Der nächste Schritt im digitalen Finanzwesen – Firmenkredit online

Foto: Finmatch
Finmatch-Finanzvorstand Thomas Schüttler

Was Hauskäufer und Verbraucher vor größeren Anschaffungen bereits in Scharen praktizieren, könnte in Zukunft auch im deutschen Mittelstand übliche Praxis werden: der Kreditvergleich im Internet. Finanzexperten sehen das Potenzial in einem Teil des Bankgeschäfts, der bislang noch vergleichsweise traditionell abläuft.

Doch die voranschreitende Digitalisierung im Finanzwesen wird voraussichtlich vor der Unternehmensfinanzierung nicht haltmachen. Ein Start-up, das dabei eine maßgebliche Rolle spielen will, ist das Stuttgarter Unternehmen Finmatch. „Das gesamte Finanzierungsvolumen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird auf 1,8 Billionen Euro im Jahr geschätzt“, sagt Vorstandschef Martin Hipp.

„Wir adressieren speziell den etwas gehobenen Mittelstand, sprich Unternehmen mit einem Umsatz ab fünf Millionen Euro aufwärts und einem Mindestfinanzierungsvolumen von 500.000 Euro.“ In diese Größenklasse fallen nach Hipps Worten allein in Deutschland rund 240.000 Unternehmen. „Der Markt ist sehr groß.“

Bei Verbraucher- und Baukrediten wächst die Bedeutung der Vermittlungsportale seit Jahren stetig. Bekannte Adressen für Konsumentenkredite sind etwa Smava, Check24 und Verivox, in der Baufinanzierung Interhyp. Dessen Vorstandschef Jörg Utecht bezifferte den Marktanteil des Münchner Unternehmens im Bereich Immobilienkredite jüngst auf gut zehn Prozent, Ziel sind 20 Prozent.

Der Bereich Unternehmenskredite könnte eine ähnliche Entwicklung nehmen. „Die Wachstumsperspektive ist da, und zwar sowohl von Seiten der Banken als auch von Seiten der Unternehmen“, sagt Peter Barkow, Chef des auf die Finanzbranche spezialisierten Beratungsunternehmens Barkow Consulting. „Vermittlungsportale machen die Prozesse einfacher. Banken können ihre Kosten senken, und die Unternehmen werden mit weniger Papierkram belastet. Die Bürokratie ist gerade für kleine und kleinste Unternehmen oft der größte Schmerzpunkt.“

Portale bringen Kunden mit Banken zusammen

Finmatch ist nicht das erste Start-up, das sich auf Unternehmenskredite spezialisiert. Seit einigen Jahren in der Fintech-Szene bekannt ist beispielsweise Lendico, das jedoch keine Bankkredite vermittelt, sondern Investoren und private Geldgeber. Das Geschäftsmodell von Finmatch dagegen ähnelt den Verbraucher- und Baukreditportalen. Diese bringen Kunden mit Banken zusammen und kassieren dafür Provision. Für die Banken liegt der Vorteil darin, dass ihnen die Kundschaft ohne großen eigenen Aufwand quasi automatisiert zugeführt wird, und damit die Kosten sinken. Die Kunden hingegen können auf einfache Weise Kreditkonditionen vergleichen.

„Die Kunden haben heute wenig Lust, am Montag zur Volksbank zu gehen, am Dienstag zur Sparkasse und am Mittwoch zur Deutschen Bank“, sagt dazu Finmatch-Finanzvorstand Thomas Schüttler. „Sie haben lieber einen Berater, der ihnen institutsunabhängig das beste Angebot vermittelt.“

Finmatch stellt naturgemäß heraus, dass die Dienste des Portals auch für Banken von Vorteil seien. „Für eine Regionalbank ist das Thema Digitalisierung eine Riesenchance, weil sie ihr Geschäftsgebiet erweitern und sich Finanzierungen hereinholen kann, die sie über ihr klassisches Filialgeschäft nicht erreicht“, sagt Schüttler.

Ein Stück vom Umsatzkuchen

Unter Ökonomen und Unternehmensberatern ist das gängige Schlagwort für die Rolle der Online-Portale „Plattformökonomie“ – im Online-Einzelhandel ist Amazon in den USA und Europa das dominante Unternehmen, bei Online-Suche und -Anzeigen beherrscht Google den Markt, bei Videos die Google-Tochter Youtube, für Hotelbuchungen ist es Booking.com, um bekannte Beispiele zu nennen. Sowohl Verbraucherschützer als auch Politiker beobachten mit Sorge, dass die Marktmacht der Portale stetig zunimmt.

In der Kreditbranche ist ein globales Riesenportal à la Amazon noch lange nicht in Sicht. Doch auch wenn nationale Kreditportale keine vergleichbare Marktmacht haben, lassen sie sich ihre Dienste naturgemäß mit einem Stück des Umsatzkuchens bezahlen, den die Banken früher allein verzehren konnten. „Für Banken sind Vermittlungsportale sowohl Freund als auch Feind“, meint Experte Barkow dazu. „Kaum eine dieser Plattformen vergibt Kredite selbst, sie machen die Prozesse einfacher. Auf der anderen Seite verlangen die Plattformen Gebühren, und je stärker die Marktposition eines Portals, desto teurer werden die Provisionen.“ (dpa-AFX)

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