Wohin mit dem Geld? 76  Prozent der vermögenden Deutschen nutzen ihr Erbe nicht optimal

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Viele Erben zeigen sich unzufrieden darüber, wie das vorhandene Vermögen genutzt wird.

Der große Vermögenstransfer ist in vollem Gange und viele Erben machen zu wenig aus dem Kapital. Eine neue Studie der Capital Group zeigt, dass Finanzberater bei der Vermögensberatung in Deutschland nur eine Nebenrolle spielen.

Eine globale Studie der Capital Group wirft ein Schlaglicht auf die größte Vermögensverschiebung der Geschichte – den sogenannten „Great Wealth Transfer“. Gemeint ist die Übergabe enormer Vermögen von der Babyboomer-Generation an deren Kinder und Enkel. Was nach einem komfortablen Startkapital klingt, bringt in der Praxis nicht nur Chancen, sondern auch Unsicherheit, Fehlnutzung und Vertrauensdefizite zutage, insbesondere in Deutschland.

Für die Untersuchung wurden weltweit 600 vermögende Personen (High Net Worth Individuals) in Europa, dem asiatisch-pazifischen Raum und den USA zu ihren Erfahrungen und Strategien im Umgang mit Erbschaften und Nachfolgeplanung befragt. Die Ergebnisse zeichnen ein kritisches Bild vom gegenwärtigen Zustand der Vermögensweitergabe.

Junge Erben, große Vermögen – und viel Frust

Insgesamt hat fast die Hälfte der Befragten ihr Vermögen direkt von den Großeltern erhalten – häufig in einer Größenordnung zwischen ein und 25 Millionen US-Dollar. Doch gerade in Deutschland ist der Umgang mit dem Erbe oft rückblickend enttäuschend: 76 Prozent der vermögenden Erben hierzulande sind unzufrieden mit der Art und Weise, wie sie das erhaltene Vermögen genutzt haben. Damit liegt Deutschland deutlich über dem internationalen Durchschnitt.


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„Unsere Studie zeigt: Die Mehrheit der Erben wünscht sich rückblickend, sie hätte ihr Vermögen anders genutzt, insbesondere stärker investiert“, sagt Guy Henriques, President, Europe and Asia Client Group bei Capital Group. „Wer einen Teil seines Erbes langfristig investiert, kann nachhaltigen Vermögensaufbau erzielen. Mit 94 Jahren Investmenterfahrung begleiten wir unsere Kunden über Generationen hinweg. Gerade in bewegten Märkten gilt: Investiert zu bleiben, zahlt sich langfristig aus.“

Auffällig ist auch, dass insbesondere jüngere Erben aus der Generation X und den Millennials ihre Entscheidungen im Nachhinein bereuen. Zwei von fünf gaben an, zu wenig investiert zu haben. Im globalen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Ländern mit dem höchsten Maß an Unzufriedenheit.

Mehr Vertrauen in „Finfluecer“ statt in Finanzberatung

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die jüngeren Generationen suchen sich ihre Informationsquellen zunehmend außerhalb traditioneller Strukturen. So verlassen sich in Deutschland fast die Hälfte der vermögenden Erben (48 Prozent) eher auf soziale Medien oder sogenannte „Finfluencer“, wenn es um Anlageentscheidungen geht – und deutlich seltener auf professionelle Finanzberater. Nur 20 Prozent beziehen Letztere überhaupt in ihre Nachfolgeplanung ein.

Diese Entwicklung könnte langfristig Folgen für den Kapitalmarkt haben, warnt Capital Group. Denn das Potenzial der geerbten Vermögen werde oft nicht ausgeschöpft. Nur 22 Prozent des Erbes fließen durchschnittlich in Investmentfonds, lediglich elf Prozent in Pensionsfonds. Ein Großteil des Geldes bleibt unproduktiv oder wird konsumiert.

„In den kommenden Jahrzehnten wird ein Vermögen in Billionenhöhe von der Babyboomer-Generation in den USA, Europa und dem entwickelten Asien an jüngere Generationen weitergegeben“, erklärt Henriques. „Millennials und Angehörige der Generation Z erhalten größere Erbschaften in jüngerem Alter und könnten von der Marktkenntnis und dem langfristigen Anlagehorizont eines Finanzberaters erheblich profitieren.“

Kommunikation und Planung bleiben Schwachstellen

Besonders kritisch: Die Kommunikation innerhalb vermögender Familien ist oft unzureichend. Drei Viertel der Befragten berichten von Schwierigkeiten, wenn es um offene Gespräche über Nachfolge und Vermögensplanung geht. In der Praxis dominiert ein zurückhaltender, oft passiver Ansatz: 79 Prozent der Erblasser hinterlassen keine konkreten Vorgaben zur Verwendung des Vermögens.

Wenn professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird, dann meist über Juristen (61 Prozent) oder Steuerberater (49 Prozent) – lediglich 20 Prozent ziehen einen Finanzberater hinzu. Dabei wären gerade sie in der Lage, generationenübergreifend zu begleiten und finanzielle Ziele langfristig zu sichern.

Henriques sieht darin eine zentrale Herausforderung: „Wir bei Capital Group pflegen langfristige Partnerschaften mit Vermögensverwaltern – aus der Überzeugung, dass fundierte Finanzberatung und nachhaltige Investmenterträge zu besseren Ergebnissen für Vermögensinhaber und ihre Erben führen.“

Die Studie macht deutlich: Der große Vermögenstransfer ist längst Realität. Doch das volle Potenzial bleibt vielerorts ungenutzt. Insbesondere in Deutschland sind eine frühzeitige Finanzbildung, gezielte Beratung und klare Nachfolgeplanung notwendig, um die Chancen dieser historischen Vermögensweitergabe wirklich zu nutzen.

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