12. Branchengipfel Sachwertanlagen: „Wir müssen bei ESG das Rad nicht neu erfinden“

Foto: Primus Valor
Gordon Grundler: „Der AIF ist ein transparentes und reguliertes Produkt, was aber viel zu viel Bürokratie mit sich bringt.“

Die 2007 gegründete Primus Valor Gruppe hat sich auf den Erwerb von bezahlbarem Wohnraum in deutschen Ober- und Mittelzentren an aktuell knapp 100 Standorten fokussiert. Zusammen mit den Engagements in Erneuerbare Energien wurden insgesamt nahezu eine Milliarde Euro Anlagevermögen investiert. Nachfolgend die Statements von Vorstand Gordon Grundler.

Inflation, Zinswende, Kostenexplosion & Co.: Wie wirken sich die veränderten Rahmenbedingungen auf Ihre Zielbranche aus?
Grundler: In den vergangenen Jahren gab es bereits einige Krisen zu bewältigen, angefangen bei Corona, wovon unsere Assetklasse Immobilien nahezu verschont geblieben ist. Die Investition in Sachwerte sehen wir dabei als ganz klaren Vorteil, insbesondere im aktuellen Inflationsumfeld. Trotz der enorm gestiegenen Kosten konnten wir unser Geschäft seither weiterhin gut fortführen und sind überzeugt, unseren Anlegern ein solides und lukratives Produkt anbieten zu können. Natürlich haben wir einen Anstieg der Rohstoff- und Energiekosten erlebt, während Finanzierungskonditionen Investitionen bremsen und wir eine Abkühlung des Immobilienmarktes wahrnehmen. Doch mit unserem aktuellen Fonds ImmoChance Deutschland 11 Renovation Plus haben wir bereits eine erfolgreiche Ankaufsphase absolviert und tolle Objekte mit vielversprechenden Wertsteigerungspotenzialen erworben. Da hat unser Ankauf ganze Arbeit geleistet.

Bestärkt durch Zuwanderung und steigende Bevölkerungszahlung können wir eine Verknappung auf dem Wohnungsmarkt feststellen, was kurzfristig zu steigenden Mieten und mittel- und langfristig auch wieder zu steigenden Preisen führen wird. Den geänderten Finanzierungskonditionen wirken wir bereits aktuell dadurch entgegen, indem wir vermehrt auf Eigenkapital setzen – siehe die kürzliche Erhöhung des Kommanditkapitals unseres jüngsten Fonds.

Welche Folgen haben die Veränderungen für die Konzeption oder Kalkulation Ihrer künftigen Fonds?
Grundler: Für unseren neuen Fonds ImmoChance Deutschland 12 Renovation Plus, der im kommenden Jahr starten wird, sehen wir in der aktuellen Entwicklung sogar Vorteile. Wir rechnen kurzfristig mit niedrigeren Preisen im Einkauf und gehen davon aus, dass wir aufgrund der Inflation höhere Mietsteigerungen vornehmen können, als wir beispielsweise für unseren aktuellen Fonds kalkuliert haben. Wir rechnen auch damit, dass in der kommenden Zeit Immobilien auf dem Markt sein werden, die schnell verkauft werden müssen, wovon wir natürlich in Form besserer Ankaufspreise profitieren.

Die Inflation ist zweistellig, die Renditeprognose von Publikums-AIFs in der Regel einstellig. Warum sollten Kunden investieren, obwohl sie real Geld verlieren?
Grundler: Gleicht das Nicht-Investieren etwa die Inflation aus? Das wäre die größte Kapitalvernichtung überhaupt. In solchen Zeiten sieht man mit Blick auf die Vergangenheit den Vorteil von Sachwerten gegenüber Geldwerten. Wir legen unseren Fokus zwar auch auf die Wertsteigerung, erwirtschaften aber vor allem laufende Erträge, was einen klaren Vorteil für Anleger bietet. Außerdem sollte man sich fragen, welche Alternativen denn bitte existieren? Tagesgeld oder Lebensversicherungen sind hier renditetechnisch weit abgeschlagen, weitere Produkte sind deutlich volatiler. Ein Produkt, welches aktuell die Inflation ausgleicht und ein ähnlich niedriges Chance-Risiko-Profil vorweist, wie wir es im Wohnimmobilienmarkt erzielen, gibt es nicht.

ESG-Vorschriften und Abfragepflicht im Vertrieb: Unterm Strich Fluch oder Segen?
Grundler: Das lässt sich so einfach gar nicht beantworten – letztendlich ist es weder Fluch noch Segen. Der Grundgedanke von ESG ist natürlich gut, gleichzeitig spüren wir den hohen bürokratischen Aufwand, der in der Praxis sehr hinderlich sein kann. Das Produkt muss schließlich auch weiterhin wirtschaftlich bleiben. ESG ist noch immer nicht vollends ausdefiniert – es wird weitere Anpassungen der Regularien geben. Natürlich kommt uns hierbei zugute, dass wir aufgrund unserer Größe und Struktur sehr flexibel sind und spontan reagieren können. Aber dennoch wird hier, vor allem in Deutschland, viel zu kompliziert gedacht. Denn wir merken bereits jetzt, dass manche Forderungen einfach zu theoretisch gedacht und in der Praxis eigentlich überflüssig sind. Aber hier wird das Thema seitens des Rechtsprechers sicherlich noch weiter aussortiert und angepasst. Eine Entschlackung muss aber stattfinden.

