Greenwashing – (K)ein Haftungsrisiko?!

Ein Eimer mit grüner Farbe auf dem Green Wash steht
Foto: Shutterstock
Ein Investment einfacher nur grün zu lackieren, kann für Produktgeber und Vertrieb aus Haftungsgründen gefährlich werden.

Die Anforderungen und Vorschläge zur Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Gestaltung von Finanzprodukten und im Vertrieb sind zurzeit ein vielgestaltiges Dauerthema. Wenig Konkretes findet sich aber zu der Frage, ob und wann für Produktgeber bzw. Vertrieb damit ein konkretes Haftungsrisiko verbunden ist. Hier sind verschiedene Szenarien zu unterscheiden.

Der auch im deutschen verwendete Begriff „sustainable finance“, mit dem Gedanken des „socially responsible investment (SRI)“ eng verwandt, unterstreicht nicht nur die umweltbezogenen Aspekte, sondern auch den Gedanken der „corporate social responsibility (CSR)“. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang mit der ESG-Trias (environment, social, governance) ausgefüllt. Die bisherige kapitalmarktrechtliche Gesetzgebung adressiert allerdings vorrangig den Aspekt der ökologischen bzw. umwelt(schutz)bezogenen Nachhaltigkeit.

Finanzmarktteilnehmer und Finanzvertriebe unterliegen dabei unternehmens- wie tätigkeitsbezogenen und produktbezogenen Offenlegungspflichten und schließlich auch Anforderungen an die Produktentwicklung. Auch müssen zukünftig im Vertrieb Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abgefragt und bei Produktberatung und Produktempfehlung berücksichtigt werden.
Ob man in diesen Regeln eine (zu) paternalistische Haltung des EU-Gesetzgebers oder eine notwendige Anpassung an die Zeichen der Zeit sieht, eine abstrakte Diskussion hierüber für überflüssig hält (weil der Markt dies nun ohnehin verlange) oder nur noch über die praktische Umsetzung dieser Anforderungen nachdenkt und dabei die (noch) recht weitgehende Konturlosigkeit dieser Begriffe für die Anwendungspraxis bemängelt, soll hier nicht das Thema sein. Denn es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass man aus dem einen oder anderen Grund diese Kriterien nicht nur berücksichtigen muss, sondern auch bei der Produktgestaltung, Produktpräsentation und Produktempfehlung deutlich positionieren sollte, möchte man nicht ins Hintertreffen gegenüber den Mitbewerbern geraten.
Was passiert jedoch, wenn trotz aller Bemühungen die Nachhaltigkeit des Produktes bei nachträglicher (und unterstellt objektiver) Betrachtung doch nicht so hoch ist, als zunächst angenommen bzw. den Anforderungen des Kunden an ein solches Produkt doch nicht adäquat Rechnung getragen wurde?
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch nach der Definition des European Sustainable Investment Forums (Eurosif), ein Dachverband nationaler Organisation für nachhaltige Geldanlagen, und insoweit folgend auch dem amerikanischen Schrifttum zunächst das einzelne Produkt weniger in Rede steht, als die Portfoliogestaltung – nicht das einzelne Produkt wird insoliert betrachtet, sondern der gesamte Anlage-Mix. Außerdem wird zwar vielfach eine „automatische“ Verknüpfung der Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien und Renditeerhöhung unterstellt, aber nur bezogen auf eine sehr langfristige (und dabei nicht konkret definierte) Betrachtungsweise; im Einzelfall und bezogen auf bestimmte Zeiträume muss dies nicht zwingend konform gehen!

Verschiedene zivilrechtliche Haftungsszenarien

Betrachtet man nun die ESG-Anforderungen und ihre mögliche Verletzung aus dem Blickwinkel des individuellen Anlegerschutzes und seiner möglichen (Haftungs-)folgen, sind fünf denkbare Szenarien zu unterscheiden. Im ersten Fall ist das nachhaltige Investment tatsächlich nachhaltig und trägt auch (gerade deshalb) zur Renditemaximierung bei, etwa weil das Marktumfeld die ökonomischen Implikationen dieser Nachhaltigkeitsrisiken (noch) unterschätzt hat und daher günstige Einstiegspreise auf eine überdurchschnittliche Wertentwicklung treffen.

