Vontobel: Megatrend Global Change

In Zeiten mit niedrigen Zinsen, hoher Volatilität und starken Korrelationen zwischen den Anlageklassen ist es von entscheidender Bedeutung, sich über die treibenden Kräfte des globalen Wandels im Klaren zu sein.

Christophe Bernard, Vontobel
Christophe Bernard, Vontobel

Gastkommentar: Christophe Bernard, Chefstratege der Vontobel-Gruppe

Ein Portfolio, das von weltweiten Trends profitiert, ist eine Voraussetzung für stabile und positive Renditen.

Verständlicherweise besteht eine gewisse Sehnsucht nach dem «goldenen Investitionszeitalter» der Jahre 1982 bis 2007, als die Renditen aus Aktien-, Obligationen- und Immobilienmärkten deutlich über der Inflationsrate lagen. Diese Phase, die von Globalisierung, wirtschaftlicher Stabilität, steigender Akzeptanz des Kapitalismus und rekordhohen Unternehmensgewinnen gekennzeichnet war, fand im Jahr 2008 ein abruptes Ende. Die Faktoren, die diesen Megatrend möglich gemacht hatten, erwiesen sich als nicht nachhaltig.

Einer der auffallendsten Aspekte des 25 Jahre dauernden Booms war die wirtschaftliche Stabilität. Weil die Globalisierung antiinflationär wirkte, konnten die Zentralbanken die Wirtschaft nach Belieben ankurbeln, ohne bei der Inflationsbekämpfung Abstriche machen zu müssen. Als um das Jahr 2000 die Internetblase platzte, senkte die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen unverzüglich, um eine tiefere Rezession zu vermeiden. Sie legte damit die Basis für eine Blase an den Immobilien- und Kreditmärkten. Die Massnahmen führten aber auch zu einer immer höheren Verschuldung, die wiederum den Konjunkturzyklus glättete, indem sie das Wachstum künstlich beschleunigte. Aus diesem Grund verzeichneten die USA von 1982 bis 2007 lediglich 16 Monate mit Rezession. Dies entspricht rund fünf Prozent der Zeitdauer, verglichen mit 35 Prozent zwischen 1854 und 1982.

Ungünstige demografische Faktoren

Die Nachfrage nach Anlagen hängt eng mit dem Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen zusammen. In den Industriestaaten nimmt der Anteil der aktiven Generation im Vergleich zu jenem der Rentner kontinuierlich ab: in Japan seit 1990, in Europa und den USA seit 2010 und China – Schätzungen zufolge – ab 2015. In den meisten Schwellenländern drängen zwar immer noch junge Menschen in den Arbeitsmarkt, aber dies genügt nicht, um die ungünstige Altersstruktur in den Industrieländern aufzuwiegen.

Der demografische Trend wird zunehmenden Druck auf die Pensionskassen ausüben, die in einer Zeit eingerichtet wurden, als sich Faktoren wie Lebenserwartung und Kosten des Alterns fundamental anders präsentierten. Einige Länder haben zwar nach der Krise von 2008 mit einer Anpassung ihrer Vorsorgesysteme begonnen, doch weitere, unpopuläre Reformen sind notwendig – eine schwierige Aufgabe für Demokratien, in denen sich die Wahlzyklen nicht mit den zeitlichen Rahmenbedingungen für solche Reformen decken.

Die Industrieländer haben ihre Verschuldung an die Grenzen der Nachhaltigkeit – und in gewissen Fällen darüber hinaus – angehoben. Sie können deshalb die Staatsausgaben nicht noch mehr erhöhen, um einen Konjunkturabschwung abzufedern. Die Zentralbanken der USA, Grossbritanniens, Japans und der Europäischen Union haben ihren Beitrag zur Milderung der Folgen der Krise von 2008 geleistet, indem sie die Zinsen gegen null senkten. Als auch dies nicht mehr genügte, nahmen sie zu unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen Zuflucht, wie etwa zu „quantitativer Lockerung“ oder zu langfristigen Refinanzierungsoperationen zugunsten der Banken. Damit haben sie ihre Reaktionsmöglichkeiten auf externe Schocks wie einen sprunghaften Anstieg der Ölpreise weitgehend oder gänzlich ausgeschöpft. Szenarioanalysen und die Portfoliozusammenstellung sollten den Konjunkturzyklus berücksichtigen und kürzere Laufzeiten und höhere Volatilität in die Überlegungen miteinbeziehen. Buy-and-Hold-Strategien dürften in Zukunft kaum mehr erfolgreich sein.

Geldmarktanlage mit Nullverzinsung

Welchen Wert haben Ersparnisse noch, wenn kurzfristige Zinsen auf absehbare Zeit gegen null tendieren? Wie attraktiv sind langfristige Staatsanleihen bei einer Rendite von unter zwei Prozent noch, wenn die Inflation zwei Prozent oder mehr beträgt und die Zentralbanken eine Politik betreiben, die letztlich zu einer höheren Inflation führen könnte? Die aktuelle Lage bedroht den Vermögenserhalt fundamental. Von einem Vermögenszuwachs auf realer Basis kann derzeit kaum die Rede sein.

Die wirtschaftliche Dynamik verlagert sich nach Asien, das einer Lokomotive gleich zwei Drittel des weltweiten Wirtschaftwachstums zieht. Eine wachsende Bevölkerung und steigende Lebensstandards führen zu einem höheren Rohstoffverbrauch, während die Angebotslage angespannt bleibt. Das Erkennen solcher Trends schafft die Voraussetzung für positive Anlagerenditen. Es reicht aber alleine nicht aus: Es gilt zu beurteilen, welche wirtschaftlichen Akteure zu den wirklichen Nutzniessern steigender Rohstoffpreise gehören. Unter Umständen sind es nicht Bergbauunternehmen, sondern Hersteller von Bergbauausrüstungen oder Länder, die ihr Besteuerungssystem verändern, um sich einen höheren Anteil an den Rohstofferträgen zu sichern.

Unsere Grundhaltung: Als unabhängige, weltweit tätige Privatbank ist Vontobel bestrebt, unabhängig zu denken und zu handeln. Dabei haben wir stets ein Ziel vor Augen: die Unterstützung unserer privaten oder institutionellen Kunden bei der Erreichung ihrer Ziele. Vor diesem Hintergrund setzen wir unser Fachwissen ein, um vielversprechende Trends zu identifizieren, die letztlich ihren Niederschlag in den Kundenportfolios finden werden. Wir sind davon überzeugt, dass das aktuelle Investitionsumfeld mit Herausforderungen verbunden ist, die mehr als einen klassischen Anlagenmix und Portfolioaufbau erfordern.

Autor Christophe Bernard ist Chefstratege der Vontobel-Gruppe. Als Vorsitzender des Anlagekomitees ist er für die Anlagestrategie der Bank verantwortlich. Bernard verfügt über eine 20-jährige Investmenterfahrung, unter anderem als Chief Investment Officer bei Union Bancaire Privée in Genf und bei Deutsche Asset Management in Frankfurt.

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