US-Wahl als Ü70-Party

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei Blackrock, über die Situation in den USA vor einem vermeintlichen Impeachment-Verfahren, den beginnenden Wahlkampf und die politische Disruption in Deutschland.

Martin Lück, Blackrock: „Politische Paralyse für deutsche Anleger.“

Während die Republikaner ihre Reihen fest um den immer wilder um sich schlagenden Präsidenten schließen, geht das Hauen und Stechen bei den oppositionellen Demokraten erst richtig los. Bis zur Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 sind es nunmehr noch gut 11 Monate, und bisher ist weder klar absehbar, gegen wen Donald Trump antreten wird, noch ob ihm die laufende Impeachment- Untersuchung eher schadet (was manche hoffen) oder vielleicht sogar nützt (was wir glauben). Immer offensichtlicher wird lediglich, dass die Wahrscheinlichkeit für acht weitere Jahre Trump vor allem von der Positionierung seiner Gegner abhängt.

Und diesbezüglich wird die Lage immer komplizierter, denn nun hat auch Michael Bloomberg, der ehemalige Bürgermeister von New York, offiziell seinen Hut in den Ring geworfen. Seine Wahlkampfkasse dürfte bei einem geschätzten Vermögen von 54 Mrd. Dollar gut gefüllt sein, und auch altersmäßig passt er in die Schar der bisherigen Bewerber. Denn nicht nur der Amtsinhaber hat die 70 überschritten, sondern auch alle ernsthaften Kandidaten, die für die Demokraten ins Rennen gehen könnten, angefangen bei dem in Umfragen führenden Joe Biden (77), dem Zweitplatzierten Bernie Sanders (78) bis zur knapp dahinter lauernden Elizabeth Warren (70) und eben dem neu eingestiegenen, inzwischen ebenfalls 77 Jahre alten Mike Bloomberg.

Dabei haben ausgerechnet die potenziell aussichtsreichsten, weil moderatesten Kandidaten, Biden und Bloomberg, sogar einen relativen Altersnachteil gegenüber dem mit 73 Jahren keineswegs mehr taufrischen Donald Trump und dürften sich zudem gegenseitig Stimmen wegnehmen. Die Möglichkeit, einen dynamischen Aufbruch Amerikas als Alternative zum umstrittenen Amtsinhaber ins Werk zu setzen wie dies etwa Barack Obama im Wahlkampf 2007 gelang, rückt in weite Ferne. Die nächstplatzierten jüngeren Kandidaten sind der überraschend im wichtigen Iowa in Führung liegende Pete Buttigieg (37) sowie die ehemalige kalifornische Gouverneurin Kamala Harris (55). Beide rangieren derzeit unter ferner liefen mit Umfragewerten von 7,8 bzw. 4,0%.

Politische Disruption in Deutschland?

Nach politischer Disruption sieht es auch in Deutschland nicht aus. Nachdem am vergangenen Wochenende in Leipzig die Machtfrage in der CDU zwar gestellt, aber nicht beantwortet wurde, richtet sich die Aufmerksamkeit wieder auf die Vorsitzenden-Wahl in der SPD. Selbst für den Fall, dass Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken das Rennen machen, ist ein Ausstieg der Sozialdemokraten aus der GroKo keineswegs beschlossene Sache. Der Berliner Politikbetrieb hat sich bequem eingerichtet, 152 SPD-Bundestagsabgeordnete hängen an ihren Jobs vermutlich fast so sehr wie die sechs Bundesminister, welche die Partei zurzeit stellt.

Wirft man dazu einen Blick auf die bisher erledigten Gesetzesvorhaben aus dem Koalitionsvertrag, ist eine sozialdemokratische Handschrift ebenso deutlich zu erkennen wie die Bereitschaft der CDU und ihrer Kanzlerin, durch Zugeständnisse gegenüber der SPD wie jüngst bei der Grundrente die GroKo um nahezu jeden Preis am Leben zu erhalten. Legen wir also das gegenwärtige Gewicht der SPD in Berlin nebst den absehbaren Gestaltungsmöglichkeiten bis zur nächsten Bundestagswahl 2021 in die eine Waagschale, und dann die Oppositionsrolle und die wohl eher düsteren SPD-Wahlchancen 2021 in die andere, so lässt sich leicht die gegenwärtige Interessenabwägung der Sozialdemokraten ermessen. Ein Ausstieg aus der GroKo käme einem Verzicht auf politische Gestaltungsmacht im Bund auf viele Jahre gleich. Auch wenn Basis und Jusos noch so viel Sympathie für den Ausstieg aus der Koalition haben, eine realistische politische Option ist er nicht.

Was das für Anleger bedeutet

Für Anleger ergibt sich das Bild politischer Paralyse in Deutschland, was gerade in Zeiten enormer Herausforderungen unheimlich anmutet. In den USA dagegen verfestigt sich der Eindruck, dass die politische Strömung geradezu auf Trump zuläuft, trotz oder gerade wegen seiner Verfehlungen, trotz oder gerade wegen seines offensichtlichen Amtsmissbrauchs und der laufenden Impeachment-Untersuchungen. Eine große Rolle dürfte die Konjunktur spielen. Letzte Woche legte der Einkaufsmanagerindex um einen vollen Punkt auf 51,9 zu, was auf weiteres, wenn auch eher schwaches Wachstum hindeutet.

In dieser Woche könnte eine Aufhellung der US-Aufträge für langlebige Wirtschaftsgüter signalisieren, dass sich die Investitionsnachfrage stabilisiert. Und sollte dann noch am Mittwoch die Kerninflationsrate bei niedrigen 1,7% verharren, wäre es aus Sicht des US-Präsidenten eine gute Woche an der Datenfront. Denn bei weiter robuster Verfassung der Wirtschaft könnte dann niedrige Inflation den Spielraum dafür bieten, Anfang 2020 den Druck auf die Notenbank wieder zu verstärken und damit neue Punkte für den Wahlkampf zu sammeln. Die Lektion für Kapitalmarktteilnehmer ist klar: den politischen Schlachtenlärm möglichst ausblenden und ganz opportunistisch die sich bietenden Gelegenheiten suchen. Zumindest im Aktienbereich sehen wir diese – trotz des fragwürdigen Personals an der Spitze des Landes – weiterhin in den USA.

Foto: Blackrock

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