Die Bröning-Kolumne: Vorsicht vor flüchtigen Bekanntschaften

Foto: Fonds Finanz
Tim Bröning

Anleger erleben derzeit, wie sich die welt- und geldpolitischen Spielregeln grundlegend ändern. Wegen hoher Inflation und steigender Zinsen wurden seit Ende 2021 viele stark wachsende, aber häufig unprofitable Unternehmen – die jahrelangen Lieblingsaktien vieler Anleger – abverkauft. Seit Mai erschüttert zudem die Furcht vor einer Rezession in den USA und Europa die Börsen. Dies führte zu einer hohen Volatilität mit massiven Kurseinbrüchen und kurzfristigen Erholungen im Wechselspiel. 

Plötzlich dominieren nicht mehr rosige Zukunftsaussichten und blumige Versprechungen der Unternehmen die Kapitalmärkte, sondern Rezessionsängste, eine drohende Lohn-Preis-Spirale, steigende Zinsen und ein Krieg in Europa. Dieser Krieg gegen die Ukraine verstärkte bereits vorhandene inflationäre Trends und verschärfte die Unsicherheit an den Börsen zusätzlich. Anleger haben derzeit Angst, wie der bekannte „Fear and Greed Index“ des US-Nachrichtensenders CNN zeigt. Noch Anfang April hatte das Barometer deutliche „Gier“ (Greed) statt „Angst“ (Fear) offenbart. 

Eine andere Art der Angst

Eine etwas andere Art der Angst spielte auch in den Jahren seit der letzten Finanzkrise eine bedeutende Rolle. Die „Fear of Missing Out“ (FOMO) beschreibt die von Gier getriebene Furcht, etwas zu verpassen. In der Pandemie zeigten sich z. B. Technologie-, Cybersecurity-, Streaming- und Biotechnologieaktien als besonders aussichtsreiche Trends, auf die viele Anleger aufsprangen. Mit nur wenigen Fonds oder ETFs auf Sektor- oder Themen-Basis konnte man diesen Trends folgen und pro Jahr zweistellige Renditen einfahren. Diese Entwicklung erwies sich für viele Anleger als lukrativ und daher äußerst verlockend, was sich unter anderem an den massiven Mittelzuflüssen in Themenfonds und -ETFs in den letzten Jahren zeigte. 

Freundschaften gehen zu Ende

Ein bekanntes Anlegersprichwort lautet: „The Trend is your Friend“. Doch angesichts der unsicheren Lage scheinen einige Freundschaften jetzt aufgekündigt. Positive Anlagetrends der letzten Jahre erweisen sich in diesem neuen Umfeld als falsche Freunde. Seit Herbst letzten Jahres stürzten sowohl viele Technologie- als auch Biotech-Aktien ab. Auch einige viel beachtete Themenfonds oder -ETFs, die auf diese oder ähnliche wachstumsstarke Trendthemen setzten, erlitten seither schwere Verluste. Der ARK Innovation ETF der amerikanischen Investorin Cathie Wood, die für ihre Anlagen in schnell wachsende, aber oft unprofitable Technologie-Unternehmen bekannt ist, hat seit seinem Allzeithoch im Februar letzten Jahres 75 Prozent an Wert verloren. Dieser ETF steht stellvertretend für einige Anlagetrends, die gerade durch die Neuordnung der (Investment-)Welt gebeutelt werden. 

Dass die richtige Einschätzung von übergeordneten Investmenttrends vor allem für Privatanleger problematisch ist und diese häufig unter einem Informationsdefizit gegenüber Profis leiden, zeigte eine amerikanische Metastudie bereits vor mehr als zehn Jahren. Auch eine neue Veröffentlichung des Research-Hauses Morningstar zeigt deutliche Schwierigkeiten bei Themeninvestments auf: Mit zunehmender Lebensdauer steigt die Gefahr, dass Themenfonds liquidiert werden. Zudem sinkt die Wahrscheinlichkeit der Mehrrendite gegenüber dem Weltaktienmarkt, je länger die Fonds am Markt sind. 

Erschreckend ist, dass viele Privatanleger ihr wesentliches Ziel aus den Augen verlieren. Eine Studie im Auftrag des Berliner Neo-Brokers Trade Republic zeigte im Februar, dass mehr als 70 Prozent der befragten Nutzer die Anlageplattform zur Altersvorsorge gebrauchen möchte. Doch ihrem Wunsch nach langfristiger Geldanlage kommen nur die wenigsten der Nutzer tatsächlich nach, was sich beim Blick in ihre Portfolios offenbart.

Statt sich breit aufzustellen, legen Selbstentscheider durchschnittlich 60 Prozent ihres Portfolios in Einzelaktien an. Sie spekulieren somit offenbar mit konzentrierten Wetten, statt sich unabhängig von spezifischen Aktientrends zu machen. Dies führte dazu, dass Anleger zwischen Januar 2019 und April 2021 nur etwa ein Drittel der Rendite des Weltaktienmarktes erzielten (7,1 % p. a. im Vergleich zu 22,5 % p. a.) – und das gleichzeitig bei deutlich höherem Risiko. Die Versuchung vermeintlicher Chancen bei verschiedenen Investment- und Aktientrends ist für viele Privatanleger scheinbar zu groß, um ihr zu widerstehen. Dadurch konterkarieren sie letztendlich aber ihr eigentliches Ziel. Anleger tun sich mit der ständigen Suche nach dem nächsten großen Trend oftmals keinen Gefallen. Ebenso risikoreich ist die Suche nach der nächstbesten Nachkaufgelegenheit („Buy the Dip“).

Bisher wäre es für die meisten viel erfolgversprechender gewesen, sich auf das absolut Wesentliche zu konzentrieren. Beinahe unschlagbar war für Privatanleger in der Vergangenheit die Kombination aus einem global diversifizierten Aktienfonds- bzw. Aktien-ETF-Portfolio und Edelmetallen. Beides gewährleistete über viele Jahrzehnte hinweg Kaufkrafterhalt und lieferte im Zusammenspiel hohe Renditen bei reduzierter Volatilität gegenüber der reinen Aktienanlage. 

Um eines klarzustellen: Es spricht nichts dagegen, auch das ein oder andere Themeninvestment in seiner Anlagestrategie beizumischen. Nur sollten Anleger den Trendthemen nicht die Hauptrolle im Depot zuteilwerden lassen. Das Fundament der Anlagestrategie sollten die Investments bilden, auf die sich Anleger erwiesenermaßen langfristig verlassen können. The Trend is your Friend? Ja und nein. Manche Trends erweisen sich eine Zeit lang als lukrativ. Wahre Freunde beweisen ihre Treue aber nicht nur in bestimmten Phasen, sondern ein Leben lang. Alles andere sind am Ende vielleicht nur Bekanntschaften, die sich manchmal zwar als angenehm und nützlich, aber oft auch als flüchtig offenbaren.

Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.

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