bAV bei Jobwechsel: Bundesarbeitsgerichts-Urteil sorgt für Klarheit

Foto: Longial
Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Ergo-bAV-Tochter Longial

Bei Versorgungsordnungen zur bAV können die Arbeitsvertragsparteien Zusage und Umfang der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich frei gestalten. Aber wie verhält es sich, wenn ein neuer Mitarbeiter bei seinem Vorarbeitgeber über eine individuelle Versorgung versichert ist und der neue Arbeitgeber seine betriebliche Altersversorgung kollektiv geregelt hat?

Eine Abweichung von einer kollektiven Regelung ist dann nur durch individuelle Besserstellung möglich, fasst Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, am Beispiel einer aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 2.12.2021, 3 AZR 123/21) zusammen.

Keine Berufung auf den Vorrang der individuellen Vereinbarung zur bAV

Der BAG-Entscheidung lag die Feststellung der Ansprüche eines Arbeitnehmers zugrunde, der 1986 bei einer Kapitalanlagegesellschaft eingestellt wurde. Zeitgleich verhandelte diese gerade eine neue Betriebsvereinbarung zur bAV für Neueinstellungen. Bei seinem Vorarbeitgeber war der Arbeitnehmer über den BVV, Beamtenversicherungsverein des Bankgewerbes a. G., versichert.

Mit dem neuen Arbeitgeber einigte sich der Arbeitnehmer über die Fortsetzung dieser individuellen Versorgung – im Glauben, diese Regelung sei vorteilhafter für ihn – und wurde von seinem neuen Arbeitgeber aus der neu verhandelten bAV ausgeschlossen.

Bei seinem Rentenbeginn stellte der Arbeitnehmer jedoch fest, dass die damals abgeschlossene Neuregelung der bAV des neuen Arbeitgebers besser war und forderte von seinem Arbeitgeber die Zahlung des Differenzbetrags zwischen der Betriebsrente BVV und der bAV nach der neuen Versorgungsordnung.

Das BAG gab dem Rentner recht und verwehrte dem Arbeitgeber, sich auf die individuelle Vereinbarung zu stützen. Im Falle einer Betriebsvereinbarung kann ein Ausschluss aus dem kollektiven Versorgungswerk schon allein aufgrund eines unzulässigen Verzichts im Sinne des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG gemäß § 134 BGB unwirksam sein, wenn die Einzelabrede für den betreffenden Arbeitnehmer nicht günstiger ist als die Betriebsvereinbarung.

Handelt es sich bei dem kollektiven Versorgungswerk hingegen um eine Gesamtzusage, darf sich der Arbeitgeber zudem nach § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) in der Regel nicht auf eine ausschließende Vereinbarung berufen. Das BAG sah den Arbeitgeber für diesen Fall in der Pflicht (nach § 241 Abs. 2 BGB) mit dem Arbeitnehmer die Zusage der betrieblichen Altersversorgung erneut zu erörtern beziehungsweise zu verhandeln und ihm gegebenenfalls einen gleichwertigen Versorgungsschutz wie allen anderen Arbeitnehmern anzubieten.

Kein Ausschluss bei gravierender Benachteiligung

Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien die Zusage und den Umfang der betrieblichen Altersversorgung frei gestalten. Dementsprechend können Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, von einem kollektiven Versorgungswerk ausgenommen werden.

„Entscheiden sich Arbeitgeber allerdings für ein kollektives System der bAV in ihrem Unternehmen, können sie einzelne Arbeitnehmer mit individueller Versorgungszusage nicht von der kollektiv anwendbaren Altersversorgung ausnehmen, wenn die individuelle Versorgungsleistung geringer ausfällt, als die Leistung aus dem kollektiven Versorgungssystem“, fasst Hoppstädter die aktuelle Entscheidung des BAG zusammen.

Die bAV ist für die wirtschaftliche Absicherung des Versorgungsberechtigten von erheblicher Bedeutung – würde ihn der Ausschluss von dem kollektiven System gravierend benachteiligen, ist das nicht zulässig. Wendet der Arbeitgeber das kollektive System auf alle Beschäftigten an, kann der Arbeitnehmer mit individueller Versorgungszusage demnach nicht ausgeschlossen werden.

Empfehlungen für Arbeitgeber

„Der vollständige Ausschluss aus dem Firmenversorgungswerk von Arbeitnehmern, die eine individuelle Versorgungszusage erhalten haben, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Arbeitnehmer mit individuellen Zusagen im Versorgungsfall eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung bekommen“, sagt Hoppstädter.

Der Verzicht auf künftige Leistungen – wie er hier der Sache nach durch den Ausschluss von einem allgemein geltenden System der betrieblichen Altersversorgung vorliegt – ist im Rahmen einer Gesamtzusage nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, den wirtschaftlichen Wert seines Verzichts einzuschätzen. Der Arbeitgeber hätte dem Arbeitnehmer eine vertragliche Änderung anbieten und ihn in die Firmen-Gesamtzusage einbeziehen können.

„Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass aufgrund dieses höchstrichterlichen Urteils (3 AZR 123/21) Arbeitnehmer, denen bei Diensteintritt eine individuelle Versorgungszusage erteilt wurde und die gleichzeitig aus dem weiteren Versorgungswerk ausgeschlossen wurden, spätestens im Versorgungsfall einen Vergleich der Leistungen der Versorgungswerke verlangen werden – und bei einer Schlechterstellung die Differenz zum Firmenversorgungswerk begehren“, erklärt der Pensionsexperte.

Er empfiehlt Arbeitgebern, bei Einrichtung von kollektiven Versorgungswerken, Personen mit Einzelzusagen nicht per se auszuschließen. „Vielmehr bietet es sich an, die Leistungen der Einzelzusage auf die Leistungen kollektiven Versorgung anzurechnen. Das schafft von vornherein Transparenz, Rechtssicherheit und Vertrauen“, sagt Hoppstädter.

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