Exklusiv-Interview: Welche Versicherungen Stuntleute unbedingt haben sollten

Foto: GSA
Stuntmen sind selbständige Künstler, die über die Künstlersozialkasse in der gesetzlich Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung abgesichert sind.

Cash.-Interview mit Pamela Gräbe, Geschäftsführerin der German Stunt Association (GSA), über die Risikoabsicherung von Stuntmen und Stuntwomen und die Folgen der Corona-Pandemie für die Branche

Die German Stunt Association ist die Interessenvertretung der in Deutschland arbeitenden Stuntleute. Was können Stuntfrauen und -männer hierzulande eigentlich verdienen?

Gräbe: Wir haben errechnet, was Stuntwomen und Stuntmen verdienen müssen, um auskömmlich leben, vorsorgen und investieren zu können und veröffentlichen die daraus resultierenden Gagenempfehlungen seit 2012 auf unseren Internetseiten. Die Empfehlungen liegen jetzt zwischen 780 und 1.320 Euro pro Drehtag – je nach Tätigkeit plus Adjustments und Nebenkosten. In Umfragen unter unseren Mitgliedern und auch Stuntleuten außerhalb des Verbandes fragen wir regelmäßig nach, in welchem Maße diese Gagen auch in den Verhandlungen mit den Produktionen durchgesetzt werden konnten, denn Stuntleute sind selbständige Künstler und verhandeln ihre Gagen. In unserer letzten Umfrage im Herbst 2022 erwarteten unsere Mitglieder einen mittleren Wert von 830 Euro, den sie zu über 60 Prozent durchsetzen konnten.

Wie sehr hat Ihre Branche unter den Corona-Beschränkungen der letzten Jahre gelitten?

Gräbe: Im April 2020 waren die Aufträge fast komplett weggebrochen. Nahezu alle laufenden Produktionen wurden gestoppt, Projekte in Planung verschoben. Verschiedene Initiativen der Filmverbände, an denen auch die GSA beteiligt war, haben dafür gesorgt, dass das Drehen mit Corona-Auflagen trotz der damit verbundenen höheren Kosten im selben Jahr wieder möglich wurde. Dann gab es aber noch das Problem pandemiebedingter Ausfälle, die nicht Bestandteil der Produktionsversicherungen waren. Die Arbeit am Film- oder TV-Set ist eng getimt und mit viel Personal, aufwändigen Vorbereitungen, Bauten und teurem gemietetem Equipment verbunden. Wenn wichtige Personen ausfallen und der Dreh abgebrochen werden muss, kommt es zu immensen Kosten. Durch die Corona-Ausfallfonds des Bundes und der Länder wurde das Schlimmste verhindert. Die Ausfallfonds sind ausgelaufen und die großen Versicherungen bieten – trotz intensiver Verhandlungen – weiter keine Absicherung für diese Ausfälle an. Das belastet die gesamte Branche enorm. Die Produzenten allein können dieses Risiko nicht tragen und ihre Zurückhaltung spüren wir derzeit. Es gibt deutlich weniger zu tun für uns.

Welche Versicherungen sollten Stuntleute unbedingt haben?

Gräbe: Stuntwomen und Stuntmen sind selbständige Künstler, die über die Künstlersozialkasse in der gesetzlich Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung abgesichert sind. Hier werden die Kosten geteilt, die eine Hälfte tragen die Künstler, etwa 20 Prozent kommen vom Bund, den Rest tragen über die Künstlersozialabgabe diejenigen, die die künstlerische Leistung verwerten. Wie bei Angestellten auch, wird die Absicherung beispielsweise der Rentenversicherung nicht ausreichen, so dass weitere Versicherungen oder Anlagen nötig sind, die selbst zu tragen sind. Bei den Berufsgenossenschaften VBG oder BG ETEM können sich Stuntleute über die freiwillige Unternehmerversicherung gegen die Folgen eines berufsbedingten Unfalls oder einer Berufskrankheit versichern. Es gibt auch private Unfallversicherungen von anderen Trägern, die aber weniger Leistungen anbieten. Ebenfalls als unabdinglich erachten wir die berufliche Haftpflichtversicherung. Wir haben mit zwei Maklern auf uns abgestimmte Angebote erarbeitet. Es gibt aber auch andere Versicherungsunternehmen, die unsere Mindeststandards abdecken. Unfall- und Haftpflichtversicherung sind von uns Selbständigen selbst zu tragen.

Pamela Gräbe (Foto: Inga Orschinski, Agentur Nilo)

Gibt es Makler, die sich auf die Betreuung Ihrer Branche spezialisiert haben?

Gräbe: Für die Haftpflichtversicherung für Stuntleute haben sich die Howden Caninenberg GmbH und die A. Huber & Co. Internationale Assekuranz-Makler GmbH empfohlen. Beide Makler sind in der Film-, TV- und Medienbranche tätig und bekannt, wissen also, wie die Branche in ihrer Gesamtheit funktioniert. Sie haben die Verträge speziell zu unseren Bedürfnissen bzw. zu den Produktionsversicherungen ergänzend gestaltet.

Wie unfallanfällig ist Ihr Job eigentlich? Führen Sie dazu eine Unfallstatistik?

Gräbe: Wir bekommen nicht jeden Schaden oder jede Verletzung mit, so dass eine Statistik sehr unvollständig wäre. Wenn wir aber Kenntnis von Unfällen und deren Ursachen bekommen, werten wir diese aus, um daraus zu lernen. Gute Indizien für die Häufigkeit von Unfällen geben uns die Versicherer. Die Versicherungsprämien bei den beiden oben genannten Haftpflichtversicherungen sind seit 2011 und 2012 unverändert. Bei den gesetzlichen Unfallversicherungen kann man es an der Gefahrklasse ablesen: Mit der Gefahrklasse 3,26 bei der VBG und 3,6 bei der BG ETEM liegen wir deutlich unter beispielsweise Dachdeckern (15,12).

Gibt es Bereiche Ihrer Tätigkeit, die grundsätzlich nicht versicherbar sind?

Gräbe: Wir sind sehr gut aufgestellt, mit Ausnahmen in kleinen Details. Bei der Haftpflichtversicherung sind natürlich Schadenfälle ausgeschlossen, deren Eintreten Gegenstand des Drehbuchs ist. Das finden wir sehr schade, anderenfalls gäbe es viel mehr Action in deutschen Kinofilmen oder im TV (lacht). Eigenes Equipment, das beschädigt wird, ist darüber auch nicht abgedeckt. Bei der Unfallversicherung sind, wie bei allen in den Berufsgenossenschaften Versicherten, Schäden aus Verbrechen oder vorsätzlichem Vorgehen ausgeschlossen.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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