„Wir würden nicht in eine Währung investieren, die zur Hölle fährt”. Mit diesen drastischen Worten gab Warren Buffet beim 60. Aktionärstreffen seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway Anfang Mai seiner Sorge um den US-Dollar Ausdruck. Buffet ist bekanntlich ein Mythos – und der Dollar war es bisher auch. Im Gegensatz zum legendären Investor wird der Mythos der US-amerikanischen Währung aktuell aber zunehmend in Frage gestellt. Wie so vieles wird dies in der Öffentlichkeit vor allem mit Donald Trump in Verbindung gebracht. Seit seiner Wahl im November 2024 hat der Dollar (Stand 15.08.) gegenüber dem Euro etwa 6,9 Prozent an Wert verloren, seit Amtsantritt von Trump am 20. Januar sogar rund 12,2 Prozent. Es mag auf den ersten Blick naheliegend sein, diese Entwicklung auf die als erratisch wahrgenommene Wirtschaftspolitik der US-Regierung zurückzuführen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Trump ist auch ein Katalysator für einen tieferliegenden, strukturellen Trend, der die unangefochtene Stellung des US-Dollars als globale Leit- und Reservewährung perspektivisch abschwächen wird.
Der US-Dollar ist mehrfach einzigartig
Die bisherige Einzigartigkeit des US-Dollars bezieht sich gleich auf mehrere Dimensionen. Er ist zum einen die zentrale Währung, in der die Preise vieler Handelsgüter, Dienstleistungen und Finanzkontrakte gebildet werden. Prominente Beispiele sind der Gold- und der Ölpreis. Er ist zum zweiten die wichtigste Währung, in der grenzüberschreitende Transaktionen abgewickelt werden. Zum Dritten war der US-Dollar bisher immer auch ein anerkannter Wertspeicher – das Vertrauen in seine Stabilität, sein Ruf als „sicherer Hafen“ hat ihn zur dominanten Reservewährung gemacht. Als Vehikel für den weit überwiegenden Teil der Dollar-Reserven dienten dabei US-Staatsanleihen. Insofern ist das Vertrauen in den US-Dollar sehr eng mit jenem in die US-Treasuries verknüpft.
Als nun im Frühjahr vor dem Hintergrund der Politik von Donald Trump der Dollar-Kurs abzurutschen begann, setzten sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Kapitalmarktkreisen Diskussionen über das Ende der Dollar-Dominanz ein. Es spricht perspektivisch einiges für einen zumindest moderaten Rückgang dieser Dominanz. Einer der Hauptgründe für diese These ist die im Zuge des Großmachtwettbewerbs nachlassende Globalisierung. Denn die über einen längeren Zeitraum mehr oder minder unbeschränkte Globalisierung des Handels und der Finanzmärkte war überhaupt erst der Grund, warum der US-Dollar fast unverzichtbar geworden ist.
Die Herausbildung machtpolitischer und wirtschaftlicher Sphären rund um die USA einerseits und China anderseits wird deshalb in den nächsten Jahren die Vorteile der Nutzung des US-Dollars reduzieren. China und seine verbundenen Länder dürften alles daransetzen, die Abhängigkeiten von den USA generell und damit auch vom US-Dollar zu reduzieren, sprich: Es wird weniger Globalisierung und damit weniger Nutzer geben. Angesichts des wenig diplomatischen Auftretens der Trump-Regierung in den vergangenen Monaten ist aber auch bei langjährigen Verbündeten der USA wie beispielsweise Europa davon auszugehen, dass sie ein Problembewusstsein entwickeln und nach mehr Unabhängigkeit streben werden.
Der Punkt ist: Die Dollar-Dominanz ist derart groß, dass dieser Ablösungsprozess viel Zeit braucht. Ähnliches gilt für bestimmte unterliegende Faktoren, die mitbestimmend sind für die Bedeutung der US-Währung. Dazu gehören beispielsweise die Größe und Liquidität des US-Kapitalmarkts, insbesondere mit Blick auf Staatsanleihen. Zumindest kurz- bis mittelfristig sind die Treasuries für die Finanzmärkte fast alternativlos. Deshalb ist von einem sehr langsamen, stetigen Prozess sinkender Dominanz auszugehen.
