34f-Vertrieb: „Taping wird ein Problem des Wettbewerbsrechts“

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Stefan Löwer

Das Wichtigste an dem „Jahresend-Kick-Off“ des Vertriebspools Bit Treuhand in der vergangenen Woche war, dass die Veranstaltung mit mehr als 100 Gästen überhaupt stattgefunden hat. Doch es gibt auch inhaltliches zu berichten, vor allem in Punkto Regulierung. Der Löwer-Kommentar

Wenn gewerbliche Finanzdienstleister (Paragraf 34f Gewerbeordnung) die seit August bestehende Pflicht zur Aufzeichnung und Archivierung von telefonischen Beratungsgesprächen nicht erfüllen, gehen sie nicht unbeträchtliche Risiken ein. Das ist längst bekannt. Doch neben Ärger mit der Gewerbeaufsicht und eventuellen Beweislücken in künftigen Fällen von Beratungshaftung gibt es eine weitere Problematik.

„Das Taping wird ein Problem des Wettbewerbsrechts“, sagte der auf Vertriebsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Ekkehard Heberlein bei einer Podiumsdiskussion auf dem „Jahresend-Kick-Off“ der Bit Treuhand am vergangenen Mittwoch in Frankfurt. Demnach können die Kunden jederzeit eine Kopie der Aufzeichnung ihrer Gespräche verlangen. Sofern der Vermittler diese nicht liefern kann und ein Wettbewerber – zum Beispiel über einen gemeinsamen oder ehemaligen Kunden – davon erfährt, kann er den Finanzdienstleister abmahnen beziehungsweise verklagen.

Entsprechend spezialisierte Anwälte stehen dafür gerne bereit. Angesichts der Streitwerte, die dann aufgerufen werden, könne das teuer werden, so Herberlein. Im Augenblick sei die Prozessflut gegenüber dem Vertrieb zwar etwas abgeebbt, das könne sich aber schnell wieder ändern.

Taping-Verzicht des Kunden nicht erlaubt

Auch die Rechtsanwälte und Verbands-Chefs Martin Klein (Votum) und Norman Wirth (AfW) ermahnten die Finanzdienstleister, die Taping-Pflicht ernst zu nehmen. Dabei bleib der Eindruck, dass auch zwei Monate nach Inkrafttreten der Vorschrift anscheinend längst noch nicht alle Vertriebspartner die Taping-Basics vollständig verinnerlicht haben, um es vorsichtig auszudrücken.

So musste Klein auf entsprechende Nachfrage aus dem Publikum erneut betonen, dass ein Verzicht des Kunden auf das Taping nicht erlaubt ist. „Wenn der Kunde die Aufzeichnung ablehnt, muss das Telefonat abgebrochen werden“, so Klein. Dann ist das Telefon nur noch für Terminabsprachen und ähnliches zulässig, die Beratung oder Vermittlung selbst aber nur noch persönlich Face-to-Face oder schriftlich. Das gilt auch dann, wenn Kunde und Vermittler sich einig sind, dass sie die Aufzeichnung nicht wollen.

AfW und Votum versuchen durchzusetzen, dass (wenigstens) letztere Regelung bei der anstehenden Überarbeitung der EU-Richtline MiFID II gestrichen wird. Aber noch steht sie in der Richtlinie, die verpflichtende Basis für die deutschen Gesetze ist. Dass es den Verbänden bei dem MiFID-Review gelingt, die Taping-Pflicht komplett wegzudiskutieren, erscheint indes unwahrscheinlich. Der Vertrieb muss wohl dauerhaft damit leben.

BaFin-Aufsicht ins Stocken geraten

Das zweite Regulierungsvorhaben der Bundesregierung für die 34f-Vermittler, also die im Koalitionsvertrag vereinbarte schrittweise Übertragung der Aufsicht auf die Finanzaufsicht BaFin, ist hingegen ins Stocken geraten. Einen Gesetzentwurf dazu hat das Kabinett zwar verabschiedet, er wurde aber nach einer Anhörung im Mai und wohl wegen anderer Prioritäten im Finanzministerium sowie wegen des Wirecard-Skandals bislang nicht weiter vorangetrieben.

Der ursprünglich vorgesehene Termin für die Umstellung Anfang 2021 ist insofern nicht mehr realistisch. Stattdessen ist eine weitere Variante ins Spiel gekommen, um der im Koalitionsvertrag vereinbarten „schrittweisen“ Übertragung der Aufsicht gerecht zu werden. Danach soll zunächst nur die Tätigkeit nach Paragraf 34f Absatz 1 Nummer 3 (Vermögensanlagen) und vielleicht auch Nummer 2 (geschlossene AIFs) unter die BaFin-Aufsicht fallen. Für Nummer 1 (offene Investmentfonds) bliebe dann erst einmal alles beim alten.

Wirth bezeichnete diesen Vorschlag schlicht als „absurd“. Er würde in der Tat zu einer noch stärkeren Zersplitterung der Aufsicht und zu noch mehr Bürokratie führen. Die Variante wird aber wohl vor allem von Seiten der CDU durchaus ernsthaft diskutiert. Wenig Chancen hat nach derzeitigem Stand hingegen die Variante, die weiterhin die Verbänden favorisieren: Die Ansiedlung der 34f-Aufsicht bundeseinheitlich bei den IHKs mit einer BaFin-Fachaufsicht (über die IHKs). Ganz vom Tisch ist diese – sicherlich praktikabelste – Möglichkeit aber noch nicht.

Das wahrscheinlichste Szenario ist nach Wirths Worten jedoch ein anderes. In diesem Fall wird in dieser Legislaturperiode, also bis zur Bundestagswahl im September 2021, gar kein Gesetz mehr verabschiedet. Damit wäre allerdings auch die Gefahr verbunden, dass nach der Wahl alles von vorne losgeht. Und es dann je nach Wahlausgang noch schlimmer wird.

Seite 2: Viele Chefs vor Ort

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