Studie: Krankentagegeldversicherung ist „existenzielles Glücksspiel“

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Premium Circle hat nach eigenen Angaben die Vertragswerke von 28 PKV-Versicherern analysiert.

Versicherte, die einen privaten Krankentagegeldtarif abgeschlossen haben, müssen bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten mit erheblichen Kürzungen ihrer versicherten Krankentagegeldleistungen rechnen – bei gravierenden Fällen sogar bis auf null. Die Vertragsbedingungen seien diesbezüglich ausnahmslos mangelhaft oder ungenügend, kritisiert das Analyseunternehmen Premium Circle in einer aktuellen Studie. Der PKV-Verband sieht dennoch keinen Handlungsbedarf.

Nach den Vertragsbedingungen der privaten Krankentagegeldversicherung sei marktweit maximal das in den letzten zwölf Monaten aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen versicherbar. Was konkret dazu zählt, ist laut Premium Circle unklar. Im Leistungsfall könne der PKV-Versicherer – trotz vorangegangener Beitragszahlung – das versicherte Krankentagegeld auch während des Leistungsfalls herabsetzen, wenn das Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit in den letzten zwölf Monaten entsprechend niedriger als das versicherte Krankentagegeld war. Das sei dann der Fall, wenn Versicherte – wie beispielsweise verstärkt während der Corona-Pandemie – innerhalb der letzten zwölf Monate bereits einmal arbeitsunfähig waren. In dieser Zeit erhaltene Lohnfortzahlung oder Krankentagegeld zählten vertragsgemäß nicht als Nettoeinkommen aus beruflicher Tätigkeit und könnten bei der Ermittlung des im wiederholten Krankheitsfall zu zahlenden Krankentagegeldes vertragsgemäß abgezogen werden. Im Zweifel bis auf „Null“.

„Unsere Studie zeigt, dass PKV-Versicherte in der Krankentagegeldversicherung im Hinblick auf die Höhe ihrer Leistung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit keine vertragliche Klarheit haben. Die Vertragsklauseln (…) werden im Hinblick auf eine zweite Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten von den PKV-Versicherern unternehmensindividuell nach Belieben ausgelegt und interpretiert. Für Versicherte ein existenzielles Glücksspiel, das von den Versicherern selbst durch Überarbeitung der Vertragsbedingungen oder vom Gesetzgeber beendet werden muss“, fordert das Analyseunternehmen.

Die Ergebnisse im Überblick

Premium Circle hat nach eigenen Angaben die Vertragswerke von 28 PKV-Versicherern (zusammen mit einem Marktanteil von 99,4 Prozent bezogen auf die Anzahl der Versicherten) im Hinblick auf die vertraglich garantierten Leistungen analysiert und im Schulnotensystem mit „sehr gut“, „gut“, „mangelhaft“ und „ungenügend“ bewertet. Zusätzlich wurden alle 28 Unternehmen mit einem Fragenkatalog zu ihrer diesbezüglichen Leistungspraxis befragt. Diese wurden von 23 PKV-Versicherern beantwortet. Drei Versicherer haben nicht geantwortet und zwei Versicherer haben ausdrücklich geäußert, nicht an der Studie teilnehmen zu wollen.

Die Analyse der vertraglich garantierten Leistungen ergab laut Premium Circle, dass die Vertragsbedingungen – im Falle einer zweiten Arbeitsunfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten – bei 21 PKV-Versicherern als „mangelhaft“ und bei sieben gar als „ungenügend“ einzustufen sind. Bezogen auf die tatsächliche aktuelle Leistungspraxis wurden die Antworten der teilnehmenden Versicherer ausgewertet: Zwölf PKV-Unternehmen erhalten die Bewertung „sehr gut“, fünf „gut“, fünf „mangelhaft“ und ein Versicherer „ungenügend“.

Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) hat den PKV-Verband mit den Ergebnissen der Studie konfontiert. Dort sieht man laut SZ keinen Handlungsbedarf. „Der PKV-Verband stellt den Versicherungsunternehmen, die eine Krankentagegeldversicherung betreiben, lediglich unverbindliche Musterbedingungen zur Verfügung“, zitiert die Zeitung einen Sprecher. Wie mit dem Begriff „Nettoeinkommen“ verfahren werde, habe nichts mit den Musterbedingungen zu tun, sondern mit den unternehmensindividuellen Tarifbedingungen. „Zur Auslegung dieser Versicherungsbedingungen der einzelnen Krankentagegeldversicherung können wir uns daher nicht äußern.“

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