Zweitens ist der Fall denkbar, dass die Nachhaltigkeit des Investments zwar die wirtschaftliche Performance nicht besonders unterstützt, aber hier auch kein Zielkonflikt besteht.
Ein drittes Szenario kann darin liegen, dass die Nachhaltigkeit zwar gegeben ist, aber eine negative Auswirkung auf die rein finanziell betrachtete Renditeentwicklung hat. Die wirtschaftliche Performance ist also schlechter, gerade „weil“ die Nachhaltigkeit besser als bei vergleichbaren Produkten ist.
Eine weitere, vierte Variante kommt in Betracht, wenn die Nachhaltigkeit tatsächlich nicht (oder nicht in der vom Kunden gewünschten Weise) vorliegt, aber das Produkt „trotzdem“ eine gute Performance zeigt.

Der fünfte und letzte Fall liegt schließlich darin, dass beides schlecht(er) ist: Die erhofften bzw. versprochenen Nachhaltigkeitskriterien werden tatsächlich nicht erfüllt und auch die Performance lässt zu wünschen übrig.

Die Szenarien eins und zwei werden kaum zu praktischen Problemen führen. Im Szenario drei sind diese hingegen denkbar: Der Kunde erleidet ja tatsächlich einen wirtschaftlichen Schaden, „obwohl“ seine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt wurden. Hier dürfte der beste Schutz vor entsprechenden Ansprüchen darin liegen, sowohl in der Produktbeschreibung (Prospekt und weitere Pflichtdokumente) als auch in der Produktauswahl und schließlich im Rahmen der Produktempfehlung bei Beratung oder Vermittlung möglichst genau zu dokumentieren, was die Präferenzen des Kunden waren. Dazu gehört auch die in zugespitzter Form vielleicht eher unangenehme Frage, welche Aspekte für ihn denn im Zweifel eine höhere Bedeutung haben bzw. bis zu welchem Grad er bereit ist, z. B. für eine höhere Berücksichtigung der Nachhaltigkeitskriterien auch Nachteile bei der Performance in Kauf zu nehmen. Dass es zurzeit auf dem Sektor der Nachhaltigkeitskriterien noch keine allgemein gültigen Definitionen und erst Recht keine Skalierung (wie etwa bei der Rendite) gibt, vereinfacht die Sache natürlich nicht. Immerhin dürfte hier die bisherige Rechtsprechung zur Frage eines Vermögensschadens einen gewissen Schutz bieten: Bis auf besondere Fälle oder eindeutige Zusagen wird nämlich regelmäßig nur dann ein Schaden bejaht, wenn – ohne Berechnung von Inflationsfaktoren oder Heranziehung der Entwicklung von Alternativ-Anlagen – der nominelle Wert der Anlage noch dem Einstandspreis entspricht. Eine positive, wenngleich relativ zurückbleibende Performance ist damit selten justiziabel.

Liegt ein Vermögensschaden vor?

Besonders spannend wird es im vierten Fall: Nach deutschem Recht ist im Regelfall ein Vermögensschaden erforderlich. Bis auf bestimmte Sonderfälle (z.B. bei Körperverletzungen oder Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung) wird für Nichtvermögensschäden kein Ausgleich geleistet. Die enttäuschte Erwartung in die „Nachhaltigkeit“ des Produktes oder des Portfolios mag für den einzelnen Anleger eine hohe persönliche Bedeutung haben, seine insoweit enttäuschte Erwartung ist aber jedenfalls im deutschen System des zivilrechtlichen Schadenersatzes derzeit kaum einzuordnen. Dies hat sich z.B. auch jüngst in der umfangreichen Rechtsprechung zum sog. Diesel-Skandal gezeigt, in der (auch) die enttäuschte Annahme der Käufer über den Kauf eines besonders umweltfreundlichen Autos vorgebracht wurde, die Rechtsprechung sich aber insoweit bei der Annahme eines Schadens schwer getan hat, soweit nicht zumindest der Gebrauchswert der Fahrzeuge wegen eines zumindest drohenden Eintrags der Betriebserlaubnis oder etwa (mittelbar) der Marktwert des betroffenen Autos hiervon betroffen war o.ä. Auch kennt das deutsche Zivilrecht bisher keinen allgemeinen Anspruch des Einzelnen gegenüber seinem Vertragspartner darauf, dass dieser grundsätzlich allgemeine Gesetze und Vorschriften einhält. Andere Rechtsordnungen kennen ein derart normativ geprägtes Schadenkonzept – dies wäre in Deutschland aber noch Zukunftsmusik. Außerdem sind zurzeit die ESG-Kriterien nicht „Pflicht“, sondern nur „zu berücksichtigen“.

