Aufklärungspflicht über Vermittlungshonorar in Frühstornofällen

Bei der Vermittlung von Nettopolicen ist dem Kunden häufig nicht klar, dass er im Falle einer vorzeitigen Kündigung deutlich schlechter dasteht, als bei einem Bruttotarif. Eine Entscheidung des OLG München stellt nunmehr unmissverständlich klar, dass ein Beratungsanlass auch für Versicherungsvertreter gegeben ist, nicht nur für Versicherungsmakler.

Gastbeitrag von Jürgen Evers, Kanzlei Blanke Meier Evers Rechtsanwälte

Jürgen Evers: "Die genaue Ausgestaltung der geschuldeten Aufklärung hänge von dem jeweilig erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonstigen Umständen des Einzelfalles ab."
Jürgen Evers: „Die genaue Ausgestaltung der geschuldeten Aufklärung hänge von dem jeweilig erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonstigen Umständen des Einzelfalles ab.“

Vertriebe haben sich bei der Geltendmachung ausstehender Vermittlungshonorare für Nettopolicen im Falle eines Frühstornos bislang gern auf eine Entscheidung des BGH (06.11.2013 – I ZR 104/12 – VertR-LS – Atlanticlux 37) berufen. Der Wettbewerbssenat hatte darin die Aufklärungspflichten des Versicherungsvertreters darauf beschränkt, dass der Vermittlerstatus klargestellt wird.

Instanzgerichte hatten weitergehende Beratungspflicht bejaht

Die weitreichenderen Ansichten der Landgerichte Saarbrücken (16.04.2013 – 14 S 11/12 – VertR-LS 10 – Atlanticlux 41) und Wuppertal (03.04.2012 – 16 S 46/11 – VertR-LS 3 m.w.N. – Atlanticlux 36) wurden mit der Begründung zurückgewiesen, Vertreter und Kunde stünden sich mit wechselseitigen Interessen gegenüber.

Die Instanzgerichte hatten eine weitergehende Beratungspflicht nach § 62 Abs. 1 VVG wegen der mit der Abweichung vom Schicksalsteilungsgrundsatz verbundenen Nachteile der Nettopolice auch für den Versicherungsvertreter bejaht.

Diesen Versuchen, die Entscheidung vorzuschieben, um weitergehende Beratungspflichten in Abrede zu stellen, ist das OLG München (05.07.2016 – 20 U 1011/16 – VertR-LS – PrismaLife 12) nunmehr entschieden entgegen getreten.

Ausgestaltung der Aufklärung hängt vom Kunden ab

Dabei hat sich der Senat von den folgenden Erwägungen leiten lassen. Kunden seien bei einer abschlusskostenfrei kalkulierten Lebensversicherung auch dann zur Zahlung des (vollen) Vermittlungshonorars verpflichtet, wenn die Nettopolice schon nach kurzer Zeit wieder storniert werde. Hierauf müssen auch Vertreter Kunden in aller Deutlichkeit hinweisen, so der Senat.

Die genaue Ausgestaltung der geschuldeten Aufklärung hänge von dem jeweilig erkennbaren Aufklärungsbedürfnis des Kunden und den sonstigen Umständen des Einzelfalles ab. Fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Auswirkungen einer frühen Stornierung, bestehe die tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kunde eben nicht für eine „Nettopolice“ entschieden hätte.

Seite zwei: Vertreter muss auf Auswirkungen eines Frühstornos hinweisen

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