Finanzberatung: Vom Tarifheft zum Tablet

Anfang der 90er-Jahre gab es erste modular aufgebaute Tarifsysteme. Eine größere Dynamik in der Angebotsvielfalt war allerdings erst nach Öffnung des europäischen Binnenmarktes für Versicherungen und die damit einhergehende Deregulierung im Versicherungsmarkt ab 1994 zu spüren.

In der Folge gab es in allen Versicherungssparten immer differenziertere Angebote, die sowohl im Beitrags-, als auch Leistungsspektrum erhebliche Unterschiede aufwiesen. Diese Entwicklung wurde natürlich maßgeblich durch die rasante Entwicklung der Leistungsfähigkeit der DV-Systeme unterstützt.

Daneben gab es auch in anderen Finanzanlagebereichen in den 90er-Jahren eine ungeheure Dynamik. Der Immobiliensektor, insbesondere in den neuen Bundesländern, wurde aufgrund der steuerlichen Förderung für Kapitalanleger hoch interessant.

Der Beteiligungssektor erlebte eine „Boom-Phase“ und auch der Investmentbereich setzte vornehmlich in der zweiten Hälfte der Dekade zu immer neuen Höhenflügen an, bis die Entwicklung mit dem Platzen der Dotcom-Blase ihr jähes Ende fand.

Nach der Dotcom-Blase

Das Betätigungsfeld für Finanzberater bot in dieser Zeit also ein ausgesprochen günstiges Umfeld und eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten. Ein Großteil der Marktteilnehmer betätigte sich schwerpunktmäßig weiter im Vorsorgebereich.

Die Ausgangsvoraussetzungen waren auch hier sehr günstig. Das Zinsniveau bot gute Voraussetzungen, der Garantiezins in der Lebens- und Rentenversicherung erreichte mit vier Prozent seinen absoluten Höchststand und das Absicherungs-Szenario durch die gesetzliche Rentenversicherung wurde von dunklen Wolken sowohl durch die anhaltend hohe Arbeitslosenquote als auch durch die immer häufiger ins Feld geführte Alterspyramide eingerahmt.

Priorisierung der Altersvorsorgeberatung

Die Priorisierung der Altersvorsorgeberatung erwies sich für viele Finanzvermittler als außerordentlich richtig, weil mit Beginn des Jahrtausends andere Finanzanlagebereiche stark unter Druck gerieten.

Der Zusammenbruch des neuen Marktes zog den gesamten Investmentbereich mit nach unten. Mit Wegfall der Fördergebiets-AfA kam vornehmlich in den neuen Bundesländern der Immobilienmarkt unter Druck und steuerliche Verlustzuweisungen, die den Markt der geschlossenen Fonds hoch attraktiv für Investoren gestaltet hatten, gab es mit Einführung des Paragrafen 2b EStG nicht mehr.

Seit Beginn des neuen Jahrtausends hat die Veränderungsdynamik eine atemberaubende Geschwindigkeit aufgenommen, dies gilt sowohl in technisch-kommunikativer, regulatorischer, produktseitiger als auch gesetzlicher Hinsicht.

Atemberaubende Veränderungsdynamik

Man stelle sich einen Finanzberater vor, der Ende des Jahres 2000 in den Dornröschen- Schlaf versetzt wurde und heute geweckt wird, um seine Beratertätigkeit wieder aufzunehmen. Dieser Versuch müsste kläglich scheitern.

Produktseitig findet er keine Berufsunfähigkeitsabsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr. Dafür gibt es aber eine Riester-Rente und eine Basisrente, die er noch nicht kennt.

Erträge aus Lebens- und Rentenversicherungen können nicht mehr steuerfrei vereinnahmt werden, dagegen werden gesetzliche Renten einer stetig steigenden Besteuerung unterzogen.

Die pauschal besteuerte Direktversicherung nach Paragraf 40 b EStG kann nicht mehr abgeschlossen werden, ihre Auszahlung wird aber im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verbeitragt.

Sparerfreibeträge gibt es nicht mehr und Kursgewinne auf Aktien sind auch nicht mehr steuerfrei, dafür gibt es eine Abgeltungssteuer und keinen Werbungskostenabzug bei den Kapitalerträgen mehr.

Seite drei: Trend zur Transparenz

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