US-Dollar als „(un)sicherer Hafen“
Etwas anders verhält es sich mit der Rolle des Dollars als Wertspeicher und „sicherer Hafen“. Denn eine zentrale Grundlage dafür ist Vertrauen – in die Stabilität der US-Währung und der Treasuries sowie in das, was wiederum deren Stabilität bisher garantiert hat. Donald Trump hat in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit einiges dafür getan, dieses Vertrauen zu gefährden. Dazu gehören die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Notenbank Federal Reserve, aber auch die immer weiter steigende Verschuldung der USA. Die Vereinigten Staaten sind schon seit längerem auf einem nicht nachhaltigen fiskalischen Pfad, und die jüngsten Haushaltsbeschlüsse lassen nicht erwarten, dass sich das unter Donald Trump ändern wird – im Gegenteil. Hinzu kommen die Attacken der „Make America Great Again“-Bewegung auf andere politische Institutionen der USA, vor allem die Justiz, aber auch die Universitäten und die Presse, die das Vertrauen ebenfalls negativ beeinflussen. Es bestehen wenig Zweifel, dass diese Mischung grundsätzlich geeignet ist, einen tiefen Vertrauensverlust auszulösen. Offen ist, in welchem Ausmaß er bereits eingetreten ist und einen Teil der Schwankungen im Dollar-Kurs erklären kann. Bislang haben ausländische Zentralbanken ihre US-Dollar-Devisenreserven beziehungsweise ihre Bestände in US-Treasuries offenbar nicht beschleunigt abgebaut. Insofern dürfte die Ursache für die Dollar-Schwäche eher bei ausländischen privaten Investoren liegen.
Seit der erneuten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gibt es gewisse Zweifel, ob sich die überproportionale Stärke der US-Wirtschaft im Allgemeinen und vieler Unternehmen sowie deren Aktien im Besonderen – zumindest auf dem bisherigen Niveau – fortsetzen wird. Ende 2024 begannen deshalb unter anderem Umschichtungen von US- in europäische Aktien. Plötzlich war die Kursentwicklung hiesiger Unternehmen häufig besser als die der US-Firmen. Mit Amtsantritt von Trump erhielt die Skepsis zusätzliche Nahrung. Insbesondere die Handelspolitik der neuen Regierung führte dazu, dass die Wachstumsprognosen für die US-Wirtschaft deutlich zurückgenommen wurden. Parallel passierten noch zwei weitere Dinge: Zum einen zeichnete sich in Europa nach Jahren der Stagnation ein wirtschaftlicher Stimmungsumschwung ab, ausgelöst unter anderem durch die Bereitschaft der neuen deutschen Bundesregierung, in großem Umfang Infrastruktur- und Verteidigungsinvestitionen durch zusätzliche Schulden zu finanzieren. Zum anderen bekam der US-Hype rund um Künstliche Intelligenz (KI) durch die Markteinführung des chinesischen KI-Modells „DeepSeek“ einen deutlichen Dämpfer, weil damit klar wurde, dass die US-KI-Unternehmen ernstzunehmende Konkurrenz haben. In Summe ließen diese Entwicklungen zumindest zwischenzeitlich daran zweifeln, dass US-Aktien stets bessere Renditen abwerfen als ihre Pendants aus anderen Teilen der Welt.
An dieser Stelle kommt wieder die US-Währung ins Spiel. Der Dollar galt lange als sicherer Hafen in Krisenzeiten, sprich: wenn Aktien fielen, stieg er eher an oder blieb zumindest stabil. Diese „eingebaute Absicherung“ ist einer der Gründe, warum US-Aktienportfolios ausländischer Investoren bislang häufig nicht gegen Währungsschwankungen abgesichert wurden. Zuletzt war dieser Zusammenhang allerdings nicht mehr gegeben. US-Aktien setzten zu einer Erholung an und entwickelten sich (in US-Dollar) nicht mehr schwächer als europäische Werte, häufig sogar wieder besser. Fundamental betrachtet ist das nicht verwunderlich, denn die Gewinnererwartungen der US-Unternehmen sind nach wie vor positiv und höher als die von europäischen Unternehmen. Auch die einschlägigen Tech- und KI-Werte waren jüngst wieder verstärkt gefragt. Was sich jedoch nicht wieder erholt hat, ist der Dollar-Kurs. Zu vermuten ist, dass dies unter anderem mit einer vermehrten Absicherung des Dollar-Währungsrisikos zu tun hat.
Worauf müssen Anleger achten?
Der Dollar wird also mittel- bis langfristig einen Teil seiner globalen Dominanz einbüßen. Anleger sollten aber unterscheiden zwischen langfristigen, strukturellen Entwicklungen und kurzfristiger Volatilität. Die perspektivisch zu erwartende Erosion der Dollar-Dominanz alleine ist keine Erklärung für starke kurzfristige Schwankungen. Letztere zeigen, dass das Vertrauen in den Dollar als „sicherer Hafen“ in Krisensituationen aktuell angekratzt ist. In der Vergangenheit waren die US-Institutionen immer ein Garant für Stabilität. Die Turbulenzen im April, dem Beginn des Zollkonflikts, haben jedoch gezeigt, dass die US-Regierung unter Trump im Zweifelsfall nicht mehr immer der Stabilitätsanker ist, sondern im Gegenteil zwischenzeitlich sogar die Ursache von Marktturbulenzen sein kann. Trumps Frontalangriff auf die Institutionen erhöht das Risiko, dass es in Zukunft häufiger zu solchen Momenten kommt.
Autorin Sandra Ebner ist Senior Economist bei Union Investment.