Weiterbildung: Bildschirmmüde

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Jan Berg fest, Vorstand der MLP Corporate University

Makler und Vermittler haben sich mithilfe von Online-Schulungen und Webinaren auch während der Coronakrise fleißig weitergebildet. Für die Zeit nach der Pandemie gilt es nun, die richtige Mischung aus analoger und virtueller Weiterbildung zu finden.

Es gibt viele Dinge, die die Menschen in den letzten 15 Monaten über sich und über die Gesellschaft lernen konnten: dass man Abstand zu seinen Mitmenschen halten kann, ohne den Kontakt zu ihnen zu verlieren; dass man Job und Home-Schooling irgendwie unter einen Hut bekommen kann; dass Populisten in Krisen keine Antworten haben. Allesamt wichtige Erkenntnisse, keine Frage.

In einem ganz speziellen Bereich dagegen ist die Lernkurve in den letzten Monaten eher gesunken: Die Möglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung haben sich während der Coronakrise deutlich verringert. Das hat Degreed, Anbieter einer digitalen Weiterbildungsplattform für Fachkräfte, im Rahmen seiner zu Jahresbeginn veröffentlichten Studie „The State of Skills 2021“ herausgefunden. Demnach gab fast die Hälfte der Arbeitnehmer (46 Prozent) weltweit an, dass ihr Arbeitgeber während der Pandemie die Möglichkeiten zur Weiterbildung und Umschulung reduziert hat. In Deutschland fand die Aussage „Mein Arbeitgeber hat die Möglichkeiten zur Höherqualifizierung (zum Beispiel Fortbildung und Entwicklung) im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie reduziert“ Zustimmung bei 41 Prozent der Befragten.

Degreed analysierte auch die Situation in einzelnen Branchen: Demnach antworteten 52 Prozent der Befragten aus der Finanzbranche, dass ihr Arbeitgeber die Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten reduziert hat. Noch schlechter war die Situation nur in der ITK-Branche (Informations- und Kommunikationstechnologie), etwas besser in der industriellen Fertigung und bei den Business Services (beide 49 Prozent), gefolgt von der Consumer-Sparte und dem Einzelhandel (42 Prozent) sowie dem Gesundheitswesen (41 Prozent). Fürs Leben gelernt, nicht für den Job: So könnte, etwas überspitzt formuliert, das Fazit der Pandemie lauten.

Bei den deutschen Finanzvermittlerinnen und Finanzvermittlern stellt sich die Situation allerdings etwas anders dar: Sie haben sich auch während der Coronakrise weiterhin fleißig weitergebildet – was natürlich auch daran liegt, dass sie per Gesetz dazu verpflichtet sind, sich mindestens 15 Stunden pro Jahr weiterzubilden – Pandemie hin oder her. Das bedeutet wiederum nicht, dass die Vermittler in der Pandemie nur das Nötigste getan hätten – sagen zumindest die relevanten Weiterbildungsanbieter. Im Gegenteil: „Wir konnten einen großen Anstieg verzeichnen. Auf Grund der Pandemie haben wir entsprechend reagiert und unser Online-Angebot stärker ausgebaut. Auch viele Präsenz-Seminare wurden kurzfristig als Online-Seminare ausgeführt“, sagt Alexander Heimrath, Produktmanager bei der Deutschen Makler Akademie (DMA). „Die Vermittler haben sich vermehrt in den Bereichen weitergebildet, die auf Grund der aktuellen Situation relevant waren und in denen sie selbst Defizite erkannt haben, wie zum Beispiel Videoberatung.“ Dadurch hätten die Vermittler in der Regel mehr als die verpflichtenden 15 Stunden Weiterbildungszeit im Jahr absolviert.

