Richter, BVI: „Die Überregulierung in der EU behindert Europas Asset Manager“

Altersvorsorge, Nachhaltigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Asset Management Branche im globalen Zusammenhang sind für die Fondswirtschaft die zentralen Themen der kommenden Jahre. „Bei der Zukunftssicherung der Bevölkerung und der Verbreitung nachhaltiger Anlagen geht schon heute an der Fondswirtschaft kein Weg vorbei“, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter auf der Jahrespressekonferenz. „Wir könnten noch mehr tun. Aber dafür müssten die Gesetzgeber in Deutschland und der EU die richtigen Weichen stellen.“

Thomas Richter, BVI, plädiert dafür, die Idee der Finanztransaktionssteuer endgültig zu begraben.

Der BVI fordert daher eine Regulierungswende in der EU. Die überbordende Regulierung bindet enorme Ressourcen, die für Investitionen in Technologie und die Erschließung neuer Märkte fehlen. Die EU muss globaler denken und neben Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzindustrie als Regulierungsziel verankern.

„Die Überregulierung in der EU behindert Europas Asset Manager im globalen Wettbewerb. Sie ist fixiert auf Verbraucherschutz und Finanzmarktstabilität und berücksichtigt bei aufsichtlichen und regulatorischen Abwägungsentscheidungen nicht die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Asset Management Branche. Das muss sich ändern“, so Richter. In den USA sei die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzwirtschaft schon länger ein Regulierungsziel – mit sichtbarem Erfolg. In der EU spiele sie selbst in den Überlegungen zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion bislang kaum eine Rolle.

„Der Binnenmarkt ist wichtig, aber der Wettbewerbsdruck kommt von außen. In dieser Beziehung ist ein Level-Playing-Field unerlässlich.“ Die Branche würde weder nach Schutz noch nach Förderung rufen, sondern sich schlicht eine ausgewogene Regulierung wünschen, die sie im globalen Wettbewerb nicht behindert. Das Mandat von Kommissionspräsidentin von der Leyen an den neuen Finanzkommissar Dombrovskis, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu fördern, wertet der BVI als ersten Schritt in die richtige Richtung.

Vorsorgesparer entlasten und Riester vereinfachen

Die Fondswirtschaft ist mit rund 1.500 Milliarden Euro verwaltetem Altersvorsorgevermögen in Spezialfonds, Publikumsfonds und Mandaten das Rückgrat der deutschen Altersvorsorge. Die Bürger sparen über Versicherungen, Versorgungswerke und Arbeitgeber für die Rente, verwaltet werden diese Gelder dabei überwiegend in Fonds. Dazu Richter: „Wer die private Wohlstandssicherung und die Altersvorsorge in Deutschland stärken möchte, sollte Kleinsparer entlasten und nicht mit zusätzlichen Steuern gängeln.“

Er plädiert deshalb dafür, die Idee der Finanztransaktionssteuer endgültig zu begraben. Sie sei von Anfang an falsch gewesen. Inzwischen habe sie selbst unter früheren Befürwortern keine Unterstützung mehr, weil der jüngste Vorschlag des Bundesfinanzministers von den ursprünglichen Zielen der Steuer entkoppelt sei. Um die Sparer zu entlasten, fordert der BVI darüber hinaus, den Soli auf Kapitaleinkünfte abzuschaffen.

Daneben setzt sich der BVI für eine vereinfachte Riester-Rente mit deutlich weniger Bürokratie ein und hat dazu gemeinsam mit den Verbänden der Versicherer und Bausparkassen einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Das Konzept empfiehlt einfache Standardprodukte ohne komplizierte Wahlmöglichkeiten. „Die Vorschläge der Finanzverbände liegen der Bundesregierung vor. Für eine Reform der geförderten Altersvorsorge ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr viel Zeit“, mahnt Richter. Positiv bewertet der BVI in diesem Zusammenhang den rentenpolitischen Beschluss des CDU-Bundesparteitags vom vergangenen November. Dieser erteilt einem Staatsfonds in der privaten Altersvorsorge eine Absage und ebnet den Weg für ein modernes Standardprodukt.

