Verbot von „Payment For Order Flow“ kommt

Außenansicht vom Europäischen Parlament in Brüssel
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Außenansicht vom Europäischen Parlament in Brüssel

Mitte Januar hat das Europäische Parlament nach mehreren Jahren der Verhandlung weitreichende Änderungen an sowohl der Verordnung als auch der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR und MiFID II) beschlossen. Gastbeitrag von Detmar Loff und Tobias Bauerfeind, Ashurst

Ein großer Streit- und Kritikpunkt war hierbei das sogenannte „Payment For Order Flow“ (PFOF). Mittels nur eines Absatzes im neu eingefügten Artikel 39a MiFIR verbietet die EU das PFOF-System für Ausführungsgeschäfte mit Privat- sowie hochgestuften (sogenannte opt-up) professionellen Kunden. Die Praxis des PFOF ist vor allem bei Retail- bzw. Neo-Brokern beliebt, welche für die Zuleitung von Aufträgen an einen bestimmten Handelsplatz Zuwendungen (im Sinne von Rückvergütungen) erhalten. Diese Vorgehensweise erlaubt die unmittelbar vom Kunden zu tragenden Kosten gering zu halten.

Die geänderte MiFIR tritt grundsätzlich bereits 20 Tage nach der in Kürze zu erwartenden Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Allerdings sieht der Verordnungstext eine optionale Ausnahme vor. Danach können Mitgliedstaaten (wie zum Beispiel Deutschland), in denen PFOF derzeit noch gelebte Praxis ist, eine Übergangsphase bis zum 30. Juni 2026 vorsehen, zumindest gegenüber inländischen Kunden. Diese Bestimmung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen muss jeder Mitgliedstaat aktiv tätig werden, um eine quasi sofortige Untersagung von PFOF-Geschäftsmodellen zu verhindern; zum anderen ist fraglich, inwieweit die Beschränkung nur auf inländische Kunden mit den EU-Grundfreiheiten in Einklang zu bringen ist.

Das PFOF-Verbot bezieht sich auf die Zuleitung eines Kundenauftrags an einen „bestimmten“ Handelsplatz, was insoweit Anwendungs- und Auslegungsspielräume eröffnet. Von der allgemeinen Diskussion rund um Zuwendungsverbote durch die Retail Investment Strategy bleibt das Verbot zunächst unberührt; obwohl diese Zahlungen als solche anzusehen sind.

Die EU begründet ihr Vorgehen dann auch nicht etwa über ein Zuwendungsverbot, sondern mit den Zielen der bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (sogenannte „Best Execution„), also damit, dass Wertpapierfirmen bei der Ausführung von Aufträgen unter Berücksichtigung des Kurses, der Kosten, der Schnelligkeit, der Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abwicklung des Umfangs, der Art und aller sonstigen, für die Auftragsausführung relevanten Aspekte alle hinreichenden Maßnahmen ergreifen, um das bestmögliche Ergebnis für ihre Kunden zu erreichen.

Aus diesem Grund sollen, so die EU, Wertpapierfirmen den Handelsplatz bzw. die Gegenpartei für die Ausführung ihrer Kundenaufträge ausschließlich auf Basis der bestmöglichen Ausführung für ihre Kunden auswählen. Es sei mit dem Grundsatz der bestmöglichen Ausführung unvereinbar, dass eine Wertpapierfirma, wenn sie im Namen ihrer Kleinanleger oder hochgestuften professionellen Kunden handelt, von einem Dritten eine Vergütung, eine Provision oder eine nicht-monetäre Zuwendung für die Ausführung von Kundenaufträgen an einem bestimmten Ausführungsplatz oder für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an einen Dritten zur Ausführung an einem bestimmten Ausführungsplatz erhält. Die EU sieht hierin einen Interessenkonflikt, denn die Vermittler entscheiden sich nach ihrer Lesart (ausschließlich) für solche Handelsplätze, die ihnen die höchsten Rückvergütungen einbringen, was die Best Execution-Regeln verletze und damit zulasten der Kunden gehe.

Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage gestellt

Bemerkenswerterweise – und anders als die Retail Investment Strategy – gilt das PFOF-Verbot nicht lediglich für Retail-Kunden, sondern auch für hochgestufte (optup) professionelle Kunden. Dies soll augenscheinlich verhindern, dass Wertpapierfirmen ihre Privatkunden reihenweise zu professionellen Kunden hochstufen, um so das Verbot nicht zur Entfaltung kommen zu lassen – wie seinerzeit bei Einführung des Anlageberatungsprotokolls zu beobachten war.

Viele Marktteilnehmer und -beobachter hatten wohl bis zuletzt gehofft, die EU würde insoweit nicht ernst machen und sich darauf beschränken, mit den finalen Anpassungen der MiFIR lediglich für mehr Transparenz bei verfügbaren Marktdaten zu sorgen (mittels des sogenannten „Consolidated Tape„).

Die EU aber möchte der „kontroversen“ Praxis nun ein Ende setzen. Dabei herrscht nicht einmal unter den europäischen Aufsichtsbehörden dahingehend Einigkeit, ob und inwieweit das PFOF-System Kunden wirklich schadet. Zwar teilt die deutsche Finanzaufsicht BaFin grundsätzlich die Bedenken ihres europäischen Pendants ESMA; ein pauschales Verbot aber lehnt sie ab.

In ihrer Studie zur Ausführungsqualität an ausgewählten deutschen Handelsplattformen aus April 2022 kommt die BaFin vielmehr zu einem differenzierten Ergebnis. Bei kleinvolumigen Kundenaufträgen sei die Ausführung über PFOF-gewährende Handelsplätze überwiegend vorteilhafter als an den Referenzmärkten. Zwar würden diese Vorteile bei höher volumigen Transaktionen verlorengehen; allerdings könne nicht festgestellt werden, ob PFOF die Ursache der festgestellten Unterschiede sei.

Entsprechend groß sind Unverständnis und die vielfach geäußerte Kritik, insbesondere auf Seiten der Marktteilnehmer. Denn das PFOF-Verbot stellt das Geschäftsmodell vieler Retail- und Neo-Broker in seiner heutigen Form ganz grundlegend infrage. Ohne diese Zahlungsströme müssen betroffene Unternehmen ihre Erträge zukünftig (und gegebenenfalls kurzfristig) an anderer Stelle generieren. Mit entsprechender rechtlicher Beratung lassen sich die Geschäftsmodelle jedoch zukunftssicher auf- bzw. umstellen. In jedem Fall sollten Betroffene hiermit zeitnah beginnen.

Dr. Detmar Loff ist Partner bei der internationalen Anwaltssozietät Ashurst in Frankfurt im Bereich Regulatory und leitet die deutsche Aufsichtsrechts- und Investmentfondspraxis. Dr. Tobias Bauerfeind ist Senior Associate im Bereich Finance und Mitglied der deutschen Regulatory-Praxis.

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