Meines Erachtens lässt sich hiergegen auch nicht die auch schon bisher in der Praxis überwiegend angewandte und teilweise auch z. B. in der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verankerte Technik der Schadenkompensation einwenden, nach der der geschädigte Anleger das Finanzprodukt zurückgeben kann und im Gegenzug seinen Einstandspreis zurückerhält. Zwar spielt abwicklungstechnisch dann der (aktuelle) Wert der betreffenden Anlage keine Rolle. Auch insoweit handelt es sich jedoch um eine Variante der Schadenskompensation (statt eines isolierten Wertausgleichs), die jedoch nicht die Frage überspringen kann, ob überhaupt ein Vermögensschaden eingetreten ist. Schließlich kommen jedenfalls im Regelfall auch nicht die Fälle der „subjektiven“ Wertlosigkeit in Betracht, die in der Rechtsprechung in Einzelfällen herangezogen wurden. Der oft scherzhaft als Beispiel angeführte Fall der Inzahlungnahme der letzten Kuh eines Bauern für den Erwerb der an sich werthaltigen Melkmaschine ist hier nicht vergleichbar, da ja der Anleger in der vierten Fallkonstellation ein finanzwirtschaftlich durchaus verwendbares und sogar werthaltiges Produkt erhalten hat.

Dafür wird es in der fünften Fallkonstellation wieder einfacher. Liegt – auch – ein Vermögensnachteil vor, bedarf es jedenfalls für die Darstellung des Schadens eigentlich nicht der – ergänzenden – Darstellung auch zugleich subjektiv enttäuschter Nachhaltigkeitserwartungen oder objektiv nicht eingehaltener Nachhaltigkeitskriterien. Liegt ein entsprechender Aufklärungsmangel vor, so entspricht es langjähriger Rechtsprechung, dass es nicht zwingend darauf ankommt, dass sich gerade dieser entsprechende Mangel auch in der negativen Wertentwicklung niedergeschlagen haben muss, weil anzunehmen ist, dass bei entsprechender Aufklärung der Kunde das Produkt überhaupt nicht erworben hätte. Diese Rechtsprechung dürfte auch der im Einzelfall naheliegenden Gegenargumentation entgegenstehen, dass vielleicht die Nachhaltigkeit zwar nicht ganz so, wie dargestellt, im Produkt verwirklicht worden wäre, aber der jetzt eingetretene Vermögensschaden damit eigentlich nichts zu tun habe. Es ist aus der Sicht der Praxis zu vermuten, dass es auch hier Fälle geben wird, in denen tatsächliche oder vermeintliche Fehlangaben zu Nachhaltigkeitskriterien nur als Vehikel dafür verwandt werden, enttäuschend verlaufende Kapitalanlagen „rückabzuwickeln“, selbst wenn im Übrigen kein Prospekt- oder Aufklärungsmangel festzustellen ist. Dies liegt aber in der Natur der Sache und wird nur in Ausnahmefällen zu verhindern sein, die auch jetzt bereits die Rechtsprechung anerkennt: Kann die sog. Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens dadurch erschüttert werden, dass der in Anspruch Genommene konkret nachweist, dass das entsprechende Kriterium (über das nicht richtig aufgeklärt wurde) im konkreten Fall doch keine Auswirkungen für die Entscheidung des Anlegers gehabt hat, kann er auch seine Haftung mangels Kausalität des Aufklärungsmangels abwehren. Dies dürfte aber nur in seltenen Fällen gelingen.

Bei wirtschaftlich erfolgreichen Produkten wird es jedoch auch weiterhin ein schmaler Grad bleiben, diese allein mit der Behauptung nicht erfüllter Nachhaltigkeitsanforderungen zu einem zivilrechtlichen Schadensfall zu machen. Auch dies kann „nachhaltig“ sein – zumindest für den Schlaf derer, die im Vertrieb und der Produktgestaltung tätig sind.

Autor Professor Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach.

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