Rentenfragen – Geschlechterfragen: Braucht die Altersversorgung spezielle Angebote für Frauen?

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Gundula Dietrich, Aon

Die Altersversorgung muss vereinfacht und endlich mit den modernen Erwerbsbiographien und Formen der Arbeit in Einklang gebracht werden. Das ist keine Frage des Geschlechts sondern vielmehr der veränderten Arbeit- und Familienwelten. Ein Beitrag von Gundula Dietrich, Geschäftsführerin bei Aon Retirement Solutions.

Frauen stehen bei der Altersversorgung schlechter da als Männer. Die Politik hat sich in den letzten Jahren bemüht, durch Anpassungen des Rentensystems daran etwas zu ändern – Stichwort Mütterrente.

Solche Maßnahmen sind der Versuch, heute Lücken zu schließen, die in der Vergangenheit durch die unterschiedlichen Erwerbsbiographien von Frauen und Männern entstanden sind. Vergangenes aber lässt sich nicht mehr ändern, Reparaturversuche sind mal mehr, mal weniger erfolgreich – und weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber können hier wesentliche Beiträge leisten. Sie sind und bleiben eine Aufgabe der Politik.


Worüber wir aber intensiv nachdenken müssen, ist die Altersversorgung der heute aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Abgesehen von den Hausaufgaben, die gemacht werden müssen – besser informieren, Hürden abbauen, Dinge vereinfachen, brauchen wir Initiativen, die eine zeitgemäße Altersversorgung mit modernen Erwerbsbiographien und neuen Formen der Arbeit in Einklang bringen.

Und das ist nicht so sehr eine Frage des Geschlechts als vielmehr der veränderten Arbeits- und Familienwelt.

Geänderte Erwerbsbiographien

Sowohl Frauen als auch Männer haben heute Erwerbsbiographien, die mit denen vergangener Jahrzehnte nicht mehr vergleichbar sind: kein Job mehr fürs Leben, dafür kürzere Aufenthalte bei Arbeitgebern (oft in unterschiedlichen Ländern), geteilte Familienzeiten, verschiedene Einkommenssituationen, ein neues Verständnis von Work-Life-Balance, Sabbaticals, und nicht zuletzt: Home Office.

All dies verändert die Arbeit, neue Standards etablieren sich, und es stellt Arbeitgeber vor neue Fragen: Wie kann ich eine Arbeitsumgebung schaffen, die modernen Lebensmodellen und den sich wandelnden Bedürfnissen meiner Mitarbeiter gerecht wird?

Unsere repräsentativen Studien zeigen: Es ist gar nicht so sehr eine Frage des Geschlechts, wie Angebote seitens der Arbeitgeber aussehen müssen, um attraktiv zu sein.

Bei der betrieblichen Altersversorgung sind die Wünsche von Frauen und Männern durchaus ähnlich. Viele von ihnen wünschen sich, dass die betriebliche Altersversorgung ihren persönlichen Lebenssituationen gerechter werden sollte. Sprich: einfache Mitnahmemöglichkeiten beim Arbeitgeberwechsel, flexible Anpassung in Zeiten niedrigeren Einkommens (z.B. Elternzeit), aber auch: alle wichtigen Informationen auf einen Blick.

Flexibilität zählt

Zur Zeit fehlen noch wirklich neue, anpassungsfähige Modelle bei der Altersversorgung. Keine Lösungen von der Stange, sondern intelligente, kreative Formen, die auf persönliche Lebenssituationen zugeschnitten sind.

In einem solchen System wäre es möglich, die Altersversorgung auf individuelle Situationen und Bedürfnisse zuzuschneiden.

Diese Flexibilisierung käme auch dem geänderten Konsumverhalten entgegen: Gerade jüngere Generationen sind damit vertraut, Produkte und Dienstleistungen online nach Wunsch zu gestalten.

Gehen Frauen mit Rente anders um?

Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer in Sachen Altersversorgung zeigen in unseren Untersuchungen keine großen Unterschiede bei Männern und Frauen. Auch steht die bAV im Ranking mit anderen Vorsorgeformen sowohl bei Männern als auch bei Frauen ganz oben.

Frauen sehen ihre finanzielle Situation im Alter sehr abgeklärt und sich im Vergleich zu Männern als die besseren Finanzmanager. In Gelddingen vertrauen sie in erster Linie auf sich selbst. Sie rechnen allerdings mit weniger Rente als Männer und gehen oft davon aus, hinzuverdienen zu müssen.

Immer noch setzen auch mehr Frauen als Männer darauf, dass das Alterseinkommen in Teilen durch die Familie bzw. Partner gesichert wird. Werden die Ergebnisse näher analysiert, zeigt sich aber, dass die Erwartungen eher durch aktuelles Einkommen und Lebenssituation geprägt sind als durch das Geschlecht. Flexible, anpassungsfähige Modelle können auch hier Abhilfe schaffen.

