Honorarberatung: Vom Kopf auf die Füße

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Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen

Neue gesetzliche Regelungen könnten der honorarbasierten Finanzberatung einen Schub geben, genauso wie die anhaltende Coronakrise. Entwächst die Honorarberatung der Nische?

Wenn es nach Annalena Baerbock geht, ist die provisionsbasierte Finanzberatung in Deutschland bald Geschichte – und dass die Kanzlerkandidatin der Grünen nach der Bundestagswahl im September bei diesem Thema ein gewichtiges Wort mitzureden hat, ist bei Umfragewerten, die Mitte April knapp vor der Union lagen, gar nicht so unwahrscheinlich. Der Provisionsberatung würden dann schwere Zeiten drohen, das steht ausdrücklich so im Entwurf des Wahlprogramms, das die Grünen im März vorgestellt haben. „Häufig werden Kund*innen Finanzprodukte angedreht, die für sie zu teuer, zu riskant oder schlicht ungeeignet sind. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf die Füße stellen“, heißt es darin. Man wolle weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen. „Dafür schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung, die Finanzberater*innen stärkt und unabhängiger macht.“

Ob sich die Grünen mit ihren Plänen in einer möglichen Koalition mit Union oder FDP durchsetzen würden, die beide die Provisionsberatung erhalten wollen, ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich reine Spekulation. Doch die Diskussion Provision vs. Honorar würde wieder deutlich an Fahrt aufnehmen und hitzig geführt werden, so viel ist sicher. Dabei haben große Teile der Finanzdienstleistungsbranche gerade erst mit einer gewissen Erleichterung registriert, dass sich die Große Koalition zwar auf einen Provisionsdeckel in der Restschuldversicherung einigen konnte, nicht aber in der Lebensversicherung. Doch auch hier scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein: Zumindest das SPD-geführte Bundesfinanzministerium hält eine Deckelung der Kosten beim Verkauf von Lebensversicherungen weiter für notwendig. „Wir müssen immer noch über eine Begrenzung der Kosten sprechen“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies im April bei der Online-Jahreskonferenz der Bafin-Versicherungsaufsicht.

„Ein echtes Geschäft mit wiederkehrendem Gewinn“

All dies zeigt: Die Provisionsberatung ist in Berlin weiterhin äußerst umstritten, die Bedeutung der Honorarberatung könnte deshalb in den kommenden Jahren deutlich steigen – schließlich gelten Honorartarife, die vollständig ohne Courtagen und courtageähnliche Bestandteile auskommen, als Alternative zum provisionsgeladenen Tarif der Vermittler. Dabei vereinbart der Kunde mit seinem Berater ein Honorar, das er anders als bei der Provisionsvermittlung direkt an den Berater zahlt. „Die Finanzberatung auf Honorarbasis bietet zwei entscheidende Vorteile“, sagt Lorand Soha, Sales Executive bei der Fondsgesellschaft Vanguard. „Auf der einen Seite stimmen die Interessen von Kunden und Beratern dabei viel stärker überein, da die Vergütung der Beratung losgelöst von der Produktauswahl und mit dem Kunden vereinbart ist und so von ihm getragen wird. Auf der anderen Seite ist die Honorarberatung für Unternehmer bzw. Berater ein echtes Geschäft mit wiederkehrendem Gewinn, der nicht davon abhängig ist, dass Berater immer wieder aufs Neue Produkte an Neukunden verkaufen müssen.“ Der entscheidende Punkt sei, dass es viel mehr koste, einen Kunden zu gewinnen, als einen Kunden zu halten. „Deshalb ist es im Laufe der Zeit möglich, Berater einzustellen, die bestehende Kunden betreuen, und trotzdem einen Gewinn mit den laufenden Service-Gebühren bzw. Honoraren zu erwirtschaften“, so Soha.

In Deutschland gibt es seit dem 1. August 2014 das gesetzliche Berufsbild des unabhängigen Honorarberaters. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Honorarberatung wurde erstmals ein solches Berufsbild im Anlagebereich geschaffen. Das Gesetz bestimmt, dass Honorarberater ausschließlich vom Kunden vergütet werden dürfen. Anders als beispielsweise Großbritannien hat sich der deutsche Gesetzgeber damals ausdrücklich für ein Nebeneinander von Honorar und Provision entschieden. Kein Provisionsverbot also, sondern ein „Sowohl-als-auch“. Bis jetzt jedenfalls.

„Beide Modelle haben ihre Daseinsberechtigung“

Doch nun sorgen Wahlprogramme und Wortmeldungen aus Berlin mal wieder für große Verunsicherung, was die Zukunft der Provisionsberatung betrifft – und sie werden auch von den Anbietern, die sich auf eine honorarbasierte Beratung spezialisiert haben, genau registriert: „Wir gehen davon aus, dass es sicherlich in Zukunft deutliche Veränderungen geben wird und Provisionen sukzessive gesenkt, gedeckelt werden. Der Gesetzgeber wird die Provisionsanreize deutlich einschränken“, erwartet Davor Horvat, Gründer und Vorstand von Honorarfinanz. „Bei den laufenden Einnahmen in Form von Service-Fees auf das betreute Vermögen von Kundengeldern sehen wir schon ganz klar, dass Provisionen aus Kick-back-Zahlungen kaum noch eine Rolle spielen, diese dem Kunden sogar zurückerstattet werden und im Gegenzug Kunden die Dienstleistung gegen laufende Honorarvergütung bezahlen.“ Schon ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung würde aus seiner Sicht zu einer Neuausrichtung des Vergütungsmodells führen.

Auch Heiko Reddmann, Geschäftsführer von Honorarkonzept, geht davon aus, dass ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung den ein oder anderen Berater mehr und schneller dazu bewegen würde, sich mit den Möglichkeiten der Honorarberatung zu befassen. Er befürwortet allerdings eine Beibehaltung des dualen Systems: „Wir sprechen uns eindeutig für einen freien Markt aus und wollen mit unseren Argumenten für die Honorarberatung überzeugen. Grundsätzlich haben beide Beratungsmodelle nach wie vor ihre Daseinsberechtigung. Ein Provisionsdeckel oder gar ein Provisionsverbot würde der Beratung in der breiten Bevölkerung schaden, was definitiv nicht die Intention des Gesetzgebers sein kann, der wichtige Impulse für die private Altersvorsorge setzen muss und auch will.“ Das Modell der hybriden Beratung versetze Makler und Vermittler in die Lage, jedem Kunden entsprechend seiner Präferenzen eine qualitativ gute Beratung anbieten zu können, betont Reddmann. „Gleichzeitig erschließt er sich mit der Honorarberatung ein Geschäftsmodell, das insbesondere unter den Gesichtspunkten Kosten und Transparenz zukunftsweisend ist.“ Und das nach der Bundestagswahl alternativlos werden könnte.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der aktuellen Cash. Ausgabe 6/2021.

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