12. Branchengipfel Sachwertanlagen: „Sachwerte sind echtes Eigentum“

Stefan Litterscheidt vor dem Hintergund eines Besprechungsraums
Foto: HTB / Giorgio Pastore
Stefan Litterscheidt: „ESG-Abfragen stellen eine sinnvolle Ergänzung dar. Ob es dafür einer Verordnung bedarf, bezweifele ich.“

Die HTB Gruppe ist im Publikumsgeschäft auf Immobilien-Zweitmarktfonds spezialisiert, also den Erwerb von Anteilen an bestehenden Immobilienfonds. Die Fragen des Cash. Branchengipfels beantwortet Stefan Litterscheidt, Geschäftsführer der HTB Fondshaus GmbH.

Inflation, Zinswende, Kostenexplosion & Co.: Wie wirken sich die veränderten Rahmenbedingungen auf Ihre Zielbranche aus?

Litterscheidt: Der Immobilien-Zweitmarkt ist losgelöst vom Erstmarkt zu sehen. Der Zweitmarkt reagiert deutlich schneller auf Veränderungen und schafft somit weiterhin attraktive Einkaufsmöglichkeiten, die im Erstmarkt aktuell zumindest sehr selten sind. Zurzeit sehen wir im Immobilien-Zweitmarkt günstigere Einkaufsmöglichkeiten, als wir bei der Konzeption des HTB 12. Immobilienfonds angenommen hatten. Dieser Umstand wird sich für unsere Anleger in der Performance positiv auswirken. Ein Beispiel: Inflationsannahmen wurden von uns sehr moderat mit 1,5 Prozent pro Jahr, steigend auf 1,75 Prozent pro Jahr über die Laufzeit kalkuliert. Aufgrund indexierter Mietverträge wird der Cashflow deutlich höher sein als kalkuliert, die Anleger werden profitieren. 

Welche Folgen haben die veränderten Rahmenbedingungen für die Konzeption oder Kalkulation Ihrer künftigen Fonds?

Litterscheidt: Die steigenden Zinsen für Immobilienfinanzierungen betreffen unsere Zweitmarktfonds nicht unmittelbar. Neue Finanzierungen der Immobilien müssen nicht gesucht werden, sie sind vorhanden. Die Annuität, die Höhe der Verbindlichkeiten und die Restlaufzeit sind uns bekannt. Anstehende Veränderungen aufgrund verändertem Marktumfeld preisen wir bei der Kaufpreisbestimmung ein. Unsere Zweitmarktfonds selbst sind reine Eigenkapitalfonds. 

Wie sieht es bei weiteren Emissionen aus?

Litterscheidt: Im Jahr 2022 haben wir einen Immobilienfonds nach Paragraf 6b Einkommensteuergesetz für Anleger platziert. Der Fonds hat aufgrund eines guten Ankaufsfaktors eine Auszahlung von vier Prozent pro Jahr und eine Tilgung von 2,5 Prozent pro Jahr, beides steigend im Laufe der Jahre. Das sind Eckdaten, bei denen wir das ausgewogene Chance/Risiko Verhältnis für den Anleger als gegeben sehen. Gerne hätten wir aufgrund der erfolgreichen Platzierung ein Folgeprodukt für 2023 angekauft. Allerdings sehen wir seitens der Geschäftsführung im jetzigen Erstmarkt diese Gegebenheit nicht mehr. Die Kaufpreise sind (noch) nicht den veränderten Zinskonditionen angepasst. Die Marktteilnehmer, die in den letzten Jahren aufgrund der „Nullzinspolitik“, erfolgreich Immobilien An- und Verkauf betrieben haben, verfolgen nunmehr eine Holdstrategie, soweit es der laufende Cashflow ermöglicht. Die alte Binsenweisheit „Im Einkauf liegt der Gewinn“ wird bei uns gelebt. Wir können diese im Immobilien-Zweitmarkt sehr gut umsetzen, im Erstmarkt sehen wir es aktuell nicht. 

Die Inflation ist zweistellig, die Renditeprognose von   Publikums-AIFs in der Regel einstellig. Kunden fragen, warum sie investieren sollen, obwohl sie real Geld verlieren. Wie kann der Vertrieb diese Frage beantworten?

Litterscheidt: Über 2,5 Billionen Euro sind aktuell auf Giro- und Tagesgeldkonten geparkt. Hier wird aktuell Geld „verbrannt“. Finanziell Vorsorge zu betreiben in Zeiten hoher Inflationsraten, ist herausfordernd. Anleger können aber gegensteuern, Vermögensaufbau und Vermögensausbau ist nach wie vor möglich. Anleger müssen generell mehr Risiken eingehen, anstatt den realen Wertverlust auf den Tagesgeldkonten zu akzeptieren. Investitionen in Sachwerte, zum Beispiel in Immobilien, bieten Anlegern Wertzuwachs. Unsere Beteiligungen haben einen langfristigen Charakter. Sachwerte sind echtes Eigentum, ob es nun die vermietete Eigentumswohnung oder der Immobilienfondsanteil ist. Der Vergleich, jährliche Auszahlung versus Inflation darf so nicht gemacht werden. Der Wertzuwachs der Immobilie aufgrund einer Vielzahl von Parametern muss berücksichtigt werden. Diese entscheidenden Punkte sieht der Anleger zum Schluss, beim Verkauf der Beteiligung.

