Makroökonomischer Gegenwind: Baugewerbe steht weltweit auf wackeligen Pfeilern

Drei Bauarbeiter schauen auf einen Bauplan
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Auf regionaler Ebene war der Rückgang in Europa am deutlichsten, wo der CAI von zuvor plus 18 auf plus fünf fiel.

Die Ergebnisse des RICS Global Construction Monitor (GCM) für das zweite Quartal 2022 zeigen, dass die Dynamik in vielen Teilen der Welt nachlässt, da das schwierigere makroökonomische Umfeld sich auf die Aktivität auswirkt. Dennoch steigt die Arbeitsauslastung in allen Sektoren auf globaler Ebene weiter an.

Im zweiten Quartal ging der Gesamtindex der Bautätigkeit (CAI) weltweit zurück und verzeichnet einen Wert von plus zwölf – im ersten Quartal waren es noch plus 20. Obwohl er sich immer noch im positiven Bereich befindet, ist dies der schwächste Wert seit dem vierten Quartal 2020.

Auf regionaler Ebene war der Rückgang in Europa am deutlichsten, wo der CAI von zuvor plus 18 auf plus fünf fiel. Im Wirtschaftsraum Asien-Pazifik (APAC) sank er von plus 8 im letzten Quartal auf plus 5. In Amerika und mittleren Osten und Afrika (MEA) zeigen sich positivere Werte mit einem CAI von plus 27 (im Vergleich zu plus 38 im ersten Quartal) beziehungsweise plus 18. 

„Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Dynamik in vielen Teilen der Welt abschwächt. Die makroökonomischen Belastungen treffen auch die Bautätigkeit. Die Hindernisse bleiben die gleichen wie in den Vormonaten, und die Erwartungen auch hinsichtlich der Margen werden weiter zurückgeschraubt“, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland.

Insbesondere in Europa ist im Vergleich mit dem ersten Quartal eine spürbare Herabstufung im privaten Wohnungsbau erkennbar. Davon betroffen sind insbesondere Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Bei den umfangreichen politischen Zielen ein Alarmsignal. Der Gewerbesektor war in Europa schon zuvor schwach ausgeprägt, verliert aber nach Ansicht der Befragten weiter an Boden. Auch ein schlechtes Zeichen im Kontext der Renovierungsziele bei der Dekarbonisierung.“ 

Saudi-Arabien sehr stabil – im Gegensatz zu Europa

Auf Länderebene zeigt Saudi-Arabien weiterhin robust. Hier konnte der CAI entgegen dem globalen Trend von plus 59 auf plus 67 zulegen. Ähnlich entwickelt sich die Situation der Bauwirtschaft in Indien, wo der CAI im zweiten Quartal mit plus 50 einen Rekordwert seit der Erhebung 2018 erreicht hat. Auf der anderen Seite verzeichneten mehrere europäische Märkte eine spürbare Abschwächung der Dynamik. So fiel der CAI in Deutschland von plus 34 auf plus acht und in Frankreich von plus 28 auf 0.

Prognosen für Bautätigkeit bei Gewerbe-und Wohnimmobilien gehen zurück

Die Zwölfmonatsprognosen für die Bautätigkeit im Bereich Gewerbeimmobilien europaweit gehen von plus 15 Prozent auf plus fünf Prozent zurück (Nettosaldo im Vergleich zum vorangegangenen Quartal). Im Bereich private Wohnimmobilien fiel der Rückgang noch deutlicher aus. Hier verringerte sich der Nettosaldo von plus 40 Prozent auf plus 16 Prozent.

Dieser Trend macht sich besonders in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden bemerkbar. Der Nettosaldo für den Jahresausblick bei privaten Wohnimmobilien in Deutschland fiel somit von plus 80 Prozent auf plus zehn Prozent, bei Gewerbeimmobilien von plus 36 Prozent auf plus acht Prozent. Frankreich verzeichnet bei Wohnimmobilien einen Wert von plus 17 Prozent – im ersten Quartal waren es noch plus 44 Prozent und bei Gewerbeimmobilen plus 29 Prozent, während es im ersten Quartal noch plus 50 Prozent waren. Die Aussichten für die Bautätigkeit von Wohnimmobilien in den Niederlanden fiel von plus 40 Prozent auf plus elf Prozent, im Bereich Gewerbeimmobilien wird aktuell ein Wert von 0 Prozent verzeichnet (Q1: plus 29 Prozent).

Größte Herausforderung: Materialkosten und -verfügbarkeit

 Steigende Materialkosten werden von 88 Prozent der Befragten weltweit als ein großes Hindernis für die Bautätigkeit bezeichnet. In Deutschland liegt die Zahl bei 87 Prozent. Global geben rund drei Viertel der Befragten an, dass die Materialengpässe die Branche derzeit behindern (74 Prozent). Das Ergebnis für Deutschland liegt hier bei 93 Prozent. Zukünftig gehen die Umfrageteilnehmer davon aus, dass die Materialkosteninflation erhöht bleibt. In den nächsten 12 Monaten prognostizieren acht Prozent einen weiteren Anstieg (Deutschland: knapp 9 Prozent). Dieser nur leichte Rückgang gegenüber dem Jahresausblick aus dem ersten Quartal von 9 Prozent (Deutschland: zehn Prozent) deutet darauf hin, dass der Inflationsdruck noch eine Weile intensiv bleiben wird.

Aufgrund des starken Kostenanstiegs verringerten sich die Gewinnmargen im zweiten Quartal. Für das kommende Jahr wird nicht erwartet, dass die Margen steigen werden, was sich in der Verschlechterung des Nettosaldos für diesen Indikator von plus 13 Prozent im ersten Quartal auf minus zwei Prozent im zweiten Quartal auf globaler Ebene zeigt. Europaweit erwartet ein Nettosaldo von minus 20 Prozent der Befragten, dass die Margen in den nächsten zwölf Monaten gedrückt werden. Für die Bundesrepublik sank hier der Wert von minus sieben Prozent auf minus 29 Prozent.

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