Grunderwerbsteuergesetz: Nicht ganz zu Ende gedacht

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John Büttner

Anfang Juli sind umfassende Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz in Kraft getreten. Ziel der Änderungen ist es offenbar, zukünftig Share Deals zu verhindern. Gastbeitrag von Rechtsanwalt John Büttner, Kanzlei FPS

Am 12. Mai wurde das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes beschlossen. Dieses ist nun am 1. Juli in Kraft getreten und enthält unter anderem Maßnahmen gegen so genannte Share Deals. Mittels dieser Share Deals war es in der nunmehr alten Gesetzesfassung beispielsweise bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften möglich, 100 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft auf zwei Erwerber zu übertragen, ohne dass Grunderwerbsteuer anfiel. Möglich war dieses, wenn 94,9 Prozent der Anteile auf einen Erwerber und 5,1 Prozent der Anteile auf einen anderen Erwerber übertragen wurden. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass erst eine Übertragung von mindestens 95 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft auf einen Erwerber einer Übertragung eines im Vermögen der Kapitalgesellschaft gehaltenen Grundstücks gleichsteht.

Mit dem Gesetz wurde nun ein Ergänzungstatbestand eingeführt, der an den Gesellschafterbestand von grundbesitzenden Kapitalgesellschaften anknüpft. Vergleichbar mit den bereits bestehenden Regelungen zu Personengesellschaften greift dieser ein, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dergestalt ändert, dass mindestens 90 Prozent der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.

Die neue Regelung erfasst neben unmittelbaren auch mittelbare Änderungen des Gesellschafterbestands und ist gegenüber weiteren, im Grunderwerbsteuergesetz verankerten Ergänzungstatbeständen, vorrangig. Damit ist es künftig grundsätzlich nicht mehr möglich, im Rahmen einer Transaktion 100 Prozent der Anteile (aufgeteilt auf zwei Erwerber) zu übertragen. Lediglich eine Übertragung von 89,9 Prozent unter Zurückbehaltung der restlichen 10,1 Prozent der Anteile durch den Veräußerer würde einen Anfall von Grunderwerbsteuer grundsätzlich noch verhindern.

Anders als bei den ähnlichen Regelungen zu grundstücksbesitzenden Personengesellschaften sind sogenannte personenbezogene Steuerbefreiungen nicht anzuwenden. Dies führt unter anderem dazu, dass bei Kapitalgesellschaften selbst nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist die volle Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, wenn die restlichen 10,1 Prozent übertragen werden. Es dürfte absehbar sein, dass – vorausgesetzt man würde auf Sicht von zehn Jahren eine Struktur eingehen wollen – in Zukunft eher auf Personengesellschaften zugegriffen wird, um eben die Möglichkeiten der Steuerbefreiung der restlichen 10,1 Prozent in Anspruch nehmen zu können.

Neue Börsenklausel

Mit eingeführt wurde auch eine sogenannte Börsenklausel. Danach gilt die Neuregelung nicht für Kapitalgesellschaften, deren Anteile an einem organisierten Markt im Rahmen der EU/des EWR (Europäische Wirtschaftsraum= oder an einem Drittlandhandelsplatz, der von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz erfolgt.

Auch die Regelungen zu grundbesitzenden Personengesellschaften wurden in diesem Zusammenhang angepasst. So wurden die Schwellenwerte für die Anteilsübertragung von 95 Prozent auf 90 Prozent abgesenkt und flankierend hierzu der sogenannte Betrachtungszeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängert.

Zur Begründung des Gesetzesentwurfs wurde unter anderem ausgeführt, dass es nicht weiter hinnehmbar sei, dass die durch Gestaltungen herbeigeführten Steuerausfälle von denjenigen finanziert werden, denen solche Gestaltungen nicht möglich sind. Ziel sei die Missbrauchsverhinderung durch verschiedene Einzelmaßnahmen sowie die Gleichheit der Besteuerung.

Mit der Aussage – denen solche Gestaltungen nicht möglich sind – dürften wohl vor allem die Privathaushalte gemeint sein, die überwiegend, wenn überhaupt, einmal in ihrem Leben eine Immobilie erwerben. Soweit hierdurch eine Gleichheit der Besteuerung erreicht werden soll, wurde offensichtlich nicht bedacht, dass die unterschiedliche Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Privatpersonen auf der anderen Seite dem deutschen Besteuerungssystem immanent ist. Auf eine Missbrauchsverhinderung abzustellen, erscheint in diesem Zusammenhang jedenfalls eine doch recht forsche Begründung zu sein, bestanden die Altregelungen doch seit bereits rund 20 Jahren und gehören Share Deals auch im internationalen Wettbewerb zum absoluten Standard.

