„Ich nenne es soziale Marktwirtschaft“

In den letzten zehn Jahren war unser Finanzsystem durch Immobilien-, Banken-, Finanz-, Wirtschafts- und Euro-Krisen oft genug todkrank. Sein Exitus hätte einen Deflationsschock mit Massenarbeitslosigkeit, Konsum- und Investitionsunlust und schließlich sozialen Unruhen ausgelöst. Die Halver-Kolumne

Robert Halver, Baader Bank: „Der politisch überkorrekte, hypermoralische  Helikopter-Staat nimmt der Wirtschaft immer mehr Entfaltungsmöglichkeiten.“

Doch sie kam, sah und siegte: Die Politik. Sie brachte den schwindsüchtigen Patienten mit unkonventionellen staatlichen Behandlungsmethoden in eine stabile Seitenlage. Die Finanzpolitik bekämpfte mit beispiellosen und stabilitätsfeindlichen Neuschulden erfolgreich die Depression. Die theoretisch unausweichliche Schuldenkrise verhinderte die Geldpolitik praktisch ebenso durch Rechtsbeugung ihrer Regeln. Der politische Zweck des Systemerhalts heiligt eben alle Mittel.

Den Luxus von Regeln leistet sich Politik bis heute nicht. Der Regelbruch ist nicht die Ausnahme, sondern zur Regel geworden. Nur so scheint Ruhe in den umsturzbedrohten Karton zu kommen. Mit wirklichen Stabilitätskriterien hätte man Griechenland nicht in der Eurozone halten können. Und angesichts seiner vielfachen Defizitverstöße hätte Frankreich stabilitätsgerechte Milliarden-Strafen zahlen müssen.

Doch niemand in Brüssel wollte die Franzosen gegen Europa aufbringen. Und wer jetzt glaubt, die EU würde an Italien trotz aktueller Schaukämpfe ein klares Stabilitäts-Exempel statuieren, glaubt vermutlich auch an den Weihnachtsmann. Brüssel will Europa gerade vor den Europa-Wahlen im Frühjahr 2019 keiner weiteren Belastungsprobe aussetzen. Der Abgang der Briten sorgt bereits für Knirschen im EU-Gebälk.

Was Mutter Beimer in der Lindenstraße ist die EZB in der Eurozone

Angesichts einer Weltgesamtverschuldung von etwa 250 Billionen US-Dollar sind markt-, bonitäts- oder stabilitätsgerechten Leitzins- und Renditeerhöhungen reine Illusion. Der Schuldendienst wäre nicht mehr bezahlbar. Für diese Erkenntnis reicht das kleine Einmaleins. Ohnehin wächst die weltweite Verschuldung weiter wie Spargel im Frühjahr. Wie sonst soll soziale Ruhe auf den Straßen finanziert werden? Und in Amerika gibt es zwar viele neue, aber viel zu wenige einkommensstarke Jobs. Und wo das Einkommen fehlt, müssen eben Kredite her. Kein US-Präsident hat Interesse, dass die amerikanische Schuldenblase platzt, denn dann platzen auch Konjunktur und Wiederwahl.

Aus Angst vor wirtschaftlichen Verwerfungen will auch die Fed der Schuldenblase keine Reißzwecke in den Weg legen. Trotz neunmaliger Steigerungen bis Jahresende liegt der US-Leitzins doch nur auf dem Niveau der Inflationsrate. Vor der ersten Erhöhung 2015 war der reale Notenbankzins sogar noch positiv. Ich glaube sogar, dass der Zinserhöhungszyklus im nächsten Jahr ausläuft.

Noch weniger Angst muss man vor Stabilitätsanfällen der EZB haben. Im Gegenteil, sie betreibt satzungsfremde Sozialpolitik zur Bewahrung des europäischen Friedens.

Seite zwei: Die vielen Schattenseiten des Etatismus

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