Drei Aktienmarkt-Szenarien für 2020

Chris Lees, Fondsmanager bei J O Hambro Capital Management Group für die Fonds Global/International Select, mit seiner Sicht auf die Perspektiven der internationalen Aktienmärkte im kommenden Jahr.

Für 2020 sehen wir drei mögliche Marktszenarien:

Szenario 1: Die Märkte steigen unter gleicher Führung wie bisher (z. B. Technologie, USA, Wachstumswerte). Dieses Szenario ist eindeutig gefährdet. Katalysator für den abrupten Stimmungswandel dürfte das Fiasko des abgesagten Börsengangs von WeWork gewesen sein, das die schlechte Corporate Governance, die fragwürdigen Geschäftsmodelle und die extreme Überbewertung vieler „Einhörner“ ins Licht gerückt hat.

Szenario 2: Die Märkte steigen unter neuer Führung. Sollten beispielsweise der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der Brexit weniger schlimm verlaufen als zurzeit befürchtet, wird die Umschichtungsbewegung in Substanz- und zyklische Titel, die im September und Oktober zu beobachten war, vermutlich weitergehen.

Szenario 3: Die Aufwärtsbewegung der Märkte endet (stattdessen folgt z. B. eine Seitwärts­bewegung, eine „Korrektur in der Hausse“ oder ein Bärenmarkt). Das ist immer noch das unwahr­schein­lichste Szenario angesichts der Zinssenkungen der Notenbanken und der stabilen Kreditmärkte. Lale Topcuoglu, Head of Credit im JOHCM Multi-Asset Value Team in unserer New Yorker Niederlassung, weist allerdings warnend auf erste Stresssignale bei Unternehmensanleihen mit CCC-Rating hin. Sind diese vielleicht so etwas wie der Kanarienvogel in der Kohlengrube?

Wir raten aktuell zu einer defensiven und einer zyklischen Komponente im Portfolio. Es ist demnach aber noch zu früh, um voll auf die defensive oder die zyklische Karte zu setzen. Der „Global Earnings Revision Ratio“, der das Verhältnis der positiven zu den negativen Gewinnrevisionen angibt, ließ im November eine gewisse Stabilisierung erkennen, nachdem er zehn Monate in Folge gesunken war. Am stärksten war der Anstieg interessanterweise in der Halbleiter­branche, die dem Quotienten oft einen Monat vorauseilt. Die einzigen echten Verbesserungen, die in Schwellenländern bei den Gewinnrevisionen zu beobachten sind, betreffen übrigens auch Halbleitertitel – in anderen Bereichen dieser Märkte wahren wir deshalb weiterhin Zurückhaltung.

Wie immer halten wir die Augen weit offen für etwaige Veränderungen oder Überraschungen (positive ebenso wie negative) und werden wie gehabt unsere Verkaufskriterien schonungslos anwenden, indem wir Titel aussortieren und abstoßen, die fundamental oder technisch auf der Verliererseite stehen. Wir werden versuchen, diese durch interessante Einzeltitel (mit relativ geringer Korrelation zum jeweiligen Sektor oder Land) zu ersetzen, die von den kurzfristigen computergesteuerten und langfristigen passiven Geldströmen, die das stark korrelierende heutige Investmentumfeld prägen, weniger stark beeinflusst werden.

Foto: Shutterstock

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