Eingriff in die Privatautonomie

Nicht weniger interessant liest sich auch die dann nachfolgende Passage der Entwurfsbegründung, wonach die Übertragung von 90 Prozent der Anteile im wirtschaftlichen Ergebnis der Übertragung des gesamten Grundstücks gleichkommt. Dies rechtfertige unter Berücksichtigung anderer steuerlicher Nichtbeanstandungs- oder Vernachlässigbarkeitsgrenzen in Höhe von 10 Prozent die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des ganzen Grundstücks. Stand doch in der Vergangenheit die Übertragung von 95 Prozent der Anteile einer wirtschaftlichen Übertragung eines Grundstückes gleich, sind es nun nur noch 90 Prozent. Es stellt sich an dieser Stelle schon die Frage, wann der Gesetzgeber zukünftig wieder einen Spagat zwischen der Ökonomie und der einfachen Mathematik machen wird und an welcher Stelle er die Grenze der „Nichtbeanstandungs- und Vernachlässigbarkeitsgrenzen“ dann ziehen wird.

Nicht zuletzt wird auch immer tiefer und bewusst in die Privatautonomie eingegriffen und als Begründung die Steuerumgehung ins Feld geführt, deren Preis die Einschränkung der Handlungsfreiheit im gesellschaftsorganisatorischen Bereich sei. Das dies auch wirtschaftliche Folgen haben kann, wird offensichtlich hingenommen. Deutschland wird im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern als Investitionsstandort hierdurch sicherlich nicht attraktiver werden. Werden beispielsweise in Österreich auf Share-Deal-Transaktionen nur 0,5 Prozent Grunderwerbsteuer erhoben, sind es in Deutschland bei Nichtbeachtung des neuen Regelwerkes in der Spitze derzeit 6,5 Prozent.

Im Bereich der Projektentwicklung beispielsweise, die Share-Deal-Transaktionen in der Vergangenheit genutzt haben, kann sich dies auch negativ auf das Bemühen auswirken, mehr Wohnraum zu schaffen und die Kosten zu senken. Investoren werden sich aufgrund der gegebenenfalls zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung oder aufgrund einer gegebenenfalls notwendigen Kapitalbindung vielleicht gegen die Umsetzung eines Projektes entscheiden oder sie geben eine gegebenenfalls zusätzlich entstehende Belastung im Rahmen der Preisgestaltung einfach weiter. Betroffen wären dann diejenigen, die eine Immobilie erwerben wollen. Sind dies dann Privathaushalte, würde eine Zielrichtung des Gesetzgebers wohl verfehlt.

Letztlich führen die Maßnahmen auch zu weiteren Verwaltungsaufwand, sowohl bei den Unternehmen, als auch bei der Finanzverwaltung. Wie der neue Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften insbesondere bei komplexen Beteiligungsstrukturen nachgehalten werden soll, ist derzeit wohl eher noch unklar.

Diskriminierende Wirkung

Die eingeführte Börsenklausel erscheint gleichfalls nicht geeignet, zur Klärung beizutragen, sondern ist eher lückenhaft, da beispielsweise mittelbare Anteilsübertragungen und andere relevanten Börsenplätze (zum Beispiel Schweiz oder London) von dem Anwendungsbereich nicht erfasst sind und auch nicht alle finanzmarktrelevanten Maßnahmen, wie zum Beispiel Kapitalerhöhungen oder Aktienrückkäufe, berücksichtigt werden. Als Konsequenz daraus werden zum Beispiel in der Schweiz oder Großbritannien notierte Anlagevehikel während der Haltedauer von deutschen Immobilien zukünftig regelmäßig mit potenziellen Grunderwerbsteuern konfrontiert. Eine gewisse diskriminierende Wirkung kann dem nicht abgesprochen werden.

Insgesamt erscheinen die Regelungen nicht ganz zu Ende gedacht und mit der Vermeidung von Steuerumgehungen hat dies wohl eher weniger zu tun. Aber vielleicht wird der Asset-Deal nun noch mehr an Bedeutung gewinnen. Und der deutsche Fiskus wird sich voraussichtlich, wieder einmal, über Steuermehreinnahmen freuen können – Ziel erreicht. Schließlich muss man ja auch die deutsche Spitzenposition in der Steuer- und Abgabenlast behaupten.

Rechtsanwalt John Büttner berät in der Kanzlei FPS zu allen Fragen des nationalen und internationalen Wirtschaftssteuerrechts, einschließlich des Steuerstrafrechts und des Steuerstreitverfahrens.

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