Die Diskussion um Agentic AI markiert einen Wendepunkt für die Branche. Im Unterschied zu herkömmlicher generativer KI können diese Systeme Aufgaben planen, ausführen und überprüfen. Besonders im Underwriting sowie im Kundenservice zeigt sich das Potenzial, Daten schneller zu bündeln und Entscheidungen vorzubereiten. In der Schadenbearbeitung führt dies zu mehr Automatisierung, was Bearbeitung und Transparenz beschleunigt. Gleichzeitig wird deutlich, dass veraltete Kernsysteme die Nutzung moderner KI-Anwendungen bremsen.
Der Guidewire-Manager verweist darauf, dass moderne Systemlandschaften den Mitarbeitenden helfen, effizienter zu arbeiten. Zudem steigert es laut Fanenbruck die Attraktivität der Versicherer als Arbeitgeber. Laut der europäischen Verbraucherumfrage 2025 von Guidewire sehen 44 Prozent der deutschen Befragten die Branche als innovativ, gegenüber 40 Prozent im letzten Jahr.
Klimarisiken und steigende wirtschaftliche Verluste
Der Klimawandel bleibt ein dominantes Risikofeld. Die wirtschaftlichen Verluste durch Extremwetter stiegen laut der Europäischen Umweltagentur von jährlich durchschnittlich 8,6 Milliarden Euro in den Jahren 1980 bis 1989 auf 44,9 Milliarden Euro in der Periode 2020 bis 2024. Zwischen 2009 und 2024 ergibt sich damit ein Anstieg von 54 Prozent. Parallel wächst die Schutzlücke, die in Deutschland aktuell bei 37 Prozent liegt.
Versicherer verbessern daher ihre Klimarisikomodelle. Der Markt für wetterbezogene Daten wächst, wobei Satelliten- und Sensordaten mithilfe von KI schneller ausgewertet werden können. Dies unterstützt die Entwicklung neuer Produkte, darunter Lösungen mit parametrischen Elementen. Auch die Integration von Nachhaltigkeitsdaten in Underwriting und Schadenmanagement gewinnt an Bedeutung.
Mit Blick auf die steigenden Schadenkosten, insbesondere im Kfz-Bereich, rückt eine präzisere Kalkulation in den Fokus. Laut GDV sollen die Reparaturkosten 2025 um weitere 4,5 Prozent steigen, unter anderem durch teurere Ersatzteile und hohe Werkstattkosten.
Pricing und Underwriting: Datengetriebene Präzision
Moderne Pricing-Lösungen verbinden KI-Analysen, Echtzeit-Daten und fortschrittliche Risikomodelle. Sie ermöglichen eine präzisere Tarifierung und eine schnellere Anpassung an Marktveränderungen. Die stärkere Verknüpfung von Underwriting und Pricing auf einer gemeinsamen Plattform unterstützt Versicherer dabei, Kosten- und Portfolioperspektiven zugleich zu steuern.
Zusätzlich führt das in der EU gültige „Recht auf Reparatur“ dazu, dass nachhaltige Schadenoptionen in der Kfz-Versicherung weiter an Bedeutung gewinnen. Laut GDV-Nachhaltigkeitsbericht 2025 fördern bereits 62 Prozent der deutschen Versicherer den Einsatz gebrauchter Fahrzeugteile.
Auch in der Cyberversicherung steigt der Druck. Laut Statista erreichte die Schadenssumme durch Datendiebstahl, Industriespionage oder Sabotage in deutschen Unternehmen im Jahr 2025 über 289 Milliarden Euro. Verstärkt durch geopolitische Spannungen nimmt die hybride Kriegsführung zu. Angriffe auf kritische Infrastruktur, darunter Drohnenangriffe auf Flughäfen oder beschädigte Unterseekabel, entwickeln sich zu systemischen Risiken. Die damit verbundenen Haftungsfragen sind komplex und vielfach ungeklärt, mahnt Fanenbruck.
Regulatorisch gewinnt FiDA an Bedeutung. Die EU-Regulierung soll die Datenhoheit der Verbraucher stärken und Open Insurance fördern. Versicherer können über den Datenaustausch präzisere Risikomodelle und personalisierte Produkte entwickeln. Effizientere Prozesse und neue Geschäftsmodelle werden begünstigt, vorausgesetzt die IT-Kernsysteme bieten die nötige Flexibilität.
Wachstum im Markt für Tierversicherungen
Der Markt für Tierversicherungen wächst seit der Gebührenerhöhung für Tierärzte im Jahr 2022 deutlich. In Deutschland besitzen 46 Prozent der Haushalte mindestens ein Haustier. Die Absicherungsquote liegt jedoch bei lediglich 19 Prozent für Hunde und 8 Prozent für Katzen und damit deutlich unter dem Niveau anderer europäischer Länder. In Schweden sind 90 Prozent aller Haustiere versichert. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent gehört die Tierversicherung zu den stärksten Sparten im deutschen Markt. Versicherer sehen hier Potenzial, digitale Vertriebswege auszubauen und neue Kundengruppen zu erreichen.
Fazit: Technologie als Enabler, Mensch im Mittelpunkt
Alle genannten Trends haben eines gemeinsam: Sie erfordern eine moderne, flexible IT-Infrastruktur, die große Datenmengen verarbeiten kann und sie intelligent nutzt – von der Produktentwicklung über Pricing und Underwriting bis hin zur Schadenbearbeitung. Intelligent Insurance ist laut Fanenbruck ein essenzieller Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche.
Doch trotz der Technologie sieht der Guidwire-Manager den Mensch nach wie vor im Mittelpunkt. „KI ersetzt keine Underwriter oder Schadenregulierer, sondern befähigt sie, schneller die besseren Entscheidungen zu treffen. Versicherer, die hier die richtige Balance finden, werden nicht nur effizienter und profitabler, sondern auch relevanter für ihre Kunden“, resümiert Fanenbruck.















