EZB warnt vor Short-Squeeze am Goldmarkt – was heißt das eigentlich für Anleger?

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Dominik Lochmann, ESG Edemetall-Service

Die Europäische Zentralbank schlägt Alarm: Auf dem Goldmarkt drohe ein potenziell gefährlicher Short Squeeze, der weit über den Edelmetallhandel hinaus Auswirkungen auf das globale Finanzsystem haben könnte. Doch was bedeutet das konkret – und wie real ist dieses Risiko wirklich?

Die Europäische Zentralbank schlägt Alarm: Auf dem internationalen Goldmarkt könnten sich gefährliche Spannungen entladen, die nicht nur den Goldpreis, sondern auch die Stabilität der Finanzmärkte ins Wanken bringen. Der Grund: Es wird viel mehr „Papier-Gold“ gehandelt, als tatsächlich physisch vorhanden ist. Wenn plötzlich viele Investoren auf eine echte Auslieferung bestehen – und nicht nur auf Buchgewinne –, könnte es zu einem sogenannten Short Squeeze kommen, der den Goldpreis explodieren und die Banken unter Druck geraten lässt. Was genau hinter diesem Szenario steckt, warum überhaupt mehr Gold gehandelt wird, als existiert, und ob Privatanleger sich Sorgen machen müssen, erklärt Dominik Lochmann, Geschäftsführer der ESG Edelmetall-Service GmbH & Co. KG im Interview.

Was versteht man unter einem Short Squeeze im Goldmarkt?

„Ein Short Squeeze im Goldhandel würde entstehen, wenn viele Spekulanten darauf wetten, dass der Goldpreis sinkt – also Optionen auf fallende Kurse abschließen − und bei höheren Kursen beim Ablaufdatum nun auf tatsächliche Auslieferung bestehen. Normalerweise werden solche Geschäfte nur mit Geld ausgeglichen. Besteht der Käufer aber auf eine tatsächliche Lieferung, muss das Gold auf dem Markt zugekauft und physisch geliefert werden. Das kann bei vorübergehend großen Mengen zu kurzfristig stark steigenden Goldpreisen und zu Kapazitätsproblemen bei Schmelze und Wertlogistik führen. Die Angst vor einem solchen Szenario ist die, dass es bei schnell steigenden Kursen und scheinbarer – da ja nur temporärer – Goldknappheit am Markt zu Lieferproblemen kommen und Panik ausbrechen kann, was den Goldpreis noch weiter anheizen würde.“


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Wie kann es sein, dass mehr Gold verkauft wird, als physisch vorhanden ist?

„An den Goldbörsen wird meist hundertmal mehr Papier-Gold gehandelt, als tatsächlich physisch ausgeliefert wird. Bei den Großinvestoren verbleibt das Gold in der Regel in den Lagerhäusern und lediglich der Besitzer wechselt. Oftmals werden die Geschäfte auch gar nicht abgeschlossen, um tatsächlich Edelmetall zu erwerben, sondern um Kurse abzusichern oder damit zu spekulieren. Um Optionsgeschäfte anbieten zu können, müssen die Banken nur einen geringen Prozentsatz der Goldmenge physisch besitzen, solange sie über genug Bonität verfügen, um das Metall am Markt zukaufen zu können.“

Was wäre ein Worst‑Case‑Szenario, wenn viele Akteure plötzlich auf die Auslieferung ihres physischen Goldes bestehen?

„Das Worst-Case-Szenario wäre, wenn der Preis sehr schnell so extrem steigt, dass die Banken, um ihre Verträge zu erfüllen, gezwungen wären, zu so hohen Kursen zuzukaufen, dass dies ihre Bonität übersteigt und sie zusätzlich mangels kurzfristig nicht ausreichend verfügbarer Schmelz- und Logistikkapazitäten auch physisch ihren Auslieferungsverpflichtungen nicht nachkommen könnten. Ich persönlich halte das Risiko aber für überschaubar, da kein Marktteilnehmer Interesse an einem solchen Szenario hätte und der Anteil des Goldhandels am gesamten Börsenhandel im Vergleich zu Aktien und Währungen eher gering ist.“

Wie könnten Privatanleger betroffen sein und wie können sie sich schützen?

„Privatanleger würden von einem solchen Szenario − solange sie selbst nicht in Panik geraten − langfristig vermutlich wenig betroffen sein. Wer selbst schon Gold besitzt, könnte sich über steigende Kurse freuen und eventuell einen Teil davon verkaufen und Gewinne realisieren. Aktienkurse würden kurzfristig vermutlich erst mal fallen, da Banken Liquidität bräuchten und Eigenbestände verkaufen müssten. Dies würde für Privatinvestoren also eher gute Einstiegspreise mit sich bringen. Nachdem sich der Markt wieder beruhigt hat, sollten sich die Aktienkurse wieder normalisieren und als Verlierer würden lediglich die Banken und Spekulanten bleiben, die bei Gold in die falsche Richtung gewettet und somit Geld verloren haben. Im Nachgang hätte dies aber natürlich auch Folgen für deren Aktionäre und eventuell für deren Kunden in anderen Geschäftsbereichen. Der normale deutsche Privatsparer sollte aber selbst wenig betroffen sein.“

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