tausend Verträge eingedeckt. Für eine Sparte, die vor zehn Jahren noch als Nischenprodukt für Tierliebhaber angesehen wurde, ist das viel“, sagt Dr. Johannes Neder, Vorstand bei der Vema.

Premium-Absicherung gefragt

„Tierhalter legen großen Wert auf umfassenden Schutz und entscheiden sich überwiegend für leistungsstarke Tarife. Über 90 Prozent unserer Kunden wählen den Premium-Plus-Tarif, unseren umfassendsten Schutz. Zudem entscheiden sich fast drei Viertel der Tierhalter für den optionalen Zahnbaustein“, sagt Eric Bussert, Vertriebsvorstand der Hanse Merkur. Bei dem Hamburger Versicherer übertrifft inzwischen die Nachfrage alle Erwartungen. „Was Trends angeht, beobachten wir eine zunehmende Segmentierung des Angebots. Das lässt sich einfach damit erklären, dass Tierhalter keine homogene Bevölkerungsgruppe sind, sondern ausgesprochen vielfältig aufgestellt, was die individuelle Lebenssituation und die finanziellen Möglichkeiten betrifft. Das spiegelt sich in facettenreichen Angeboten wider – von umfassenden Rundum-sorglos-Paketen bis hin zu Tarifen mit hohen Selbstbehalten als reine „Worst-Case-Absicherung“, wenn zum Beispiel sehr teure Operationen anstehen“, erklärt Sascha Risse, Abteilungsleiter Makler – und Kooperationsvertriebe bei Uelzener Versicherung.

Speziell bei Katzenhaltern sei generell ein Trend hin zur Krankenversicherung für ihre Tiere zu erkennen. „Auch die Nutzung therapeutischer Nachsorge nach chirurgischen Eingriffen oder schweren Erkrankungen erfreut sich zunehmender Beliebtheit, zum Beispiel von Physiotherapie zur Mobilisierung, um die Regeneration zu unterstützen – ganz ähnlich wie bei Menschen“, sagt Risse.

Laut Neder gibt es aber nicht wenige Kunden, die noch nie davon gehört, dass man seine Haustiere krankenversichern kann. „Eine grundsätzliche Offenheit ist fast immer da“, so Neder. „Wenn man in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit hohen Arztrechnungen machen musste, erschrecken Kunden auch nicht vor dem Preis eines Vollschutzes. Da die Tierkrankenversicherung für Hunde oder Katzen je nach gewähltem Umfang schnell eine der teuersten privaten Sachversicherungen in einem Haushalt sein kann, sind die meisten Kunden eher im Feld der zumindest leicht überdurchschnittlichen Einkommen zu finden. Bei aller Tierliebe muss man sich diesen Schutz einfach leisten können“, sagt Neder. Allerdings seien auch einkommensschwächere Personen durchaus zugänglich, wenn das Tier hier eine wesentliche Rolle als „Bezugsperson“ einnimmt. Das ist beispielsweise bei Rentnern zu beobachten“, so Neder.

Tarife werden teuerer

Laut dem Vema-Vorstand hat die neue GOT voll auf die Tarife in der Tierkrankenversicherung durchgeschlagen. So hätten alle Anbieter 2024 die Beiträge deutlich anheben müssen. Vor dem Hintergrund sei aktuell zu früh, um eine Aussage zur Beitragsstabilität treffen zu können. „Da muss sich in den nächsten Jahren erst zeigen, wie belastbar sich die neuen Kalkulationen zeigen“, sagt Neder. „Angesichts der immer besser werdenden diagnostischen und therapeutischen Methoden und der gleichzeitig steigenden Erwartungshaltung der Tierbesitzer an die medizinische Versorgung ihres Vierbeiners wird der Druck auf die Tierkrankenversicherer zunehmen“, sagt Dr. Christian Prachar, Tierarzt und Produktmanager bei der BarmeniaGothaer Krankenversicherung.

„Es ist bereits jetzt schwierig und wird in den kommenden Jahren nicht eben leichter, Tarife mit angemessen hohem Leistungsumfang zu bezahlbaren Beiträgen an den Markt zu bringen, die am Ende auch für den Anbieter noch auskömmlich sind. Die zurückliegenden Beitragsanpassungen, die durch die infolge der neuen GOT gestiegenen Tierarztkosten erforderlich wurden, belegen dies: Betroffen waren und sind hier vor allem die Anbieter mit zuvor eher niedrigen Tarifbeiträgen sowie jene mit einem enorm hohen Leistungsumfang beziehungsweise nur wenigen Leistungsausschlüssen oder -begrenzungen“, erklärt Prachar. Bei allen Tarifneuerungen und Innovationen werde dies zu berücksichtigen sein. „Es ist nicht auszuschließen, dass es hier langfristig am Tierkrankenversicherungsmarkt auch wieder zu gewissen Rückschritten in Bezug auf den Umfang der versicherbaren Leistungen kommen wird“, so Prachar weiter. Erschwerend komme hinzu, dass vor allem große – zumeist von Investoren betriebene – Tierkliniken mittlerweile zunehmend kostenoptimiert arbeiten und bereits bei Aufnahme neuer Patienten einen bestehenden Versicherungsschutz bis hin zur konkreten Tariflinie abfragen, so dass die GOT-konforme Abrechnung sich am Ende eng an der maximalen Erstattungsfähigkeit bewege. „Ein nicht ungefährlicher Trend, der nicht nur den Kostendruck auf die Versicherer erhöht, sondern auch von der Bundestierärztekammer beobachtet und berufsethisch sehr kritisch gesehen wird“, sagt Prachar.

Enormes Potenzial für Vermittler

Das zukünftige Marktpotenzial für Tierversicherungen ist nach Einschätzung von Schönteich vielversprechend. „Die Zahl der Haustierbesitzer nimmt kontinuierlich zu und steigende Tierarztkosten erhöhen die Nachfrage nach finanzieller Absicherung“, sagt Schönteich. Zudem würden Informationskampagnen das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Absicherung für Haustiere stärken und umfassendere, flexiblere Tarife Tierkrankenversicherungen attraktiver machen. Hinzu käme die digitale Transformation mit Services wie Online-Schadensmeldung und Telemedizin. „Sie verbessert die Benutzerfreundlichkeit und steigert ebenfalls die Attraktivität von Versicherungslösungen“, so Schönteich.

Hanse Merkur-Vorstand Bussert sieht in der Tierversicherung enormes Potenzial für Vermittler. „Makler mit einem bestehenden Kundenstamm können mit einem „Wohlfühlprodukt“ punkten, während Makler mit Fokus auf Neukunden eine neue Zielgruppe erschließen. Zugangsmöglichkeiten gibt es viele – von Tierärzten über Hundeschulen bis hin zu Tierschutzorganisationen“, sagt Bussert. Von entscheidender Bedeutung für die Beratung sei die Differenzierung zwischen den Tarifen und Anbietern. „Hier bestehen teils erhebliche Unterschiede, die Makler klar herausarbeiten sollten“, rät der Vertriebsmann. Hinzu kämen die Emotionen: Sie spielen in der Beratung eine große Rolle. „Obwohl die Tierversicherung formal zu den Sachversicherungen zählt, empfinden viele Kunden sie als eine Art private Krankenversicherung für ihr Haustier. Ein empathischer Beratungsansatz schafft hier einen spürbaren Mehrwert und stärkt die Kundenbindung“, resümiert Bussert.

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