EZB-Politik: „Welthistorisch einmaliges Experiment“

Zumindest der Leitzins der Eurozone bleibt wie gehabt und das länger als zunächst angekündigt. Das hat die EZB gestern beschlossen. Die Meinung der Finanz- und Investmentfondsbranche darüber ist geteilt. Was sagen die Befürworter und Kritiker?

EZB-Zentrale in Frankfurt und Skatepark im Vordergrund: Beim Leitzins gab es schon lange kein Auf und Ab mehr.
EZB-Zentrale in Frankfurt und Skatepark im Vordergrund: Beim Leitzins gab es schon lange kein Auf und Ab mehr.

Die Europäische Zentralbank EZB hat gestern angekündigt, den Leitzins über das Jahresende hinaus bei null Prozent zu belassen. Geschäftsbanken bietet sie längerfristige Kredite zu günstigen Konditionen an (TLTRO), diese sollen von September 2019 bis März 2021 zur Verfügung stehen und eine Laufzeit von zwei Jahren haben. Finanzinstitute, die bei der EZB Geld parken, müssen weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.

Das Beste, was die EZB tun konnte

Die Reaktionen der Finanzbranche auf die Ankündigung des EZB-Rates sind gespalten. Positiv äußert sich Seema Shah, Senior Global Investment Strategist bei Principal Global Investors: „Zum ersten Mal in ihrer kurzen Historie zeigt sich die EZB eher vorausdenkend als nur reagierend. Dadurch, dass sie neue Liquiditätsmaßnahmen angekündigt hat – früher als der Markt das erwartet hat – zeigt sich die EZB ihrer Zeit voraus und gibt dem Bankensektor einen starken Rückhalt.“

Die klassischen Instrumente der Notenbankpolitik seien ausgereizt. „Das Beste, was sie in dieser Situation tun konnte, hat sie gemacht“, so Shah.

EZB hat überrascht

Ähnlich kommentiert Dr. Jürgen Odenius, Economic Counsellor bei PGIM Fixed Income, die EZB-Sitzung: „Falls jemand dachte, die EZB würde die derzeitige Konjunkturschwäche wie gewohnt angehen, wurde heute vom Gegenteil überzeugt.“ Die EZB habe mit einem überzeugenden Paket überrascht, das auch zeige, dass sie nicht mittellos sei.

Mit der Verlängerung der Forward Guidance über die Amtszeit Mario Draghis hinaus habe sie den Handlungsspielraum seines Nachfolgers begrenzt. „Diesen Schritt deuten wir als ein starkes Signal, dass die Draghi-Nachfolge – und alle damit verbunden Unsicherheiten – die Bereitschaft der EZB, die Wirtschaft weiterhin zu stützen, nicht beeinträchtigt wird“, sagt Odenius.

Pulver verschossen

Skeptischer ist Ifo-Präsident Clemens Fuest: „Die Reaktion der EZB auf die Abschwächung der Konjunktur in der Eurozone ist angemessen. Es zeigt sich aber, dass die Geldpolitik ihr Pulver weitgehend verschossen hat. Falls die Eurozone in eine Rezession schlittert, hat die EZB kaum noch Optionen, wirksam dagegenzuhalten.“

Seite zwei: „Es gibt kein ökonomisches Lehrbuch auf der Welt, das eine derartige Therapie empfiehlt.“

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