Nachhaltige Unternehmensanleihen unter der Lupe

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Michael Kobel, Union Investment

Der Markt für nachhaltige Unternehmensanleihen wächst rasant. Noch größer als das Wachstum ist aber die Nachfrage. Dies hat nicht nur regulatorische Gründe, sondern liegt auch an den Möglichkeiten zu größerer Streuung von Anlagen.

Für Investoren bietet der Markt für nachhaltige Anleihen zwar noch nicht die gleiche Vielfalt wie der traditionelle Unternehmensanleihemarkt, aber doch eine breite Auswahl. Inzwischen sind viele Währungsräume abgedeckt, und es gibt die Möglichkeit, die Risikoleiter über das Hochzinssegment hochzusteigen. Und: Das Volumen des Marktes wächst derzeit rasant. Zeit also, die verschiedenen Typen nachhaltiger Anleihen unter die Lupe zu nehmen.

Der Durchbruch für nachhaltige Unternehmensanleihen kam am 20. November 2013 mit einem Green Bond des französischen Versorgers EdF (Électricité de France). Das Beispiel zeigt, dass „grün“ nicht überall „grün“ ist: EdF betreibt zahlreiche Atomkraftwerke und Atomenergie zählt in Frankreich zwar zu den umweltfreundlichen Technologien, in Deutschland jedoch nicht. Je nach Land und Vorstellung der Anleger müssen somit unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. So sind Anleihen von EdF für nachhaltige Publikumsfonds von Union Investment ausgeschlossen, selbst wenn sie „grün“ sind.

Trotz dieser unterschiedlichen Ansichten zu Nachhaltigkeit bilden Grüne Anleihen seither ein stark wachsendes Marktsegment. Wenig später folgten Social sowie Sustainability Bonds. Letztere beide machen einen steigenden Anteil am Emissionsvolumen nachhaltiger Anleihen aus, werden aber noch recht selten von Unternehmen aufgelegt. Allen drei Typen ist gemein, dass die eingeworbenen Mittel für spezielle Projekte verwendet werden, über die das Unternehmen Rechenschaft ablegen muss. Dies können klar abgrenzbare nachhaltige Projekte sein, beispielsweise eine Beteiligung an der Stromproduktion aus erneuerbarer Energie zur Senkung des eigenen Ausstoßes von Treibhausgasen oder eine Verbesserung der Umweltbilanz in Produktionsprozessen oder Lieferketten.

Mitteleinsatz mit Transformations-Charakter

Anders ist dies bei einem seit 2019 aufgekommenen Anleihetyp, dem Sustainability-Linked Bond (SLB): Mit diesem Investmentvehikel werden Gelder in Projekte investiert, die zu den unternehmenseigenen nachhaltigen Zielen zählen und für die bestimmte Schlüsselgrößen erreicht werden müssen. Es wird Transparenz über das nachhaltige unternehmerische Handeln eingekauft. Die Emittenten haben sich im Rahmen der Anleiheemission verpflichtet, regelmäßig darüber Rechenschaft abzulegen, wie sie die eingeworbenen Gelder einsetzen und in welchem Umfang etwa CO2-Einsparungen erreicht wurden. Werden diese Schlüsselgrößen nicht innerhalb des bei der Auflage festgesetzten Zeitraums erreicht, wird das Unternehmen für seine Nachlässigkeit „bestraft“, indem es einen höheren Zinskupon (Step-up) an die Investoren zahlen muss. Die Fortschritte, um die Schlüsselgrößen zu erreichen, werden regelmäßig durch einen Wirtschaftsprüfer testiert.

Für Anleger bieten diese unterschiedlichen Anleihen interessante Beteiligungsmöglichkeiten. Anlagegelder, die in nachhaltige Bonds investiert werden, fließen nicht einfach in einen Sammeltopf für unternehmerische Zwecke, sondern werden bei Grünen Anleihen, Social Bonds oder Sustainability Bonds zielgerichtet eingesetzt. Bei Sustainability-Linked Bonds werden sie zwar für allgemeine Unternehmenszwecke verwendet, sind aber verknüpft mit Nachhaltigkeitszielen.

Sustainability-Linked Bonds sind insbesondere für kleinere und mittelgroße und bisher wenig nachhaltige, also „braune“ Unternehmen eine Möglichkeit, Mittel aufzunehmen, um ihre „grüne“ Transformation zu finanzieren. Eine genaue Bewertung des Unternehmens und der Glaubwürdigkeit der durch den SLB ausgedrückten Transformation ist dabei unerlässlich.

Aufgrund ihrer Größe haben SLB-Emittenten meist weniger Spielraum, um gezielt einzelne nachhaltige Projekte zur Finanzierung, etwa über eine Grüne Anleihe, anbieten zu können. Auch haben sie oft nicht die notwendigen Ressourcen, um standardisierte Emissionen für einzelne Projekte vorzunehmen. Ein Kritikpunkt an SLBs ist aber, dass die Basis nicht standardisiert ist. So werden Treibhausgas-Reduktionsziele auf unterschiedliche Ausgangsjahre hin gerechnet. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ein Treibhausgas-Ausstoßziel von der Basis 2011 oder 2013 aus gerechnet wird.

Trotz solcher Kritik hat der SLB-Markt durch die Schaffung des SLB-Standards von der International Capital Market Association (ICMA) sowie durch die Aufnahme in den Sicherheiten-Katalog der EZB einen rasanten Auftrieb erhalten. Es ist ein weiteres kräftiges Wachstum zu erwarten. Denn prinzipiell scheint es nicht nachvollziehbar, warum langfristig nicht alle Unternehmen ihre Anleihen als SLBs emittieren sollten und von konventionellen Schuldtiteln absehen. Denn wer sich als Unternehmen ein Klimaziel gibt, der kann eigentlich so gut wie jede Mittelverwendung unter dieses Ziel einordnen.

Große Unterschiede in der Qualität der Emittenten

Union Investment ermuntert Unternehmen im aktiven Dialog, vermehrt nachhaltige Anleihen zu emittieren, um eine grüne Transformation finanzieren und vorantreiben zu können. Eine aktive Auswahl ist dabei notwendig, um vordefinierte Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen. Denn es gibt aus ESG-Sicht große Unterschiede in der Qualität der Emittenten. Dabei ist auch eine enge Begleitung der Unternehmen sowie die genaue Analyse der Rechenschaftsberichte angezeigt, um die gewünschten Transformationseffekte zu bewirken.

Eine aktive Auswahl kann zudem Bewertungsunterschiede bei nachhaltigen Anleihen berücksichtigen. So werden derzeit Anleihen mit einem hohen ESG-Score (also einer vergleichsweise überdurchschnittlichen Nachhaltigkeits-Einstufung) am Kapitalmarkt höher bewertet als konventionelle Anleihen. Bei anderen Faktoren – etwa im Treibhausgasausstoß – ist dies noch nicht der Fall. Das zeigt, dass allein über simple Ausschlusslisten kein optimales Anlageergebnis zu erwarten ist. Es braucht einen nach vorne gerichteten Ansatz, der die Fortschritte von Unternehmen etwa bezüglich des CO2-Ausstoß misst und berücksichtigt.

Autor Michael Kobel ist Portfoliomanager Renten bei Union Investment

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