Sell in May and go away?

Börsenweisheiten sind so alt wie die Börse selbst. Für viele haben sie Regel-, wenn nicht sogar Gesetzescharakter. Schon ist Zeit für die nächste Börsenweisheit. Denn er ist wieder zum Vorschein gekommen, dieser berühmt-berüchtigte Börsenmonat „Mai“, für den als Klischee gilt: „Sell in May and go away“. Die Halver-Kolumne

„60 Prozent der deutschen Aktien sind im Besitz insbesondere angelsächsischer Anleger. Eigentlich könnte man den Dax in Dax Jones umbenennen. Werden sie ab Mai verkaufen? Nein, denn sie wissen den Sexappeal unserer Industrieperlen zu schätzen.“

Auf den ersten Blick macht diese „Börsenregel“ sogar Sinn. Wenn das Kapitalmarktjahr schon ein gutes Stück gelaufen ist, sitzen viele Anleger auf dicken Buchgewinnen und die „Hand mach auf und steck ein-Saison“, also die Dividendensaison, geht zur Neige. Und dann kommt ohnehin noch die „Saure Gurken-Zeit“ eines traditionell langweiligen Börsensommers, in der noch nicht einmal ein Sack Mais umfällt. Erst nach dem Sommer, im September, wenn es bei Aldi, Lidl & Co. schon Spekulatius und Lebkuchen gibt, jeder wieder nach dem Urlaub an Bord ist und sich alle für das Jahresendgeschäft rüsten, geht es an der Börse wieder los und mit Aktien aufwärts. Konkret muss die Börsenweisheit also lauten: „Sell in May and go away but remember to come back in September“.

Geldpolitische Schaumschlägerei als Treibmittel des Mai-Effektes?

Bestätigt sich diese Börsenweisheit auch in diesem Jahr? Nicht wenige Marktteilnehmer meinen, dass der fulminante Jahresstart, der ja sogar den Hype des Neuen Marktes in den Schatten stellt, eine gute Gelegenheit dafür ist. Diese völlig übertriebene Aktien-Rallye ist doch eh alles fauler Zauber, nur heiße Luft von wild gewordenen Notenbankern, die sich dem Gutmenschentum verschrieben haben, um die Finanzwelt vor Krisen zu bewahren. Mit Bodenständigkeit hat diese geldpolitische Schaumschlägerei nun wirklich nichts mehr zu tun, oder?

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Auf den zweiten Blick allerdings – historisch betrachtet – gibt es dafür keine klaren Beweise. Seit 2000 hat sich diese Börsenregel sechs Mal bestätigt, aber neun Mal eben nicht, wobei die Bestätigung vor allem in den letzten Jahren ausgeblieben ist. Unentschieden fällt die Beweisführung für den September-Effekt aus. Seit 2012 gilt: Wer zum Sommer ausgestiegen war, hat warme Liquiditätshaussen verpasst. Denn seit Sommer 2012 läuft die geldpolitische Rettungsmission der EZB als Dauerschleife.

Seite zwei: Dax alias Dax Jones

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