Dynamik bei Nachhaltigkeit erhalten

Nachhaltige Anlagen sind für die Fondswirtschaft ein Wachstumsmarkt. Laut der Herbstumfrage 2019 des BVI halten 60 Prozent der befragten Asset Manager Nachhaltigkeit für einen großen Wachstumstreiber der Branche, noch vor niedrigen Zinsen (58 Prozent) und alternativen Produkten (51 Prozent). Der Anteil nachhaltiger Fonds am Netto-Mittelaufkommen der offenen Publikumsfonds ist in den vergangenen drei Jahren um mehr als 700 Prozent gestiegen, von einem 5-Prozent-Anteil im Jahr 2017 auf 40 Prozent im vergangenen Jahr.

Der BVI begrüßt, dass die Asset Manager selbst entscheiden können, ob sie die neue EU-Klassifizierung für nachhaltige Aktivitäten (Taxonomie) auf die Anlagestrategie ihrer nachhaltigen Fonds anwenden wollen. Wer sich dagegen entscheidet, muss dies lediglich in den Fondsunterlagen offenlegen. Außerdem gelten nicht nur „grüne“ Aktivitäten von Unternehmen als nachhaltig im Sinne der Taxonomie, sondern auch Übergangs- und Hilfsaktivitäten.

Dazu Richter: „Die Abstufungen sollten Fonds ausreichend Spielraum lassen, um im Einklang mit der Taxonomie in Unternehmen zu investieren, die an der Steigerung ihrer Nachhaltigkeit arbeiten.“ Positiv ist aus Sicht des BVI auch die Berichtspflicht für Unternehmen aus der EU. Sie müssen künftig den Anteil nachhaltiger Aktivitäten an Umsatz und Investitionen veröffentlichen. „Das ist ein erster Schritt dahin, dass Asset Manager ihre Transparenzpflichten gegenüber den Anlegern erfüllen können“, sagt Richter. Allerdings müssten die Datenlücken für Nicht-EU-Unternehmen noch geschlossen werden; von den weltweit 50.000 börsennotierten Unternehmen haben nur 6.800 ihren Hauptsitz in der EU.

Weichen für Kapitalmarktunion richtig stellen

Die Kapitalmarktunion ist 2014 als Leuchtturmprojekt der Kommission gestartet, kommt aber nicht vom Fleck. „Wir unterstützen die Kapitalmarktunion, denn es ist die Aufgabe von Asset Managern, Angebot und Nachfrage von Kapital grenzüberschreitend zusammenzubringen“, erklärt Richter. Allerdings verhindert die EU den Erfolg der Initiative seit Jahren selbst, vor allem durch falsch verstandenen Verbraucherschutz. Beispiele dafür sind der europäische Infrastrukturfonds ELTIF und das paneuropäische Pensionsprodukt PEPP.

Beides sind sinnvolle, aber überregulierte Konzepte. Fondsgesellschaft und Berater müssen darauf achten, dass Privatanleger nicht mehr als 10 Prozent ihres Anlagevermögens in ELTIF investieren. Das ist im Vertrieb nicht praktikabel. Beim PEPP hemmt ein Kostendeckel von 1 Prozent den Markterfolg; eine breite Angebotspalette inklusive verschiedener Anlagestile ist dadurch nicht möglich.

Die größten Hürden für eine erfolgreiche Kapitalmarktunion sind aber MiFID II und PRIIPs. Die verpflichtenden Warnhinweise und Beratungsauflagen vermitteln den Anlegern den Eindruck, Wertpapiere seien toxisch. Für das Ziel, grenzüberschreitend mehr privates Kapital zu mobilisieren, ist das kontraproduktiv.

Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum fühlen sich die Verbraucher durch die Regeln verunsichert statt geschützt. Inzwischen setzt sich die Bundesregierung nachdrücklich für die vom BVI geforderten Verbesserungen bei MiFID II und PRIIPs ein. Auch die neue Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion schlägt vor, die abschreckende Wirkung der Vorgaben zu untersuchen.

Foto: BVI

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