Covid-19: Die Folgen für Bauzinsen, Immobilienkäufe und Anschlussfinanzierungen

Durch die Covid-19-Pandemie stellen sich Fragen, die sich noch vor wenigen Monaten niemand hätte vorstellen können. Sichere Antworten und vor allem langfristige Prognosen sind derzeit kaum möglich. Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender von Dr. Klein, ordnet die neuesten Entwicklungen ein und beantwortet Fragen zur aktuellen Situation.

Michael Neumann, Dr. Klein: „Im Laufe des Jahres erwarte ich langsam anziehende Bauzinsen.“

1. Wie entwickeln sich die Bauzinsen während und nach der Krise?

Die Bauzinsen orientieren sich an der Rendite von Pfandbriefen sowie der Bundesanleihen. Bevor Sars-Cov-2 Deutschland in vollem Maße erfasst hat, flüchteten sich viele Anleger in die als sicher geltenden Bundesanleihen. Dadurch sank ihre Rendite und in der Folge fielen auch die Bauzinsen auf einen neuen historischen Tiefstand. Mit steigender Unsicherheit innerhalb Deutschlands sinkt die Nachfrage nach Bundesanleihen allerdings wieder. Bereits jetzt hat Deutschland einen Schutzschirm von 750 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Aller Voraussicht nach werden Konjunkturprogramme folgen, um die Nachfrage anzukurbeln und Schlüsselindustrien zu stärken. Ich erwarte daher insgesamt ein Gesamtpaket jenseits der 1-Billion-Euro-Grenze. So notwendig und sinnvoll die staatlichen Hilfen in der aktuellen Situation auch sind, sie werden voraussichtlich einen Einfluss auf die Nachfrage nach Bundesanleihen haben und ihre Rendite wieder steigen lassen. Aus diesem Grund erwarte ich im Laufe des Jahres langsam anziehende Bauzinsen. Die Steigerung wird allerdings moderat bleiben – vor allem da die EZB weiterhin Staatsanleihen aufkauft und deren Renditen damit künstlich niedrig hält.

Ein weiterer Faktor, der aktuell zu leicht steigenden und vor allem stark schwankenden Zinsen führt, ist eine gewisse Unsicherheit auf Seiten der Banken. Einige regionale Institute haben sich teilweise aus dem Markt zurückgezogen. Andere Banken passen ihre Risiko-Marge an, um das eigene Risiko möglichst gering zu halten. Auch werden steigende Zinsen schneller als zuvor an Kunden weitergeben.

2. Was sind die größten Herausforderungen für Immobilienkäufer?

Das unterscheidet sich je nach Bundesland und je nach Umfang der Einschränkungen. In Bayern beispielsweise ist es aktuell kaum noch möglich, eine Immobilie zu besichtigen. In anderen Bundesländern sind Besichtigungen zwar noch eingeschränkt möglich, dafür kann es schwieriger sein, einen Notartermin zu bekommen. Wer über ein solides Einkommen und ein festes Arbeitsverhältnis verfügt und die passende Immobilie findet, kann sie allerdings weiterhin problemlos finanzieren. Für alle Finanzierungen gilt dabei: In der aktuellen Situation sollten sie auf keinen Fall zu eng kalkuliert sein. Einige Banken prüfen Finanzierungen derzeit konservativer und deckeln die Finanzierung der Immobilie z.B. bei 90 Prozent des Kaufpreises oder verlangen einen größeren Puffer in der Haushaltsrechnung. Sehr knappe Finanzierungen, die vor einigen Wochen vielleicht noch finanziert wurden, werden nun teilweise abgelehnt.

Da die Bauzinsen tendenziell steigen dürften, ist eine lange Zinsbindung von mindestens 15 Jahren sowie eine hohe anfängliche Tilgung von mindestens zwei, besser drei Prozent empfehlenswert. Es macht darüber hinaus Sinn, einen Tilgungssatzwechsel in den Darlehensvertrag aufzunehmen. Das ist enorm hilfreich, wenn sich die Einkommenssituation ändert und die Rate kurzfristig angepasst werden muss.

3. Ist jetzt ein guter Zeitpunkt für die Anschlussfinanzierung?

Wer bereits eine Immobilie besitzt und das Darlehen dafür abbezahlt, sollte prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, den Baukredit jetzt umzuschulden und die Konditionen zu verbessern. Wenn das Darlehen bereits seit zehn Jahren vollständig ausbezahlt ist, lässt es sich mit einer Frist von sechs Monaten kostenfrei kündigen − selbst wenn ursprünglich eine längere Zinsbindung vereinbart war. Weil das Zinsniveau jetzt wesentlich niedriger ist als damals und die Konditionen zu den aktuell gültigen Zinsen neu berechnet werden, bedeutet das eine sofortige Entlastung bei der monatlichen Rate. Wer seine bisherige Rate beibehalten kann und möchte, erhöht damit automatisch die Tilgung und zahlt das Darlehen deutlich schneller ab. Falls eine Anschlussfinanzierung noch nicht möglich ist, lassen sich die aktuellen Zinsen schon fünf Jahre vor Ablauf der Zinsbindung mit einem Forward-Darlehen „einfrieren“. Das ist interessant für alle, die sich gegen steigende Zinsen absichern und bereits jetzt Planungssicherheit für die Anschlussfinanzierung haben möchten.

Foto: Florian Sonntag

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