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Asiatische Anleihemärkte: Zwei Giganten – viele Anlagemöglichkeiten

Foto: SmarterPix/ffikretow
China und Indien sind wirtschaftlich auf der Überholspur.

China und Indien bieten Anleiheinvestoren ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Während China die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz vorantreibt und seinen Immobiliensektor neu ausrichtet, erlebt Indien ein starkes Wachstum in den Bereichen erneuerbare Energien, Nichtbanken-Finanzinstitute und Rohstoffe.

Die beiden größten Volkswirtschaften Asiens bieten Anlegern vielfältige und sehr unterschiedliche Möglichkeiten: Während in China das verarbeitende Gewerbe, der Technologiesektor und die Exporte im Vordergrund stehen, verzeichnet Indien vor allem in den Bereichen erneuerbare Energien, Nichtbanken-Finanzinstitute (NBFI) und Rohstoffe ein rasches Wachstum.

Beide Länder stehen jedoch auch vor Herausforderungen. Obwohl China weiterhin ein robustes Wachstum verzeichnet, nehmen die strukturellen Probleme zu: Handelsvolatilität, Zölle und geopolitische Unsicherheiten belasten das Vertrauen des Privatsektors und der Investoren.
Auch Indien verzeichnet ein robustes Wachstum und die Heraufstufung seines Kreditratings auf BBB durch S&P hat seine Attraktivität erhöht. Allerdings könnten die US-Zölle und die veränderte weltpolitische Dynamik die Exporte, den Konsum und die Kapitalzuflüsse beeinträchtigen. Es lohnt sich daher, einen genaueren Blick auf die makroökonomischen Rahmenbedingungen zu werfen.


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Stabilität trotz Abschwächung in China, robustes Wachstum in Indien

Chinas Wirtschaft wird sich in der zweiten Jahreshälfte 2025 wahrscheinlich abschwächen, nachdem das erste Halbjahr stärker als erwartet war. Wir rechnen für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum von rund 4,7 Prozent. Trotz des schwächeren privaten Verbrauchs, des anhaltenden Drucks im Immobiliensektor und der Zölle zeigen die Exporte eine anhaltende Dynamik. China gewinnt immer mehr Anteile am globalen Exportmarkt.

Die Strukturreformen, insbesondere die auf Überkapazitäten und Niedrigpreiskonkurrenz abzielende „Anti-Involution“-Kampagne, schreiten voran – auch wenn sie bisher wenig Wirkung gezeigt haben. Die von künstlicher Intelligenz (KI) getriebenen Investitionen stützen die Wirtschaft. Daher sind keine weitreichenderen politischen Eingriffe zu erwarten. Wir rechnen mit einer Zinssenkung um 10 Basispunkte im vierten Quartal und gezielten fiskalischen Maßnahmen nach wichtigen politischen Treffen.

Im Gegensatz zu China dürfte Indien mit einem robusten Wachstum in die zweite Hälfte des Jahres 2025 starten. Dieses wird durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen sowie eine robuste Binnennachfrage unterstützt. Ein stabiler Konsum dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr über 6 Prozent halten. Für das kommende Jahr erwarten wir ein Plus von 6,5 Prozent. Die Reserve Bank of India (RBI) hat die Zinssätze 2025 um 100 Basispunkte gesenkt, Liquidität bereitgestellt und eine neutrale Haltung eingenommen; weitere Lockerungen sind möglich. Die Inflation bleibt mit etwa 3,8 bis 4,3 Prozent moderat, wobei der Verbraucherpreisindex für Lebensmittel weiterhin unter dem Zielwert der RBI liegt. Eine Normalisierung wird bis Ende des Jahres erwartet.

Die US-Zölle in Höhe von 50 Prozent werden das Wachstum wahrscheinlich nur um 0,6 bis 0,8 Prozent bremsen. Dies könnte durch die Reform der Waren- und Dienstleistungssteuer (GST) sowie mögliche neue Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich und den ASEAN-Ländern (Association of Southeast Asian Nations, dt.: Verband Südostasiatischer Nationen) ausgeglichen werden. Darüber hinaus wurden die Gespräche mit China über eine grenzüberschreitende Handelskooperation wieder aufgenommen. Insgesamt sind die Aussichten für Indien positiv. Dazu tragen proaktive politische Anpassungen und eine verbesserte Stimmung der Investoren bei.

China beeindruckt mit KI und Reformen – sorgfältige Analyse bleibt notwendig

Trotz der erwarteten Konjunkturabschwächung in China bietet das Land Chancen für Anleger am Anleihemarkt. Diese liegen in hochwertigen Vermögenswerten und Sektoren mit soliden Fundamentaldaten – wie KI und fortschrittliche Fertigung –, bei denen eine sorgfältige Auswahl inmitten eines komplexen makroökonomischen und politischen Wandels das Potenzial für Neubewertungen ausschöpfen kann. Wir denken auch, dass die Regierung entschlossener ist, den Immobiliensektor zu stabilisieren.

