Einstieg in eine neue Versicherungswelt

Autonomes Fahren auf deutschen Straßen wird wohl erst in einigen Jahren möglich sein. Doch die Systeme agieren schon heute immer häufiger teilautonom. Für Versicherer wirft die neue Technologie viele Fragen auf.

Autonomes Fahren
Eine fahrerlose Mercedes-Limousine auf einer Auto-Show in Detroit im Januar 2015.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Kinder keinen Führerschein mehr brauchen“, erzählte Johann Jungwirth, Digitalchef von VW, Ende August im Gespräch mit Pressevertretern. „Selbstfahrende Fahrzeuge seien ‚das nächste große Ding‘ für die Autobranche“, betonte der ehemalige Apple-Manager. In Zukunft würden sich „Self-Driving-Systeme“ in die großen „Kernerfindungen“ der Menschheit einreihen, wie Dampfmaschine, Eisenbahn oder Elektrizität, so die Erwartung des 43-Jährigen.

Die ersten computergesteuerten Fahrzeuge werden Jungwirth zufolge in etwa drei bis fünf Jahren in den ersten Städten unterwegs sein. Drei bis fünf Jahre. Das ist nicht viel Zeit, wenn man bedenkt, wie lange der Traum vom „Roboter-Auto“ schon geträumt wird.

Versicherer müssen digitale Rahmenbedingungen schaffen

Der Versicherungswirtschaft, die in Deutschland jedes Jahr gut 25 Milliarden Euro durch Kfz-Versicherungsprämien einnimmt, wird der bevorstehende Technologie-Sprung ein gehöriges Maß an Veränderungsbereitschaft abverlangen. Doch es gibt noch mehr Treiber, die das etablierte Geschäftsmodell der Branche herausfordern. „Viele Versicherer sind aktuell dabei, sich auf die in naher Zukunft benötigte Agilität vorzubereiten. Diese wird nicht nur durch die Kfz-Versicherung getrieben, sondern durch das generell geänderte Kundenverhalten, auch im Rahmen der Digitalisierung der Gesellschaft“, stellt Dr. Gero Nießen fest.

Der Versicherungsexperte der Unternehmensberatung Willis Towers Watson in Köln warnt die Anbieter davor, den gesamtgesellschaftlichen Wandel zu unterschätzen: „Eine passive Haltung mit der Erwartung, die Änderungen in drei bis fünf Jahren anzugehen, greift zu kurz. Was die deutschen Versicherer jetzt brauchen, sind moderne Tarifierungsprozesse. Sie müssen digitale Rahmenbedingungen schaffen für die Tarifierung in Echtzeit, für den Zugriff auf Drittsysteme, kurz: eine IT-Umgebung, mit der sich die vom Automobilmarkt getriebenen Trends im Tarifierungsprozess umsetzen lassen.“

Versicherer brauchen eine klare Vision

Damit nicht genug, bräuchten die Versicherer „eine klare Vision“, ist Nießen überzeugt, mit der sie auch die junge Generation ansprechen. „Diese Generation ist mehr von der Share Economy und weniger von Statussymbolen wie Führerschein und eigenem Auto geprägt – das sollten die Manager unserer Generation stärker berücksichtigen“, so der Berater.

Führt man die Thesen Jungwirths und Nießens zusammen, so folgt daraus, dass die jungen Menschen in Zukunft nicht nur gar keinen „richtigen“ Führerschein mehr benötigen, denn das Auto hat ja dann die Kontrolle übernommen, sondern diesen auch gar nicht mehr so sehr anstreben – zumindest aber nicht mehr als Symbol der Freiheit überhöhen, wie es die sogenannte Generation Golf in den frühen 1980er-Jahren getan hat, sondern einfach nur als Mittel zum Zweck begreift, um „von A nach B“ zu kommen.

Seite zwei: Autonomes Fahren birgt auch Risiken

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