Versicherer gehen gestärkt aus Pandemie, Inflation und Konflikten hervor

Foto: Plenum Investments
Rötger Franz ist Portfoliomanager bei Plenum Investments

Die europäischen Versicherer sind trotz Corona-Pandemie, Inflation und dem Ukraine-Krieg solide aufgestellt. Fast ein Drittel der Versicherer meldet Solvenzquoten über Zielbandbreite. Auch die Folgen des Ukraine-Krieges sind für die Versicherer weniger stark, als erwartet. Aufgrund immer höherer Schäden durch Naturkatastrophen dürften die Rückversicherungsprämien tendenziell eher steigen. Das zeigt eine Analyse des Schweizer Anlageberaters Plenum Investments.

„Die Berichtssaison H1/22 für die europäischen Versicherer ist abgeschlossen und die Ergebnisse sind unserer Ansicht nach ein Zeichen der Stärke für diesen Sektor. Die Mehrheit der Emittenten in unserem Anlageuniversum übertraf die Analystenerwartungen und ihre Kapitalisierung stieg weiter an. Die Inflation hat – mit Ausnahme der britischen Kfz-Versicherer – keine schwerwiegenden Auswirkungen auf den Sektor, und wie wir bereits geschrieben haben, führten höhere Zinsen zu einer Verbesserung der Solvency-II-Positionen“, schreibt Plenum Investment-Portfoliomanager Rötger Franz. Das aktive Kapitalmanagement sei nach wie vor eine der Hauptstärken des Sektors.

„Die derzeitige Ausweitung der Renditen bei Versicherungsanleihen ist aus unserer Sicht eine Kaufgelegenheit, bei der bessere Qualität zu historisch hohen Renditeniveaus verfügbar ist. Die meisten Versicherer in unserem Anlageuniversum verzeichneten im Bereich Property & Casualty (P&C) ein Prämienwachstum im oberen einstelligen Bereich, das auf höhere Tarife, eine sich erholende Wirtschaftstätigkeit und Inflationseffekte zurückzuführen ist. In der gesamten Branche wirkten sich die höheren Tarife leicht positiv auf die versicherungstechnischen Ergebnisse aus. Dies wurde teilweise durch eine höhere Schadenhäufigkeit neutralisiert, da sich die Wirtschaftstätigkeit mit dem Abklingen der Pandemie allmählich wieder normalisiert“, so Franz.

Auch die wetterbedingten Schäden blieben relativ hoch, insbesondere in Frankreich, wo sie sich erheblich auf die versicherungstechnischen Ergebnisse auswirkten. Mehrere Versicherer hätten während der Pandemie sehr vorsichtig reserviert und zusätzliche Reservepuffer gebildet. Diese würden nun schrittweise aufgelöst und trügen zur Glättung der Ergebnisse bei. „Wir sehen jedoch keinen allgemeinen Trend zu höheren Reserveauflösungen“, sagt der Portfoliomanager.

Höhere Rückversicherungsprämien, höhere Katastrophenschäden

Für 2022 erwarteten die Rückversicherer aufgrund steigender Prämien mit einem guten Jahr 2022. Die die tatsächlichen Ergebnisse fielen hingegen eher gemischt aus. „Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück übertrafen die Konsenswerte, während Scor den Markt enttäuschte. Die Prämieneinnahmen stiegen weiter an, da die Emittenten ihr erhebliches Überschusskapital während der schwierigen Marktlage wieder in das Geschäft investierten“, so Franz weiter.

„Die Combined Ratios im Teilsektor Rückversicherung verschlechterten sich tendenziell aufgrund höher als erwarteter Katastrophen- und Großschäden in Europa. Nur die Münchener Rück wies Katastrophenschäden auf, die innerhalb ihres Katastrophenbudgets lagen. Hannover Rück und Scor meldeten im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern relativ hohe Schäden aufgrund der Dürre in Brasilien. Wir stellen außerdem fest, dass Scor die strategische Entscheidung getroffen hat, ihre Exponierung gegenüber Naturkatastrophen, insbesondere im Golf von Mexiko, zu reduzieren, um die Ertragsvolatilität zu verringern“, sagt Franz.

Die Schäden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bleiben begrenzt, aber die Schätzungen für Q1/22 wurden in Q2/22 nach oben korrigiert. Die Unsicherheit in Bezug auf das Luftfahrtgeschäft bleibt bestehen, da bisher kein Rückversicherer in unserem Anlageuniversum ausdrücklich für Luftfahrtschäden reservierte. Das Ausmaß der durch den Ukraine-Krieg verursachten Branchenverluste wird inzwischen allgemein als eher am unteren Ende der Spanne von zehn bis 20 Milliarden US-Dollar eingeschätzt, glaubt der Analyst.

Kapitalisierung steigt

Die Solvency-II-Positionen der Versicherer sind nach wie vor sehr stark, und die steigenden Zinsen haben die Solvency-II-Position der einzelnen Versicherer verbessert. „Fast ein Drittel der Versicherer in unserem Anlageuniversum meldete in H1/22 Solvency-II-Quoten über ihren jeweiligen Zielbandbreiten, was den Handlungsspielraum des Kapitalmanagements im Hinblick einer möglichen Eintrübung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes erhöht“, sagt Rötger Franz.

Drei Viertel der Versicherer meldeten steigende Solvency-II-Positionen in H1/22, wobei in den meisten Fällen die Zinssätze der Hauptfaktor waren. Klare Ausreißer seien die österreichischen und französischen Akteure, was bis zu einem gewissen Grad auf ihren Geschäftsmix zurückzuführen ist. „Chesnara ist ein weiterer Ausreißer, hat aber vor kurzem eine Anleihe platziert, um das zusätzliche Kapital für Fusionen und Übernahmen zu verwenden. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Solvency-II-Quote zu gegebener Zeit wieder normalisieren wird“, so Franz.

Die Allianz habe ihr Aktienrückkaufprogramm trotz eines Rückgangs der Solvency-II-Quote vollständig durchgeführt. Dennoch liege die Solvency-II-Quote weiterhin bei 200 Prozent und damit über dem Mindestziel von 180 Prozent. „Wir rechnen nicht mit weiteren Maßnahmen vor Jahresende“, so Franz.

„Aviva meldete einen Rückgang der Solvency-II-Position, der auf eine Kapitalrückgabe in Höhe von 3,75 Milliarden GBP über das B-Share-Programm zurückzuführen ist, das nach Abschluss der Veräußerung vor allem des französischen und italienischen Geschäfts initiiert wurde. Darüber hinaus führte der Emittent in H1/22 ein Aktienrückkaufprogramm im Wert von eine Milliarde GBP durch, und ein Schuldenabbauprogramm in Höhe von eine Milliarde GBP ist im Gange.

Auf Pro[1]Forma-Basis stieg die Solvency-II-Quote in H1/22 von 186 Prozent auf 213 Prozent und lag damit weit über dem Zielbereich von 160 bis 180 Prozent. Der Emittent hat bereits seine Absicht angekündigt, nach den Ergebnissen des GJ22 ein neues Aktienrückkaufprogramm zu starten, so dass in der Zwischenzeit ein erheblicher Kapitalpuffer verbleibt“, so Franz abschließend.

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