Das Kapitalmarktjahr 2026 ist von gegenläufigen Kräften geprägt: Die weltpolitische Lage bleibt volatil, während wirtschaftliche Indikatoren auf ein freundlicheres Umfeld hindeuten. Tobias Schmidt, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment, hebt die Vielzahl politischer Risiken hervor, die in einem wechselhaften Rhythmus Wirkung entfalten. Zugleich sieht er Kapitalmärkte, die sich an ein höheres Maß an Unsicherheit gewöhnt haben. Der Wettbewerb zwischen China und den USA bleibt bestimmend, doch bei Themen wie KI-Chips und Seltenen Erden bestehen punktuell Anreize zur Kooperation. Im Bereich der Handelszölle erwartet Schmidt hingegen eine weiterhin harte Linie der US-Regierung, was zwar die Kosten kalkulierbarer macht, aber die grundsätzliche Spannung bestehen lässt.
Wachstum, Inflation und geldpolitische Signale
In den USA dürfte die Inflation mit einer erwarteten Teuerungsrate von 2,9 Prozent ein Thema bleiben. Schmidt verweist darauf, dass eine leichte Abschwächung in der zweiten Jahreshälfte den Konsum stützen könnte. Das robuste Wachstum überlagert die Inflation, sodass Union Investment eine konjunkturelle Dynamik von 2,1 Prozent prognostiziert. In Europa hingegen hat sich die Preisentwicklung im Zielkorridor der Europäischen Zentralbank stabilisiert.
Für den Euroraum erwartet Schmidt ein Wachstum von 1,2 Prozent. „Deutschland dürfte ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent erreichen.“ Nach Jahren der Stagnation könnte damit ein moderater Aufschwung einsetzen. Für die geldpolitische Ausrichtung geht Union Investment davon aus, dass die Federal Reserve dem politischen Druck nachgibt und trotz fehlender fundamentaler Gründe die Leitzinsen senkt. Zum Jahresende 2026 sieht Schmidt ein Niveau zwischen 3,25 und 3,5 Prozent. Die Europäische Zentralbank hingegen dürfte abwarten und frühestens 2027 agieren.
Rentenmärkte, Schuldenpolitik und Alternativen
Die Zinsstrukturkurve in den USA wird nach Einschätzung von Union Investment durch die Kombination aus Schuldenpolitik und lockerer Geldpolitik beeinflusst, was US-Staatsanleihen unattraktiv macht. Die divergierenden geldpolitischen Ausrichtungen zwischen den USA und Europa verstärken diesen Effekt. In Europa sollten Anleger die Länderrisiken einzelner Staaten im Blick behalten.
Als mögliche Alternativen rücken Anleihen mit Risikoaufschlag gegenüber Staatsanleihen in den Blick. Covered Bonds, Schwellenländeranleihen und auf Euro lautende Papiere, insbesondere aus der Peripherie, seien als Beimischung interessant. Unternehmensanleihen guter bis sehr guter Bonität erscheinen Schmidt als vergleichsweise risikoarm, da Unternehmen in einem dynamischen Umfeld häufig schneller reagieren können als Staaten.
Dollar, Gold und neue sichere Häfen
Für den US-Dollar erwartet Union Investment anhaltenden Druck. Hintergrund sind die politischen Risiken, die schrittweise Aushöhlung der Unabhängigkeit der Federal Reserve und die hohe Staatsverschuldung. Anleger suchen daher verstärkt nach alternativen sicheren Häfen. Schmidt sieht diese etwa in Gold oder ausgewählten Kryptoassets, auch wenn die Goldbewertung fundamental nicht gerechtfertigt sei.
Die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz bleibt ein dominierender Faktor an den Aktienmärkten. Schmidt betont, dass trotz früherer Befürchtungen kein Rückgang der Investitionen in Rechenleistung und KI-Kapazitäten erkennbar ist. Investoren würden künftig jedoch stärker zwischen tragfähigen und weniger nachhaltigen Geschäftsmodellen unterscheiden. Gleichzeitig erschließt KI neue Chancen in Bereichen wie Automatisierung oder Energieinfrastruktur.
Aktienmarktbreite und Risikomanagement
Die Gewinner am Aktienmarkt werden 2026 nach Einschätzung von Union Investment breiter gestreut sein. Die Konjunkturerholung verkleinert die Kluft zwischen KI-nahen Unternehmen und der übrigen Wirtschaft, wodurch zyklische Titel wie Industrie-, Logistik- und Dienstleistungsunternehmen wieder stärker in den Fokus rücken. Auch in Europa erhalten Bau- und Infrastrukturanbieter sowie IT-Dienstleister durch staatliche Investitionen Auftrieb.
Dennoch bleibt Risikomanagement zentral. Die politische Ausrichtung der USA und die globale geopolitische Lage verlangen von Anlegern eine sorgfältige Szenarienanalyse. Schmidt verweist darauf, dass absolute Sicherheit nicht erreichbar ist, eine bewusste Integration möglicher Entwicklungen in den Investmentprozess jedoch hilft, Risiken einzuordnen und Chancen nicht zu übersehen.











