Die betriebliche Altersversorgung (bAV) wird von allen Seiten als tragende Säule der Altersvorsorge beschworen – und trotzdem lässt man einen ihrer wichtigsten Durchführungswege systematisch verkommen: die Unterstützungskasse. Sie ist das Stiefkind der Rentenpolitik – reguliert nach Maßstäben aus der Nachkriegszeit, ausgestattet mit Rechengrundlagen aus dem Wirtschaftswunder und zunehmend dysfunktional für moderne Arbeitgeber.
Der absurde Status quo: 1946 lässt grüßen
Beginnen wir mit einem nüchternen Fakt: Die steuerliche Förderung pauschaldotierter Unterstützungskassen basiert noch immer auf Vervielfältigertabellen, die auf Sterbetafeln und einem Rechnungszins von 5,5 Prozent aus dem Jahr 1946 beruhen. Diese Zahlen sind älter als die Bundesrepublik. Während wir in der Unternehmensbewertung, im Finanzwesen und in der Bilanzierung längst mit marktangepassten, dynamischen Parametern arbeiten, hält der Gesetzgeber hier krampfhaft an einem System fest, das weder zur Realität auf dem Kapitalmarkt noch zur heutigen Lebenserwartung passt.
Die Folge: mittelständische Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden eine Versorgung über die Unterstützungskasse ermöglichen wollen, werden ausgebremst. Die steuerlich ansetzbaren Beiträge sind zu gering, die Kalkulationsgrundlagen zu starr. Diese Schieflage benachteiligt nicht nur Arbeitgeber, sondern untergräbt das Vertrauen in ein zentrales Element der bAV – und das völlig unnötig.
Politisches Wegsehen als Grundproblem
Was wir hier erleben, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis jahrelanger politischer Ignoranz gegenüber der zweiten Säule der Altersvorsorge. Während sich die öffentliche Debatte um Haltelinien, Frühstartkonten und Aktivrenten dreht, bleiben reale Entlastungshebel für die Rentenkasse ungenutzt – weil ihre Modernisierung weniger Schlagzeilen produziert.
Dabei wäre die Lösung simpel: Der Rechnungszins für die steuerliche Bewertung muss – analog zu § 6a EStG – endlich marktgerecht gesenkt werden. Die veralteten Sterbetafeln müssen durch die Heubeck-Richttafeln 2018 G ersetzt werden. Alles andere ist systematischer Realitätsverlust.
Undurchsichtige Komplexität statt pragmatischer Modernisierung
Die politische Untätigkeit wird begleitet von einem gefährlichen Nebeneffekt: Die Unterstützungskasse wird für Arbeitgeber zunehmend zum Risiko. Die Diskrepanz zwischen handels- und steuerrechtlicher Bewertung sorgt nicht nur für Bilanzierungsprobleme, sondern schafft eine Unsicherheit, die viele Unternehmen in die Arme der Versicherungswirtschaft treibt – mit teils intransparenten, teuren Produktlösungen, die nicht im Sinne der Beschäftigten sind.
Besonders fatal ist das für kleine und mittlere Unternehmen, denen ohnehin oft die personellen Ressourcen und die juristische Beratung fehlen, um sich durch den regulatorischen Dschungel zu kämpfen. Hier verschenkt die Politik eine enorme Chance zur Verbreitung der bAV im Mittelstand – und konterkariert gleichzeitig das eigene Ziel, die Altersvorsorge zu stärken.
Was sich ändern muss – und zwar jetzt
Es braucht endlich ein Update für die Unterstützungskasse:
- Runter mit dem Rechnungszins: Der pauschale 5,5-Prozent-Zins ist wirtschaftlich realitätsfern. Eine marktnahe Absenkung würde zu einer faireren Dotierung führen.
- Aktualisierung der Sterbetafeln: Die längst überfällige Umstellung auf die Heubeck-Richttafeln 2018 G ist ein Muss.
- Vereinfachung der rechtlichen Grundlagen: Die Anlage 1 zu § 4d EStG gehört überarbeitet. Klar, verständlich, digital verfügbar – das wäre ein erster Schritt zu mehr Akzeptanz.
- Fokus auf KMU-taugliche Lösungen: Wer die Verbreitung der bAV will, muss den Mittelstand mitdenken. Ohne Bürokratieabbau und transparente Gestaltungsmöglichkeiten wird das nicht gelingen.
Wer es mit der bAV ernst meint, muss bei der Unterstützungskasse anfangen
Solange wir die Förderung betrieblicher Altersvorsorge auf den Stand der 40er Jahre begrenzen, brauchen wir uns über mangelnde Verbreitung nicht wundern. Die Unterstützungskasse hat das Potenzial, ein flexibles, arbeitgebernahes und vor allem wirtschaftlich sinnvolles Versorgungsinstrument zu sein – wenn man sie lässt.
Statt weiter auf Scheinlösungen und neue Etiketten zu setzen, sollten sich die politischen Entscheidungsträger endlich den Grundlagen widmen. Die Reform der Unterstützungskasse ist keine technische Nebensache. Sie ist ein Lackmustest dafür, wie ernst es dieser Regierung mit der viel beschworenen „Stärkung der bAV“ wirklich ist.
Alexander Siegmund ist Experte für betriebliche Altersversorgung. Der Gründer und Geschäftsführer der KPM Pension & Benefits GmbH und gestaltet seit über 25 Jahren die Branche als Rentenberater, Betriebswirt bAV und Master of Pension Management aktiv mit.