Chinas Kreditmärkte bieten Anlegern die Möglichkeit, an der KI-Wertschöpfungskette in Form von Infrastruktur, Cloud-Diensten und Rechenzentren zu partizipieren. Die technologischen Durchbrüche der lokalen Technologieführer sind von den Exportkontrollen für hochentwickelte Chips weitgehend unbeeinflusst. Diese Unternehmen sind weiterhin profitabel, auch wenn sich die Entwicklung verlangsamt hat. Die Kreditqualität in diesem Segment ist insgesamt robust, viele Emittenten haben ein hohes Kreditrating und ausgewählte Rechenzentrumsbetreiber im Hochzinssegment ziehen weiterhin Kapital an.

Im US-Dollar-Kreditbereich des chinesischen Immobiliensektors haben erhebliche Reformen zu einer Stabilisierung geführt. Hochwertige, gut geführte staatliche und private Unternehmen sowie Immobilien, die wiederkehrende Erträge erwirtschaften, bieten zunehmend Investitionsmöglichkeiten. Vor allem Tier-1-Städte und anlageorientierte Immobilien erholen sich, während kleinere Städte weiterhin mit einem Überangebot zu kämpfen haben. Staatliche Maßnahmen unterstützen die Stabilisierung der Preise und Verkäufe, insbesondere in großen Ballungszentren.

Für Investoren begünstigt das Finanzierungsumfeld staatliche Unternehmen, die von den niedrigeren Finanzierungskosten und dem gestiegenen Vertrauen in den Offshore-Markt profitieren. Private Unternehmen wenden sich zunehmend Immobilienverwaltungs- und Vermietungsmodellen zu. Nach der Bereinigung notleidender Emittenten bieten Unternehmen aus dem chinesischen Immobiliensektor attraktive Renditen bei geringerem Risiko. Es wird erwartet, dass sich die Ausfallraten bis 2026 weiter normalisieren werden. Dennoch bleibt eine sorgfältige Analyse der Emittenten entscheidend. Unserer Ansicht nach hat die ungleichmäßige physische Markterholung in Verbindung mit entschlossenen staatlichen Eingriffen den Markt jedoch zumindest teilweise stabilisiert.

Indien ist auf dem Weg zur Industrienation

Indien tritt derweil in eine entscheidende Phase ein. Das Ziel des Landes ist es, bis 2047 eine entwickelte Nation zu werden. Unserer Ansicht nach bieten sich Anlegern derzeit Chancen wie nur selten. 91 Prozent der Unternehmen haben einen stabilen oder positiven Ausblick; im Jahr 2025 gab es 12 Rating-Hoch- und keine Herabstufungen.

Wie erwähnt, zeigt sich eine wachsende Dynamik insbesondere in den Bereichen Erneuerbare Energien, Nichtbanken-Finanzinstitute und Rohstoffe.

Die Erzeugung Erneuerbarer Energien in Indien legte im 1. Halbjahr 2025 um 24,4 Prozent zu. Sie machen nun über 17 Prozent der Stromerzeugung aus. Ambitionierte Regierungsziele und 55,9 Milliarden US-Dollar an Green-Bond-Emissionen bis Ende 2024 stützen die starke Dynamik. Die Integration von Pumpspeicherprojekten und technologische Fortschritte verbessern die Zuverlässigkeit und Kreditqualität im Sektor. Zunehmende IPO-Aktivitäten und breiterer Kapitalzugang verstärken die Attraktivität.

Nichtbanken-Finanzinstitute profitieren in Indien von regulatorischen Lockerungen durch die RBI. Sie bieten Finanzdienstleistungen für Bevölkerungsgruppen an, die keinen Zugang zu traditionellen Banken haben. Eine solide Kapitalausstattung, sinkende Zahlungsausfälle und eine stabile Finanzierung machen sie zu attraktiven Emittenten. Das Gesamtwachstum des Sektors im Kreditsegment liegt bei 9 Prozent, bei großen privaten Nichtbanken-Finanzinstituten zum Teil deutlich höher.

Der Infrastrukturboom in Indien treibt die Nachfrage nach Aluminium und Zink in die Höhe; die Produzenten erweitern ihre Kapazitäten und profitieren von guten Erträgen und sinkenden Verbindlichkeiten. Auch hier unterstützen die politische Dynamik und verbesserte Kreditprofile die Renditechancen.

Komplementäre Möglichkeiten in Indien und China

China und Indien bieten komplementäre Anlagemöglichkeiten für Anleiheinvestoren. In China begünstigen ein langsameres, aber robustes Wachstum, gezielte politische Maßnahmen und eine gesündere Branchendynamik selektive Engagements insbesondere im überverkauften Immobiliensektor und entlang der KI-Wertschöpfungskette. In Indien schaffen ein stabiles makroökonomisches Umfeld, aktive politische Lockerungen und robustere Unternehmen vielfältige Möglichkeiten mit verbesserter Kreditqualität. Ein Mix aus Allokationen in beiden Märkten ermöglicht es Anlegern daher, an den zahlreichen Wachstums- und Reformtrends in Asien zu partizipieren.

Autor Toby Bracey ist Client Portfolio Manager im Fixed Income Team von Neuberger Berman.

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