Blackrock sieht geopolitische Risiken als brisanten Risiko-Cocktail

Zweimal im Jahr treffen sich BlackRock-Portfoliomanager, Volkswirte und Strategen zum ‚Outlook Forum‘. Letzte Woche fand die zweitägige Konferenz in der Nähe von London statt, und trotz einer konstruktiven Grundstimmung war im Vergleich zu den Treffen des Vorjahres vor allem eines feststellbar: War das Jahr 2018 vor allem von der Angst vor steigenden Zinsen dominiert gewesen, trat diese Befürchtung seit Anfang 2019 in den Hintergrund und wurde abgelöst durch geopolitische Risiken. Ein Kommentar von Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock.

Martin Lück analysiert das Geschehen an den wichtigsten Kapitalmärkten.

Angefangen beim Handelsstreit zwischen den USA und China, endend bei der Kriegsgefahr im Mittleren Osten, sieht inzwischen eine klare relative Mehrheit (knapp 45%) von BlackRock-Investoren hier den entscheidenden Kapitalmarkttreiber in diesem Jahr. Erst mit weitem Abstand (gut 30%) folgt die Geld- und Fiskalpolitik auf Platz zwei.

Alle Brandherde könnten in den nächsten Wochen und Monaten eskalieren

In der Tat scheinen sich viele der geopolitischen Risiken, einige davon mit direkten volkswirtschaftlichen Auswirkungen, verschärft zu haben. Darunter sind altbekannte Themen wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Brexit oder der Haushaltsstreit zwischen Italien und der EU, aber auch neuere Konflikte wie die Kriegsgefahr zwischen den USA und dem Iran oder ein neues Hochkochen der Türkeikrise.

Alle diese Brandherde könnten in den nächsten Wochen und Monaten eskalieren – mit potenziell desaströsen Auswirkungen für die Märkte. Beim Handelsstreit erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die Präsidenten Xi Jinping und Donald Trump beim G20-Gipfel Ende Juni einigen. In der Folge könnte Trump Zölle auf weitere China-Importe von gut 300 Mrd. Dollar verhängen.

Auch beim Brexit stehen die Zeichen auf Eskalation

Sollten damit dann über 500 Mrd. Dollar chinesischer Lieferungen in den USA mit 25% Einfuhrzöllen belegt sein, könnte das die chinesische Wirtschaft rund einen Prozentpunkt ihres jährlichen BIP-Wachstums kosten. Keine gute Nachricht, wenn die Hoffnung einer globalen Wachstumserholung zu allererst auf China beruht.

Auch beim Brexit stehen die Zeichen auf Eskalation. Denn mit Boris Johnson bewirbt sich gerade derjenige für den Tory-Vorsitz, der sein Land mit Lügenkampagnen und falschen Versprechungen in die tiefste politische Krise der jüngeren Geschichte gestürzt hat. Gegenüber der EU verspricht er seinen Hard-Brexit-Getreuen eine unnachgiebige Linie zu fahren und Nachverhandlungen zu erpressen.

Gut möglich, dass sich die EU darauf nicht einlässt und damit die Wahrscheinlichkeit eines harten Brexit steigt. Und als hätte die Europäische Union damit nicht genug zu tun, provoziert auch die italienische Regierung um Vize-Premier Salvini, der nach den Zugewinnen bei der EU-Wahl vor Kraft kaum laufen kann, mit ausgabefreudigen Haushaltsplänen. Möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Italien-Spreads Richtung Spätsommer zunehmen, bevor eine Lösung gefunden wird.

Unruhen im Nahen Osten entwickelten lange weniger Risiken

Auch die beiden eher jungen politischen Krisen, der US-Iran-Konflikt und der Türkeikonflikt, haben das Potential, die Risikoneigung vieler Investoren zu dämpfen. Kaum jemand kann wohl zu 100% sagen, ob wirklich der Iran hinter den Angriffen auf zwei Öltanker in der Straße von Hormuz letzte Woche steckte. Wer immer es war, er hat die Gefahr eines militärischen Konflikts erheblich erhöht.

Und in der Vergangenheit sind Kriege im Mitteleren Osten nicht selten der Katalysator für Wechsel im Risikoregime gewesen, sei es über den Ölpreis, Behinderungen für den Welthandel oder allgemein über mehr Unsicherheit. Und schließlich droht in der Türkei eine Eskalation des Konflikts zwischen Präsident Erdogan und den Oppositionsparteien. Am Sonntag findet die von Erdogan erzwungene Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Istanbul statt.

Unterliegt der in allen Umfragen führende CHP-Politiker Ekrem Imamoglu, der am 31. März gewonnen hatte, könnte dies zu massiven Protesten der Erdogan-Gegner führen. Denn es wird vielerorts vermutet, dass Erdogan einerseits diese Wiederholungswahl überhaupt nur mit illegalen Tricks gewinnen kann und für den Präsidenten andererseits viel auf dem Spiel steht, sollte Imamoglu gewinnen. Es geht um Erdogans Verstrickungen in seiner Zeit als Istanbuler Bürgermeister, um Vetternwirtschaft und illegale Immobiliendeals des Erdogan-Clans, kurz: möglicherweise um das politische Überleben des Präsidenten selbst.

Was bedeutet das für Anleger?

Sollte die Lage in der Türkei nach einem erschlichenen Sieg des Erdogan-Statthalters eskalieren, könnte dies ein Verkaufssignal für Schwellenlandanlagen insgesamt sein. Überhaupt scheint derzeit die geopolitische Lage derart zugespitzt, dass viele Investoren neben den Aktienschwerpunkten, zu denen sie niedrige Zinsen geradezu zwingen, auch sichere Häfen wie Gold oder Staatsanleihen suchen. Robuste Goldnotierungen und extrem niedrige Anleiherenditen (um -0,25% bei der 10jährigen Bundesanleihe, weniger als 2,10% für deren US-Pendent) sprechen für eine derartige Positionierung an den Enden des Risikospektrums, also eine klassische ‚Barbell‘-Allokation. Allerdings erinnern uns die eingepreisten Wetten auf zwei bis drei Zinssenkungen der Fed bis Jahresende daran, dass auch Anleihen zurzeit eher teuer sein dürften. Am morgigen Mittwoch tagt das FOMC (Federal Open Market Committee) und könnte uns neue Aufschlüsse über die Zinsabsichten der Fed liefern.

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