Sind die neuen Vorschriften zu ESG, also zur Nachhaltigkeit, und die Abfragepflicht im Vertrieb unterm Strich Fluch oder Segen?

Litterscheidt: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. ESG-Abfragen stellen eine sinnvolle Ergänzung in der Beratung dar. Ob es dafür einer Verordnung bedarf, bezweifele ich. 

Welchen Stellenwert hat ESG bei Anlegern und Vertrieb wirklich?

Litterscheidt: In vielen Gesprächen mit Beratern und Vermittlern der letzten Jahre wurde mir gespiegelt: Das Thema Nachhaltigkeit in der Beratung von Anlegern ist ein wesentlicher Bestandteil. Entscheidend ist dabei aber nicht die Frage, ob die Beratung eines ESG Produkts eine Vorschrift ist, sondern ob es eine sinnvolle Ergänzung für das Portfolio des Anlegers ist.

Welche Planungen haben Sie bezüglich der ESG-Einstufung Ihrer zukünftigen Fonds und wo stehen Sie bei der Umsetzung?

Litterscheidt: Den Stellenwert von ESG in der HTB kann ich als hoch bezeichnen. ESG-Kriterien leben wir im Besonderen auch in der Unternehmensführung, im sozialen Umgang innerhalb des HTB Teams. Darüber hinaus beziehen wir die möglichen Kriterien beim Ankauf von Immobilienzielfonds mit ein. Wie ist es um die ESG-Konformität des Objektes bestellt, sind Maßnahmen geplant und in welchem Umfang? Das gibt uns Aufschluss, um die Nachhaltigkeit der kalkulierten zukünftigen Mieterträge einzuschätzen, gegebenenfalls über Einsparungen von Betriebskosten Mehrerlöse zu erzielen und zu guter Letzt, einen realistischen erzielbaren Verkaufspreis der Immobilie festzusetzen. Einen ESG konformen Immobilen-Zweitmarktfonds wird es aktuell, aufgrund mangelnder konformer Zielfonds, jedoch noch nicht geben. 

Die Corona-Kontaktbeschränkungen sind weitestgehend aufgehoben. Erwarten oder beobachten Sie ein Comeback des persönlichen Kundengesprächs?

Litterscheidt: Die Kundenberatung, auch die Interaktion mit unseren Partnern, hat sich durch die Pandemie nachhaltig verändert. Veränderung im absolut positiven Sinne. Wir haben gelernt, das online Teammeetings eine sinnvolle Ergänzung in unserem beruflichen Alltag darstellen. Die Kommunikation ist wesentlich flexibler und schneller geworden. Wurde früher ein persönlicher Termin für „in zwei Wochen“ vereinbart, wird das heute online, schneller besprochen. Unabhängig von diesen Möglichkeiten ist der physische, persönliche Kontakt nach wie vor sehr wichtig. Wir nehmen wieder deutlich mehr an Veranstaltungen unserer Partner vor Ort teil, schätzen hier den persönlichen Austausch, gleiches gilt für Berater und Kunde. Das Neue annehmen und nutzen, das Alte bewahren, darin sehe ich zukünftig den guten Mix für ein erfolgreiches Beziehungsmanagement zwischen Berater und Kunden.

Wo hilft Digitalisierung dem klassischen Vertrieb, wo nicht?

Litterscheidt: Wir beobachten, dass die Digitalisierung bei unseren Produkten voranschreitert. Der Versand von Druckstücken nimmt nach und nach ab. Die Lagerhaltung von Prospekten und Marketingmitteilungen ist heute nicht mehr gegeben, wie wir es auch früheren Zeiten her kennen. Der Informationsaustausch findet auf allen Ebenen schneller statt. Beim Vertrieb des HTB 12. Immobilienfonds haben wir einiges verändert. Wir nehmen Beitritte erstmalig per PDF-Dokument an, die Originalunterlagen müssen nicht mehr eingereicht werden. Unsere Partner nutzen diese Möglichkeit sehr aktiv, es beschleunigt die Beitrittsannahme. Darüber hinaus bieten wir auch erstmalig an, die Beitrittserklärung seitens des Anleger per e-Signing zu unterzeichnen. Den Rahmen dafür haben wir auf Wunsch einzelner Partner geschaffen. Nach achtmonatiger Platzierungsphase haben wir bis heute aber keine Beitrittserklärung darüber erhalten, ich behaupte: noch nicht. Zukünftig werden wir nach und nach mehr Zeichnungen über diesen Weg erhalten. Mein Fazit: Die Digitalisierung unserer Branche ist kein Fluch, sie ist ein Segen für diejenige, die sie annehmen.

Die Fragen stellten Frank Milewski und Stefan Löwer, beide Cash.

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