Welchen Stellenwert hat ESG bei Anlegern und Vertrieb wirklich?
Grundler: Bezogen auf die breite Masse wird ESG aus unserer Sicht nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vereinzelt werden Anleger sicherlich Wert darauflegen, in einen auch offiziell nachhaltigen Fonds zu investieren. Wir haben aber auch viele Anleger, die immer wieder bei uns investieren, teils seit unserem ersten Fonds mit dabei sind, und somit unser Konzept schon kennen und uns vertrauen. Hier wird es sicherlich weniger ausschlaggebend sein, ob unser neuer Fonds ESG-Richtlinien befolgt oder nicht. Wie weit Kunden aber wirklich detaillierte Einsicht in ein Investment erhalten und ihnen somit ihre Investitionsentscheidung erleichtert wird, nur, weil das Thema ESG an Wichtigkeit gewinnt, sei einmal dahingestellt. Was dem Kunden jedoch wichtig ist, ist letztendlich auch dem Vertrieb wichtig. Der Anleger ist also das regulierende Organ, der Vertrieb passt sich an. Um hier bestmöglich vorbereitet zu sein, arbeiten wir bereits jetzt eng mit dem Vertrieb zusammen, um einen transparenten Informationsaustausch gewährleisten zu können.

Artikel 9, Artikel 8, Artikel 6: Was planen Sie? Wo stehen Sie?
Grundler: Wir planen einen Artikel 8-Fonds, die Vorbereitungen des neuen Fonds sind bereits in vollem Gange. Um transparent aufzuzeigen, inwiefern ESG-Punkte bei unserem Investment berücksichtigt werden, haben wir ein eigenes Scoring-System entwickelt. Vom Ankauf über Sanierungsmaßnahmen bis hin zum Verkauf werden daher künftig fest definierte soziale und ökologische Kriterien geprüft.
Generell müssen wir beim Thema ESG das Rad nicht neu erfinden. Durch unseren Fokus auf energetische Sanierung und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum reduzieren wir schon seit nun 15 Jahren den C02-Ausstoß, Mieter sparen Nebenkosten, Anleger erhalten sehr zufriedenstellende Renditen. Unsere Maßnahmen und Fakten müssen wir lediglich in die vorgegebene Form bringen. Natürlich bedeutet auch das wieder zusätzliche Arbeit, als Nebeneffekt werden wir uns aber somit automatisch von Produkten abgrenzen können, die durch ihre Strategie nicht über die Klassifizierung als Artikel 6-Fonds hinauskommen können. Auch wenn die Regularien sich noch ändern und weiter ausdefiniert werden, kann man am Ende des Tages nicht ein Produkt „auf grün drehen“. Da wird es zu einer Ausdünnung kommen.

Nach der Pandemie: Erwarten oder beobachten Sie ein Comeback des persönlichen Kundengesprächs?
Grundler: Der persönliche Kontakt war nie komplett weg. Der Vertrieb und wir sind eben notgedrungen auf Webinare, Zoom-Meetings etc. umgestiegen. Das ist auch essenziell wichtig – also den Kontakt zum Kunden aufrecht zu erhalten, vor allem in Krisenzeiten. Wir erwarten auf jeden Fall ein Comeback des persönlichen Kundengesprächs, auch wenn einige Mandanten nach der Pandemie vielleicht die Beratung aufgrund der Bequemlichkeit zukünftig online fortsetzen wollen. Das ist aber zweitrangig. Meines Erachtens ist es viel wichtiger, einen konstanten und regelmäßigen Informationsfluss zu schaffen und zu pflegen. Anleger wollen informiert bleiben und klare Aussagen zu aktuellen Geschehnissen erhalten, noch bevor sie diese Fragen aktiv stellen müssen.

(Wie) wird die klassische Branche auf Dauer gegen Token und digitale Emissionen bestehen können?
Grundler: Der AIF ist ein transparentes und reguliertes Produkt, was aber viel zu viel Bürokratie mit sich bringt. Wie leider zu oft in Deutschland. Dabei ist eine Tokenisierung von Sachwertprodukten durchaus möglich. Grundsätzlich muss es Anlegern erleichtert werden, sich an einem Alternativen Investmentfonds zu beteiligen. Hier sind wir zwar aktuell mit der Einführung einer digitalen Zeichnungsstrecke schon sehr weit aber noch stiefmütterlich in Relation zu manch anderen Finanzprodukten – Aktien und ETFs sind mit 1 bis 2 Klicks zu kaufen. Ich gehe daher davon aus, dass die gesamte Branche hier weitere Digitalisierung als die richtige Richtung ansieht – aber wer kümmert sich darum? Das ist kein Projekt für Einzelkämpfer. Ich hoffe daher, dass wir mit unserem noch jungen Verband für Kapitalverwaltungsgesellschaften und Sachwertanbietern (VKS) das Ganze vorantreiben können.

Wie laufen Ihre Kooperationen mit Zinsbaustein und Erstmarkt.de? Planen Sie weitere Kooperationen?
Grundler: Da der AIF immer ein erklärungsbedürftiges Produkt bleiben wird, sehen wir keinen all zu großen Markt für „Execution Only“-Geschäfte. Die Beratung ist für Kunden bei ihrer Investitionsentscheidung sehr wichtig. Der klassische Vertrieb muss sich daher keine Sorgen machen, da er auch weiterhin den Großteil unseres Gesamtumsatzes ausmachen wird.

Interview: Frank Milewski und Stefan Löwer, beide Cash.

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