Den Arbeitsplatz neu denken

Vieles weist darauf hin, dass wir nicht nur das Thema Rente, sondern generell den Arbeitsplatz neu denken müssen: Er ist kein Ort, an dem man persönliche Anliegen und Probleme an der Tür abgibt.

Unternehmen, in denen die Beschäftigten auch Ansprechpartner zu den Themen Finanzen und Rente finden, können bei ihrem Team punkten, attraktiver für qualifizierte Arbeitskräfte werden und ihre Arbeitgebermarke stärken.

Über zwei Drittel (71,8 Prozent) der jüngeren Arbeitnehmer (18-29 Jahre) wünschen sich vom Arbeitgeber mehr Unterstützung bei der persönlichen Finanzplanung, besonders wichtig sind ihnen dabei – Rente und Altersversorgung.

In Sachen Information gibt es immer noch klare Defizite sowohl in kleinen als auch großen Unternehmen: Selbst dort, wo eine betriebliche Altersversorgung angeboten wird, wissen viele Beschäftigten nichts davon. Besonders schlecht informiert sind die Arbeitnehmer mit einem geringeren Einkommen sowie Frauen.

Diese Wissenslücke gilt es zuerst zu schließen: mit regelmäßigen Informationen seitens des Arbeitgebers, mit aktiven Beratungsangeboten für Arbeitnehmer – und vor allem mit persönlicher Beratung in Sachen Finanzen und Altersvorsorge. Selbst bei jüngeren Arbeitnehmern ist diese Form der Information immer noch die beliebteste – und nicht die App.

Persönliche Beratung und Zuwendung erfüllen generell ein Grundbedürfnis von Mitarbeitern, Männern wie Frauen, besonders in Zeiten großer finanzieller Unsicherheit wie diesen.
Und wie könnte eine differenzierte Kommunikation aussehen? Fest steht: Kommunikation kommt generell immer dann besser an, wenn sie die Menschen in ihrer spezifischen Lebenssituation abholt.

Beispiel Frauen: Eine berufstätige Frau, die gerade Mutter geworden ist, kann zum Beispiel aktiv auf ihren aktuellen Stand in Sachen Rente hingewiesen werden. Denkbar ist eine Landing Page mit allen relevanten Informationen: Was bedeutet das in Sachen Rente für mich? Wie wirkt sich der zeitweilige geringere Verdienst auf die bAV aus? Kann ich eine Pause von den Beiträgen machen?

Komplexität überfordert Frauen wie Männer

Warum aber kommen Informationen zur bAV oft nicht an, obwohl sie im Vergleich zu anderen Rentenformen ein hervorragendes Image hat? Einer der Gründe ist die Komplexität des Themas. Frauen wie Männer fühlen sich überfordert und tun deshalb nichts, obwohl sie bereit wären, in die Alterssicherung zu investieren. Auch das zeigen unsere Umfragen.

Flexibilität erhöhen und gleichzeitig Komplexität reduzieren, wie soll das gehen? Hier ist Kreativität gefragt. Es wird Baukastensysteme geben müssen, die auf verschiedene Lebensphasen und -planungen ausgerichtet sind.

Besonders attraktiv könnte dabei zum Beispiel ein System sein, das einen vorgegebenen Standard mit einer persönlichen Konfiguration kombiniert. In diesem System gäbe es zum Beispiel Vorschläge für bestimmte „Typen“: Berufseinsteiger, Singles, junge Eltern, ältere Beschäftigte oder auch Angebote für risikoscheue bzw. risikoaffine Arbeitnehmer.

Die Prioritäten müssen sich verschieben

Die Prioritäten müssen sich teilweise verschieben hin zu verständlichen Lösungen, die einfach vermittelbar sind. Diese Herausforderung müssen wir annehmen und gemeinsam zukunftsfähige Modelle entwerfen.

Wenn die Corona-Krise ein Gutes hat, dann, dass zukunftsgerichtete Arbeitsformen viel stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind. Die Digitalisierung inklusive Home Office hat in kurzer Zeit Fortschritte gemacht, die vorher kaum denkbar gewesen wären.

So wurde auch die Einführung der „Digitalen Rentenübersicht”, die alle Säulen der Altersvorsorge umfasst, mitten in der Krise auf den Weg gebracht.

Wenn dieser Schwung genutzt wird, um auch bei der bAV neue Modelle voranzubringen, rückt die Frage, ob sie für Frauen oder Männer gedacht sind, in den Hintergrund.

Die Autorin Gundula Dietrich ist Geschäftsführerin bei Aon Retirement Solutions

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