Atradius: „Vor Corona war die Insolvenz ein Makel. Das hat sich jetzt geändert“

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Bildagentur PantherMedia / Markus Mainka
Vor Corona war Insolvenz ein Makel. Das hat sich jetzt geändert.

Im Januar wuchs die Zahl der Unternehmenspleiten gegenüber dem Vorjahresmonat um 26 Prozent, im Februar legte die Zahl gegenüber dem Vergleichszeitraum um 18 Prozent zu und auch im März dürfte der Anstieg bei rund 13 Prozent liegen. Obwohl aktuell größere Unternehmen die Segel streichen müssen, sieht der Kreditversicherer Atradius keinen Grund zur Sorge.

Im vergangenen Jahr meldeten 17.800 Firmen in Deutschland Insolvenz an. Eine Zahl, die nach Ansicht des Kreditversicherers Atradius auch in diesem Jahr „mindestens“ wieder erreicht wird. Betroffen sind, so Atradius, Unternehmen aller Größenordnung, die nicht über ausreichende Liquiditätspuffer verfügen. Grund sei, dass während der Corona-Krise hunderte Milliarden Euro an Unternehmenshilfen in den Markt geflossen seien – und auch an Firmen, die schon vor Corona unter Druck standen und nur durch diese Hilfe weiter am Markt bleiben konnten.


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Nach dem Auslaufen der Hilfen, der Fälligkeit der Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau, und vor dem Hintergrund hoher Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferkettenproblemen würden diese ohnehin schwächelnden Firmen verstärkt in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Verstärkt werde die Entwicklung durch die gestiegenen Finanzierungskosten seitens der immer restriktiver agierenden Banken, betont der Kreditversicherer weiter.

Entspannung erst 2025?

Zudem werde der Druck durch höhere Zinsen in diesem Jahr anhalten und könnte sich angesichts der verzögerten Wirkung der Geldpolitik erst 2025 entspannen, erwartet der Kreditversicherer. So zeigten die jüngsten Erhebungen der Banken über die Kreditvergabe in den USA und in der Eurozone, dass in den kommenden Monaten mit einer weiteren Verschärfung der Kreditvergabestandards für Unternehmen rechnen. Dies dürfte den Druck auf die Unternehmen zusätzlich erhöhen.

„Die Poly-Krisen aus Strom- und Rohstoffpreise, geopolitischen Krisen, Inflation und hohen Zinsen führen zu einer Konsolidierung der Wirtschaft“, sagt Dietmar Gerke, Leitung SRM beim internationalen Kreditversicherer Atradiusnd ergänzt: „Für eine gesunde Entwicklung der Wirtschaft gehören Insolvenzen dazu.“ Die Frage sei, in welchem Umfang?

Alte und neue Problembranchen

Besonders gefährdet sind nach Ansicht von Atradius wie im Jahr 2023 der Bereich Automotive -und hier insbesondere die Zulieferer – der Gebäude- und Immobiliensektor, die Textilindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau und die Bauindustrie. „Insbesondere die Unternehmen aus der Bau- und Bauzuliefererindustrie werden uns 2024 beschäftigen“, erwartet Gerke. Insbesondere bei kleineren Unternehmen der Baubranche erwartet der Experte eine massive Marktbereinigung.

Neues Sorgenkind könnte aus seiner Sicht auch der Gesundheitsbereich werden. So gebe es erstmals auch kirchliche Krankenhäuser, die in die Insolvenz gingen. Auch in der Papierbranche, insbesondere bei den Herstellern von Druckerzeugnissen werde sich nach seinen Worten viel tun. Ein Grund sei, dass immer mehr Unternehmen auf den Druck von Katalogen, Prospekten oder Fotopapier verzichteten. 

Forderungen der Gläubiger steigen

Im vergangenen Jahr stiegen die Forderungen der Gläubiger aus den Unternehmensinsolvenzen gegenüber 2022 von 14,3 auf 26,6 Milliarden Euro. Laut Atradius soll diese Zahl auch 2024 nicht sinken. Der Kreditversicherer geht davon aus, dass die Zahl der Großinsolvenzen von Unternehmen mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz in diesem Jahr steigen wird. Bei der Gesamtzahl der Insolvenzen hält Atradius dagegen eine moderate Entwicklung gegenüber dem Vorjahr für denkbar.

„Ich erwarte keine Insolvenzwelle in diesem Jahr“, sagt Atradius-Manager Gerke. Für dieses Jahr rechnet der Kreditversicherer Atradius insgesamt mit einer Stagnation der Insolvenzentwicklung gegenüber 2023 und erwartet 2025 einen Rückgang der Unternehmenspleiten um rund drei Prozent. 

Insolvenz als Restrukturierungsinstrument

Positiv ist laut Gerke, dass die Insolvenz seit Corona zunehmend als Restrukturierungsinstrument genutzt werde – oft erfolgreich. „Vor Corona war die Insolvenz ein Makel. Das hat sich jetzt geändert“, so Gerke. Wichtig sei es, frühzeitig Dritte hinzunehmen, die einen Blick auf das Unternehmen, die Struktur und die Finanzen werfen. „Eigentlich ist es schon zu spät, wenn man über Liquiditätsmaßnahmen reden muss.“ Aus seiner Sicht ist die Erfolgschance bei einem frühzeitigen Erkennen der Probleme groß, die Restrukturierung auch ohne Insolvenz gelinge.

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