Verschiedene Phasen unterscheiden

Dass die Corona-Einschränkungen die Vermittler nicht davon abgehalten haben, ihrer Weiterbildungspflicht nachzukommen, belegen die Bildungskonten der branchenweiten Weiterbildungsinitiative „gut beraten“, die für das erste Quartal 2021 bereits 560.844 Stunden Bildungszeit ausweisen. Das Engagement der Vermittler liegt damit nur knapp unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit (614.185 Stunden). Monika Klampfleitner, Leiterin der Geschäftsstelle von „gut beraten“, verweist auch auf die Zahl der für 2020 ausgestellten Zertifikate: „Wir haben Anfang dieses Jahres 94.039 IDD-Erklärungen verschickt, mit denen die vertrieblich Tätigen gegenüber den Aufsichten die Erfüllung ihrer Weiterbildungsverpflichtung für das abgelaufene Kalenderjahr nachweisen können. 26.340 Teilnehmende haben sogar den freiwilligen Branchenstand von mindestens 30 Stunden Weiterbildung absolviert und dafür zusätzlich ein ‚gut beraten‘-Zertifikat erhalten.“ Dieser Trend setzt sich laut Klampfleitner im ersten Quartal 2021 fort: „Schon jetzt haben 7.539 vertrieblich Tätige ihre Weiterbildungsverpflichtung von mindestens 15 Stunden für das Jahr 2021 erfüllt.“ Und auch die Zahl der Teilnehmer steigt: So verzeichnete „gut beraten“ im ersten Quartal 3.915 neue aktive Konten, demgegenüber wurden 3.223 Konten nicht mehr berücksichtigt, ein Nettozuwachs um 692 Konten.

Zeitlich müsse man verschiedene Phasen unterscheiden, erklärt Wolfgang Kuckertz, Vorstand der Going Public Akademie für Finanzberatung, mit Blick auf die vergangenen 15 Monate: „Zunächst, ab Anfang März 2020, bestand Zurückhaltung, weil die geschäftlichen Auswirkungen der Pandemie noch sehr unklar waren und Online-Schulungslösungen bei den Teilnehmern noch nicht so selbstverständlich waren wie sie es heute sind. Ab Frühsommer wurde deutlich, dass bei vielen Vermittlern die geschäftlichen Auswirkungen im Rahmen bleiben und die Zeit nun auch für Online-Bildungsmaßnahmen genutzt werden kann. Hier wurde also durchaus mehr gemacht, als nur das zwingend notwendige Programm.“ Inzwischen sei aber eine gewisse Bildschirm-Müdigkeit wahrzunehmen. „Online-Schulungen – über Lernprogramme oder Webinare – gehören zwar zum Alltag und sind nicht mehr wegzudenken. Vermittler sehnen sich aber auch nach Offline-Treffen und warten mit bestimmten Seminarthemen, bis diese Treffen wieder möglich sind.“ Was hoffentlich bald der Fall sein wird.

Optimalen Mix anbieten

Zuletzt hatte sich bei der Form der Weiterbildung ein „New Normal“ etabliert, auch das zeigen die Zahlen von „gut beraten“: Dort ist die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen im ersten Quartal 2021 erneut gesunken und liegt bei nur noch fünf Prozent aller dokumentierten Bildungsmaßnahmen. Demgegenüber weisen E-Learning-Formate einen Zuwachs auf 92 Prozent aus (plus zwei Prozentpunkte gegenüber dem vierten Quartal 2020). Für die Zeit nach der Pandemie gilt es nun, die richtige Mischung aus analoger und virtueller Weiterbildung zu finden. Ganz ohne digitale Angebote wird die Aus-und Weiterbildung künftig nicht mehr funktionieren, aller Bildschirmmüdigkeit zum Trotz.

„Anbieter von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten müssen das digitale Angebot auf- und ausbauen. Anbieter, die von der Persönlichkeit ihrer Redner und Referenten leben, müssen umdenken“, fordert Hartmut Petersmann, Gründer und Geschäftsführer des Petersmann Instituts. „Wobei mit einhergehender Normalisierung auch im Bereich der Präsenzveranstaltungen wieder Leben zurückkehren wird.“ Die Corona-Zeit habe zu einem weiteren Digitalisierungsschub in der Weiterbildung geführt, stellt Jan Berg fest, Vorstand der MLP Corporate University. Wichtig sei es nun, die richtige Rückschlüsse daraus zu ziehen, „also sich die Frage zu stellen, was künftig weiterhin virtuell stattfindet und wann ein persönliches Zusammenkommen einen Mehrwert liefert. Dazu entwickeln wir Technik und Didaktik gerade auch für virtuelle Angebote dynamisch weiter.“ Der Anspruch sei, den Beratern den optimalen Mix anzubieten.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der aktuellen Cash. Ausgabe 7/2021.

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